Kunsttipps der Woche: Souverän bis wild

Jenna Westras Porträts bei Schwarz Contemporary, unverständlich braune Bilder bei Max Hetzler und die letzte Ausstellung der Reihe „Merzbau-Garten“.

Ausstellungsansicht: Albert Oehlen, unverständliche braune Bilder

Ausstellungsansicht: Albert Oehlen, unverständliche braune Bilder Foto: Courtesy of the artist and Galerie Max Hetzler / Albert Oehlen / def image

Jenna Westras Portraitfotografie ist sehr komponiert und geradezu künstlich. Ihre Modelle erstarren in seltsamen Posen, die vor allem für die Linien im Bild gemacht zu sein scheinen. Trotzdem erkennt man auf den Fotografien bei Schwarz Contemporary nicht das übliche Diktat derjenigen, die den Auslöser drückt.

Jenna Westra fängt mit ihren Portraits, für die sie mit unterschiedlichen Belichtungs- und Farbtechniken arbeitet, vielmehr einen kollaborativen Moment zwischen ihr als Fotografin und den weiblichen Modellen ein. Nur selten sind Gesichter zu sehen, dennoch lässt sich in den Ausschnitten verschränkter, verschlungener und in irgendeiner gemeinschaftlichen Tätigkeit verharrender Körper eine Zärtlichkeit unter den Posierenden erkennen.

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Es ist eine freundschaftliche, bestärkende Zärtlichkeit. In einem Einzelportrait tritt das Modell in einen Dialog mit der Abbildung ihrer selbst. Erfrischend, ungewöhnlich und feministisch, die Frau und ihren Körper in dieser hochästhetisierten aber hierarchielosen Form abzubilden.

Es sind unverständliche Bilder und sie sind braun, doch sie machen Spaß. Dabei kommt diese spontane Freude an Albert Oehlensunverständlichen braunen Bilder“ (auch „u.b.B.“ genannt) und seiner „Ö-Norm“-Serie in der Galerie Max Hetzler von einer malerischen Tiefe.

Schwarz Contemporary: Jenna Westra „Mellow Drama“; bis 31. Juli, Mi – Fr 12 – 18Uhr, Sa 12 – 16Uhr, Sanderstr. 28

Galerie Max Hetzler: Albert Oehlen „unverständliche braune Bilder“; bis 14. August; Di – Sa 11 – 18Uhr, Goethestr. 2/3 u. Bleibtreustr. 15/16

Kinderhook & Caracas: „Merzbau-Garten Modul III“ mit u.a., Anna M. Szaflarski, Sayuri Chetti, Stephanie Comilang, Zora Mann, Philip Wiegard, The Society for Matriarchal World Domination; bis 14. August, Fr & Sa 14 – 18Uhr, Kreuzbergstr. 42E

Wie er die ästhetisch und ebenso politisch schwierige Farbe Braun auf ausschließlich großem Format mit leuchtendem Pink, Gelb, Grün oder Blau vermengt und sich dabei vom Kleks bis zum Sfumato leichtfüßig unterschiedlichster Maltechniken bedient, ist detailreich, voller Referenzen und vor allem frei.

Albert Oehlen, einer der bekanntesten deutschen Gegenwartskünstler, der auch von dem amerikanischen Galerieriesen Gagosian vertreten wird, greift für die kürzlich entstandene „u.b.B.“-Serie vereinzelt auf populäre Motive seiner früheren Bilder zurück: Da tauchen mal seine kubistischen Architekturen auf oder hineincollagierte Stoffe und Textfragmente.

Und manchmal, ganz überraschend, zeichnet sich aus den braunen Flächen und Farbzügen das tief in die Bildgeschichte reichende, romantische Motiv einer Rückenfigur ab, allerdings in einer sehr abstrakten Abwandlung. All das wirkt – dreißig Jahre nachdem man ihn zu den „Jungen Wilden“ zählte – so souverän in seiner Wildheit, so „postwild“, dass es Freude macht.

Der Dadaist Kurt Schwitters fertigte zwischen 1923 und 1948 vier bekannte Versionen seines Merzbau-Projekts an. Expressive Rauminstallationen, einer Tropfsteinhöhle gleich, deren Stalagmiten und Stalagtiten aus Sperrholz, Pappe und sonstig vorgefundenem und weiterverarbeitetem Material nur so wuchern.

Christopher Kline und Sol Calero von Kinderhook & Caracas haben seit Sommer letzten Jahres dieses faszinierende aber doch eher eigenbrödlerische Kunstvorhaben Schwitters' in ein stetig wachsendes Kollaborationsprojekt umgewandelt. Jetzt, während der dritten und letzten Ausstellung ihrer Reihe „Merzbau-Garten“, überlagern nochmal elf Künst­le­r:in­nen eine bereits zwei Mal übereinandergefügte Assemblage unterschiedlichster Malereien, Objekte, Videos oder Spielanleitungen zu einer totalen Installation.

In dem schieren künstlerischen Getümmel tauchen dann Sophie Erlunds beschuhte Füße, Nigin Becks weinende Zwiebel oder Ellinor Aurora Aasgaards Repliken von Straßenmüll auf, um nur einige zu nennen. Nach einundeinhalb Jahren Pandemie, in denen man sich kaum begegnen konnte, findet hier zumindest unter den Objekten von 27 Künst­le­r:in­nen ein großes Treffen statt.

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