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Wahlkampfberichterstattung in BulgarienEx-Premier in Dauerschleife

Bulgariens Ex-Premier Borissow war Topthema im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Andere Kandidaten kamen kaum vor. Dafür hagelt es Kritik.

Bojko Borissow war ständig präsent in den Medien Foto: Spasiyana Sergieva/reuters

Berlin taz | Aufmerksamen Be­ob­ach­te­r*in­nen dürfte es nicht entgangen sein: Sowohl vor der Parlamentswahl im vergangenen April als auch der vorgezogenen Neuwahl im Juli war Bulgariens langjähriger Regierungschef Bojko Borissow Topthema in den heimischen Medien. Besonders dankbar waren Aufnahmen von dem bulligen Ex-Body-Guard, wie er in seinem Van durch das Land kurvte – immer ganz volksnah, versteht sich.

Einen wesentlichen Anteil an der erdrückenden Medienpräsenz Borissows hatte der öffentlich-rechtliche Fernsehsender BNT, der dafür jetzt harsche Kritik einstecken muss. BNT habe während der Wahlkampagne im Juli völlig einseitig zugunsten Borissows und seiner Partei „Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens“ (GERB) berichtet, heißt es in einer Erklärung der Nichtregierungsorganisation Reporter ohne Grenzen (ROG), die sich auf einen Bericht der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) stützt. An die politischen Kräfte im neuen Parlament ergeht die Aufforderung, umfassende Reformen einzuleiten, um die Unabhängigkeit öffentlich-rechtlicher Medien zu stärken.

Am Mittwoch meldete sich auch der Kulturminister des übergangsweise regierenden Expert*innenkabinetts, Welislaw Minekow, zu Wort. „Die Verzerrung der Informationspolitik beraubt die Zu­schaue­r*in­nen und Steu­er­zah­le­r*in­nen der Möglichkeit, sich unvoreingenommen und vielfältig zu informieren“, sagte er und mahnte eine intensive Befassung der Verantwortlichen mit der Berichterstattung von BNT an.

Minekow war eine laut vernehmbare Stimme bei den Massenprotesten im Sommer 2020. Zehntausende waren auf die Straße gegangen, um gegen Korruption und Vetternwirtschaft – nicht zuletzt in den Reihen der GERB – zu demonstrieren.

Tätliche Angriffe

Einmal abgesehen davon, dass eine Regierungsbildung erneut scheitern und eine weitere Wahl bevorstehen könnte: Um die Medienfreiheit ist es in Bulgarien alles andere als gut bestellt. Kennzeichnend dafür ist eine Konzentration der Medienmacht in den Händen einiger weniger sowie bisweilen auch tätliche Angriffe auf Jour­na­lis­t*in­nen, was eine Art Selbstzensur zur Folge hat.

Schon vor einem Jahr hatte ROG davon gesprochen, dass unabhängige Medien dabei seien, vollständig zu verschwinden. Auf seinem weltweiten diesjährigen Index der Pressefreiheit führt die Organisation Bulgarien auf Platz 112 (von 180) – Tendenz fallend. Damit ist das Land Schlusslicht in der EU.

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