LGBTQ+ in Bulgarien: Verlogene Solidarität

Die demonstrative Sympathie von Po­li­ti­ke­r*in­nen mit der LGBTQ+-Community ist verlogen. In Bulgarien lebt der Hass auf sexuelle Minderheiten.

Mann im Profil trägt Regenbogenfahne und Maske

Protest gegen homophobe Attacken Sofia am 1. November 2021 Foto: Hristo Vladev/imago

Verlogener geht es nicht: Da wird in der bulgarischen Hauptstadt Sofia ein Treffpunkt der LGBTQ+-Community überfallen und eine Aktivistin von einem der Eindringlinge ins Gesicht geschlagen. Und was passiert? Führende Po­li­ti­ke­r*in­nen verleihen ihrer Bestürzung Ausdruck, darunter auch auch der frühere Regierungschef Bojko Borissow. Gerade der ist bislang keineswegs durch Solidaritätsbekundungen für die Minderheit aufgefallen.

Borissow regierte von 2017 bis 2021 in einer Koalition mit dem nationalistischen Wahlbündnis Vereinigte Patrioten. Diese Truppe war, wo es um Hetze gegen Ver­tre­te­r*in­nen der Minderheit geht, stets an vorderster Front unterwegs. Noch unappetitlicher ist der Vorfall angesichts der Tatsache, dass der selbst ernannte „National-Sozialist“ und Rechtsaußen Bojan Rasate an der Aktion federführend beteiligt war.

Rasate will übrigens bei der kommenden Präsidentenwahl antreten. Seine Haltung gegenüber der LGBTQ+-Community wird ihm dabei keinen Abbruch tun. In weiten Teilen der Gesellschaft herrschen nach wie vor Hass und Ablehnung, wenn es um die Belange sexueller Minderheiten geht. Ausgrenzung, Stigmatisierung bis hin zu körperlichen Übergriffen sind an der Tagesordnung.

Selbst unter den demokratisch gesinnten Po­li­ti­ke­r*in­nen gibt es kaum solche, die sich die Forderung von LGBTQ+-Menschen nach Schutz und Wahrung von deren Rechten zum Anliegen machen. Eine Art Vorspiel zur Verwüstungsorgie in Sofia könnte auch ein Urteil des bulgarischen Verfassungsgerichts über die Istanbul-Konvention von Ende Oktober gewesen sein, die seit ihrer Annahme durch die Regierung 2018 im Parlament dümpelt.

Die Konvention verstoße gegen die Verfassung, da der Terminus „Geschlecht“ auch als soziale Kategorie gelesen werden könne. Mit anderen Worten: Wieder eine volle Breitseite gegen LGBTQ+. Immerhin hat die Zentrale Wahlkommission Rasate die Immunität entzogen, was den Weg für eine Anklageerhebung frei machen würde. Ob das an der Situation von LGBTQ+ etwas ändert, ist eher zweifelhaft.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

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