Ausstellung feministisches Grafikdesign: Plakate, die im Archiv verstaubten

Schon lange wird mit Grafikdesign auch feministische Bildpolitik betrieben. Die Guerrilla Girls machen es im MKG Hamburg sichtbar, endlich.

Drei Plakate, eines von Helen Li mit einer Gebärmutter, eines von Olga Poláčková-Vyle’alová mit einem von Haar verdecktem Frauengesicht und eine Collage von Hannah Höch

Plakate von Helen Li (2022) und Olga Poláčková-Vyle’alová (1970), Entwurf von Hannah Höch (1929) Foto: Sammlung Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, VG Bild Kunst Bonn, 2023

Die Gebärmutter wird zum wütenden Schädel. Auf dem Poster von Helen Li haben sich die Eileiter in Arme verwandelt. An deren Ende zeigen die Hände den Mittelfinger. Und über dem Organ droht ein roter Blitz. Vor knapp drei Jahren gingen in Polen Frauen* auf die Straße, gegen die konservative PiS-Regierung, gegen Misogynie und Verschärfung des Rechts auf Schwangerschaftsabbrüche. Symbol der Proteste war jener rote Pfeil.

Ein catchy Logo, das bald unübersehbar auf Shirts, Transparenten und Plakaten prangte. Die australische, in Warschau lebende Illustratorin Li gibt mit ihrem Poster „Gebärmutter/Frauenstreik“ von 2020 ein Beispiel für feministisches Design, das – einmal öffentlich zu sehen – politische Sprengkraft entwickeln kann.

Noch ein Plakat: An der repräsentativen Fassade des Hamburger Museums für Kunst und Gewerbe (MK & G) – ein Akademiebau des späten 19. Jahrhunderts – hängt das große Foto eines hanseatischen Plundergebäcks. „Dieses Franzbrötchen repräsentiert die 400.000 grafischen Arbeiten im MK & G – Dieser Krümel steht für die Arbeiten von Frauen: 1,5 %“ lautet der Titel des wandfüllenden Transparents. Die New Yorker Künstlerinnengruppe Guerrilla Girls hat es jüngst angefertigt. Es ist typisch für die seit den 1980er Jahren aktive Gruppe mit seiner In-your-Face-Ästhetik, seinem Witz, seiner Statistik, seiner Ortsbezogenheit.

Kaum Werke von weiblicher Autorschaft gesammelt

Vor einem Jahr hat das MK & G das Gesamtwerk der Guerrilla Girls gekauft. „Ich wollte eigentlich die Geschichte des feministischen Designs erzählen“, meint Kuratorin und Sammlungsleiterin Julia Meer über die nun eröffnete Ausstellung „The F* Word“ („F*“ im Sinne von „Feminismus“). „Ich musste feststellen: Mit dieser Sammlung kann ich das nicht.“ Die Sammlung hat blinde Flecken bei weiblich gelesenen Designer*innen.

Und um diese blinden Flecken auszumachen, hilft auch die ironische, aggressive Ästhetik der Guerrilla Girls. Sie reißt Werke aus dem kollektiven Kunstgedächtnis und stellt sie in einen neuen Kontext. Ihre bekannteste Arbeit „Do women have to be naked to get into the Met. Museum“ (1989) zitiert das Ölgemälde „Grande Odalisque“ (1814) von Jean-Auguste-Dominique Ingres. Nur räkelt sich darauf keine idealisierte Nackte, sondern ein Gorilla. Er weist in fetter Yellow-Press-Schrift darauf hin, dass Frauen im Museum häufiger als Aktmodelle denn als Künstlerinnen auftauchen.

Das Hamburger Kunstgewerbemuseum bringt die seriell hergestellten Medien und Objekte der Guerrilla Girls, ihren Style, der sich aus Werbung, Boulevard-Grafik, Agitprop und Artivism speist, jetzt in Verbindung mit seiner umfangreichen Designsammlung. „The F* Word“ zeigt insgesamt 500 Plakate, Zeitschriften und Buchcover, Flyer und Anzeigen von 1870 bis heute.

Gerade ältere Exponate werfen die Frage auf: Warum kennt man die eigentlich nicht? Anna von Wahl etwa fertigte 1897 Ausstellungsplakate im Jugendstil an, deren ornamentale Verästelungen absolut dem State of the Art der Jahrhundertwende entsprechen. Oder Eva Kalchaus etwa zur selben Zeit entstandene Werbelithografie für die dänische Firma Empire Fahrräder. Sie übersetzt darauf den wehenden Strich von Henri de Toulouse-Lautrec in eine selbstbewusste Weiblichkeit, die Skizzenhaftigkeit greift die Bewegung der Radfahrerin im frischen Wind auf. Beides verstaubt im Archiv.

Pop oder sanftes Abweichen von der Normschönheit

Welche unterschiedlichen grafischen Strategien es gibt, die Frau zu repräsentieren und feministische Anliegen in die Öffentlichkeit tragen, verdeutlichen auch die ausgestellten Zeitschriften. Das Missy Magazine inszeniert mit der farbintensiven Direktheit des Pop selbstbewusst die Diversität weiblich gelesener Images – mit Mut zum Regelbruch. Die in der Wendezeit entstandene Ypsilon hingegen verzichtet auf eine Normschönheit. Ihre Bilder zeigen Frauen natürlich, mit Alterungsmerkmalen und zurückgenommenem Style. Freilich, das funktioniert beides. Massentauglichkeit, Hermetik, Avantgarde, Konvention.

The F* Word – Guerilla Girls und feministisches Grafik­design: Museum für Kunst und Gewerbe, Hamburg, bis 17. September.

Doch die Vielstimmigkeit der zu sehenden Publikationen überdeckt, dass man sich hier in Nischen bewegt. Ypsilon gehörte auch in der Post-DDR nicht zum Mainstream im Frauenzeitschrift-Journalismus, und das Missy Magazine hat eine Auflage von gerade mal 30.000 Exemplaren. Selbst eine bekannte Comiczeichnerin wie Anke Feuchtenberger, deren mieslauniges, im dekorativen Schwarz-Weiß-Stil gezeichnetes „Frauenzimmer“ ausgestellt ist, wird sicher keine Top-Sellerin sein.

Leider sperren sich in dieser Ausstellung auch manche Codes. Der feministische Hintergrund auf den wenigen Plakaten aus dem Arabischen Frühling und den aktuellen Protesten im Iran lässt sich ohne Kenntnis des Arabischen und Persischen kaum erschließen. Vielleicht können aber auch diese Poster, die jetzt gerade Teil eines Freiheitskampfes sind, noch nicht musealisiert werden und bleiben daher in Hamburg zunächst nur eine Fußnote.

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