Kunsttips für Berlin: Es geht ums Überleben

Lauryn Youden gewährt Einblick in das Leben mit Barrieren, Anna Mikkola wiederum entwirft mögliche Lebensformen im fortschreitenden Klimawandel.

Ein Holzschränkchen gefüllt mit Bildern der Künstlerin Lauryn Youden

Lauryn Youden, Visionary of Knives, 2020, Installationsansicht, Künstlerhaus Bethanien Foto: David Brandt; Courtesy the artist

Es ist einer der Sätze, die derzeit immer wieder zu lesen sind: Eigentlich war alles etwas anders geplant. Auch auf Lauryn Youdens Einzelausstellung im Künstlerhaus Bethanien trifft er zu. Unter anderen Umständen würden sich deren Besucher*innen anders verhalten, wäre die Ausstellung ein anderer Ort, einer des Austauschs und der Begegnung. Die Bücher etwa, die von Selbstfürsorge, Körperwahrnehmung und Überlebensstrategien handeln und die Youden in zwei Wand-Altären zwischen Heilkräutern, Medikamenten und rituellen Gegenständen verteilt hat, waren eigentlich dafür gedacht, herausgenommen und gelesen zu werden, ganz gemütlich auf der Polsterlandschaft in der Mitte des Raumes.

Youden ist Teil einer queeren Crip-Community, einer aktivistischen Gemeinschaft von und für Menschen mit körperlichen, geistigen und sensorischen Beeinträchtigungen, Menschen, die aktuell zum eigenen Schutz vor Infektionen oft in die Isolation gedrängt werden. Umso dringlicher erscheint daher Youdens Thema und ihr Ruf nach mehr Aufmerksamkeit für Personen mit Vorerkrankungen.

Oder auch ebensolche nichtmenschlicher Wesen: Zwischen den Altären hängt ein kleinerer, hölzerner Schrein. Fotos eines Hundes, um den Youden trauert, sind dort angeklebt. „A process of grieving“ (2020) soll an ihn und alle in diesem Jahr an Krankheiten verstorbenen Wesen erinnern.

Geister des Klimas

Am anderen Ende der Stadt, in der Pariser Straße, ist die kanadische Galerie L’Inconnue vorrübergehend in die alten Räume von Mountains eingezogen. Anna Mikkola zeigt dort ihr Video „Ghost in the Climate“, in dem Wolken unterschiedlichen, unnatürlichen Ursprungs zu Bildern für die zunehmende Unsicherheit im Zusammenhang mit den möglichen Folgen des Klimawandels werden.

Künstlerhaus Bethanien, bis 25. 10., Di.–So. 14–19 Uhr, Kottbusser Str. 10.

L’Inconnue, bis 31. 10., Mi.–Sa. 11–18 Uhr, Anmeldung erforderlich, Pariser Str. 4.

Mountains, Mi.–Fr. 13–19, Sa. 11–16 Uhr, bis 16. 1., Weydinger Str. 6.

Claude Monets Momentaufnahmen des Londoner, von Nebel und Luftverschmutzung verhangenen Lichts, verknüpft sie dafür mit pseudowissenschaftlichen Youtube-Videos von Klimawandelleugnern, mit eigenen Texten und einer animierten, quasi lodernden Grafik von den Waldbränden des vergangenen Jahres.

Die komplexen Zusammenhänge von Natur und Technologie und deren Wahrnehmung sind, was Mikkola umtreibt – und entsprechende Formen von Evolution: In den zweiten Raum hat Mikkola laternenartige Objekte gehängt, versehen mit zarten Zeichnungen von Pflanzen einer unbestimmten, wohl nicht gerade leuchtenden Zukunft, gemorpht aus unterschiedlichen Spezies aus einem Herbarium Alexander Humboldts.

Der taz plan erscheint auf taz.de/tazplan und immer Mittwochs und Freitags in der Printausgabe der taz.

Und Mountains? Die neue Adresse der Galerie befindet sich am Rosa-Luxemburg-Platz, in der Weydingerstraße. Eröffnet wurde dort Anfang Oktober mit einer Gruppenausstellung. Ihr Titel schließt quasi den Bogen zu den beiden vorhergenannten Schauen: „Assisted Survival“.

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Redakteurin für Berlin Kultur, freie Kulturjournalistin und Autorin. Für die taz schreibt sie vor allem über zeitgenössische Kunst, Musik und Mode. Für den taz Plan beobachtet sie als Kunstkolumnistin das Geschehen in den Berliner Galerien und Projekträumen.

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