Kunstausstellung „Monet – Mitchell“: Braucht sie denn den Booster?

Eine Pariser Ausstellung stellt die abstrakte Malerei von Joan Mitchell der von Claude Monet gegenüber. Ist das ein ebenbürtiger Dialog in der Kunst?

Zwischen Bildern von Claude Monet blickt man auf Bilder Joan Mitchells, die sich farblich sehr nahe sind

Eine verblüffende Nähe: Blick in die Ausstellung „Le dialogue Claude Monet Joan_Mitchell“ Foto: The Estate of Joan Mitchell und Fondation Louis Vuitton, Foto: Marc Domage

Sie könne eh nicht gewinnen, sagte die US-amerikanische Malerin Joan Mitchell 1992 in einem Interview. Es ging um ihre historische Bedeutung als Künstlerin. Schließlich sei sie ein Mädchen, eine Frau, weiblich. Nun hat die Fondation Louis Vuitton der 1925 in Chicago geborenen Künstlerin 30 Jahre nach ihrem Todestag in ihrem spektakulären Pariser Museumsbau von Architekt Frank Gehry eine Blockbuster-Ausstellung gewidmet.

„Monet – Mitchell“ heißt die gemeinsam mit dem Pariser Musée Marmottan Monet organisierte Show. Es geht um ästhetische Verbindungen zwischen der abstrakten Expressionistin Mitchell und der französischen Impressionismus-Ikone Claude Monet. Joan Mitchell und einer der bekanntesten Künstler weltweit im Dialog, ebenbürtig.

Hat Mitchell mit dieser Ausstellung ihren verdienten kunsthistorischen Platz auf der Weltbühne der Malerei bekommen? Kunst von Frauen ist in den Museen dieser Welt nach wie vor unterrepräsentiert. Die Künstlerinnengruppe Guerrilla Girls hat in den 80er Jahren festgestellt, dass nur vier Prozent der ausgestellten Kunst von weiblicher Autorschaft ist.

Erst in den letzten Jahren beginnt sich langsam etwas zu ändern. Das New Yorker MoMA hat 2019 die Präsentation seiner Sammlung zugunsten von Frauen umorganisiert, das Baltimore Museum in den USA hat 2020 entschieden, nur noch Kunst von Frauen zu kaufen.

Unabhängig von Quote und Geschlecht?

Monet – Mitchell. Dialogue and Retrospective. Fondation Louis Vuitton Paris, bis 27. Februar 2023

Ist die Ausstellung der Fondation Louis Vuitton ein weiterer Hinweis auf eine gleichberechtigte Kunstwelt? Geht sie sogar darüber hinaus und stellt hier nur die Ästhetik in den Vordergrund, unabhängig von Quote oder Geschlecht? Die Antwort ist leider: nein. Denn der ästhetische Dialog zwischen Monet und Mitchell funktioniert zwar – aber offenbar nicht kommentarlos.

Obwohl Mitchell, wie die Chefkuratorin der Ausstellung, Suzanne Pagé, im Pressetext schreibt, „eine der einflussreichsten Künstlerpersönlichkeiten der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts ist“, glauben die Ausstellungsmacher, dass sie – im Gegensatz zu Monet – noch einen Aufmerksamkeits-Booster braucht.

Pagé und ihr Kuratorenteam haben der Hauptausstellung eine „Einleitung“ vorangestellt. Im Untergeschoss des Gehry-Museums wird eine Mitchell-Retrospektive gezeigt. Damit sich die Museumsgänger mit dem Werk der Künstlerin vertraut machen können, bevor sie die eigentliche Ausstellung besuchen. Mitchell muss also, wie es die Ausstellungsmacher schreiben, „ins öffentliche Bewusstsein gerückt“ werden.

Traurig, dass das offenbar nötig ist. Mitchell mag eine der wichtigsten Künstlerinnen unserer Zeit sein – und doch werden mit dem Abstrakten Expressionismus nach wie vor hauptsächlich die Namen ihrer männlichen Kollegen wie Jackson Pollock, Willem de Kooning oder Robert Motherwell verbunden. Auch die Kuratoren der Louis-Vuitton-Stiftung waren wohl nicht bereit, das ganze Museum für sie freizuräumen. Der männliche Superstar im Pantheon der Kunst muss her, um Mitchell die Aufmerksamkeit zuteilwerden zu lassen, die ihr zusteht.

Die Kernausstellung ist aber – das muss man zugeben – klug konzipiert. 70 großformatige Malereien, 35 von Mitchell und 35 von Monet. Ein Coup ist der radikale Schritt, Monets Werke ohne Rahmen zu zeigen. So hängen nun die nackten, geradezu entthronten Monets neben den ohnehin rahmenlosen Malereien von Mitchell. Wie grob auch der Pinselstrich Monets war, wie farblich nuanciert die Abstraktionen Mitchells. Sie sprach von Gefühlen („feelings), er von Empfindungen („sentiments“), wenn es jeweils um ihren künstlerischen Ansatz ging. In manchen Räumen fällt es auf den ersten Blick fast schwer, die Bilder zuzuordnen.

Im letzten Raum werden zehn von Mitchells einundzwanzig Bilder umfassender und zwischen 1983 und 1984 entstandener Serie „La Grande Vallée“ gezeigt, die so noch nie zusammen zu sehen waren. Die Farbpracht und immer wieder überraschend dynamische Komposition dieser Bilder lassen den riesigen Ausstellungsraum vibrieren. Ästhetisch ist die Ausstellung „Monet – Mitchell“ unbedingt gelungen. Den Bildern beider Künstler tut der Dialog gut, lässt sie gestärkt hervortreten. Und doch bleibt dieser fade Nachgeschmack, dass der Mut gefehlt hat, Mitchell einfach alleine wirken zu lassen.

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