Kunstbiennale in St. Petersburg: Gekauft wie die Olympischen Spiele
Die Manifesta 10 findet im Sommer in St. Petersburg statt. Die Diskriminierung Homosexueller macht dem Kurator Kaspar König keine Sorgen.
Geht das wirklich? Anlässlich der Olympischen Winterfestspiele in Sotschi, Wladimir Putins großem Prestigeobjekt, sieht sich die ganze Welt aufgefordert, Stellung zu seinem Wunsch zu beziehen, trotz fehlender Rechtsstaatlichkeit, Korruption und Verfolgung Andersdenkender, anerkannt und hofiert zu werden.
Ganz klar tat das EU-Justizkommissarin Viviane Reding, die ihren Besuch der Spiele absagte. „Ich werde sicher nicht nach Sotschi fahren, solange Minderheiten auf diese Weise von der derzeitigen russischen Regierung behandelt werden“, sagte sie in Hinblick auf das russische Anti-Homosexuellen-Gesetz. Auch die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton mag nicht nach Sotschi fliegen, wegen der Menschenrechtslage in Russland.
Ähnliche Äußerungen prominenter Vertreter des Kunst- und Kulturlebens würde man auch in Hinblick auf das Kunstereignis Manifesta erwarten, das vom 28. Juni bis zum 31. Oktober in der Eremitage in St. Petersburg stattfindet. Doch weit gefehlt.
Stattdessen fliegt Kaspar König – der als Gründungsdirektor des Frankfurter Portikus, als Miterfinder des Münsteraner Skulpturenparks und zuletzt bis 2012 als Direktor des Museum Ludwig in Köln ein hochverdienter Zampano des Kunstbetriebs ist – jeden Monat für zwei Tage an die Newa, um dort seine Ausstellung vorzubereiten, wie die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) aktuell zu berichten wusste. Er ist der Kurator der 10. Ausgabe der Biennale, die gern die kunstgeografischen Randzonen in den Fokus der Wahrnehmung rücken will.
Daher gastiert die jeweils von einem neuen Kuratorenteam betreute Ausstellung alle zwei Jahre an einem anderen Ort. Freilich verfügt die 1993 gegründete Manifesta-Stiftung in Amsterdam über kein eigenes Kapital – und deshalb ist die Manifesta in St. Petersburg genauso gekauft wie die Olympischen Spiele in Sotschi. Auch in St. Petersburg werden die Kosten des Events vom russischen Staat bezahlt, dem Veranstalter Manifesta entstehen keine Kosten.
Traditionellerweise heißt es ja, wer zahlt, schafft an. Kaspar König freilich glaubt, dass er mit seinem Kunstprogramm in St. Petersburg durchkommen wird. Denn wie er gegenüber der FAS bekannte: „Solange man es nicht schwul nennt, darf man fast alles.“ Na dann. Ist ja alles in Ordnung, oder? Zumal die Manifesta auf ihrer Homepage mitteilt, dass sie selbstverständlich die Bedenken hinsichtlich des Austragungsorts ernst nimmt. Aber für vielversprechender als den Ausstieg hält sie den Dialog. Es sei denn, man sage was von wegen schwul.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau