Kunst im öffentlichen Raum in Basel: Große Bühne für einen Baum

In Basel begeistert nicht nur Ólafur Elíassons Flutung der Fondation Beyeler. Noch interessanter ist die Arena für einen Baum auf dem Münsterplatz.

Holzkonstruktion vor alten Häusern, im Innern ist ein Baul sichtbar, auf dem Platz sind Leute

Installationsansicht von „Arena for a Tree“ von Klaus Littmann, Münsterplatz, Basel 2021 Foto: Gerhard Maurer/KBH.G

Es muss Kunst sein, was da seit Neuestem auf dem Münsterplatz in Basel steht, denn es kann demnächst schon wieder weg. Nein, es geht ganz klar um Kunst im öffentlichen Raum, sind doch die Gegebenheiten sehr auffällig. Denn es steht dort, wo das Naturhistorische Museum den Platz begrenzt, ein hübscher kleiner Baum auf einem Podest, eingefasst von einer umlaufenden Holzlamellenkonstruktion, die ausschaut wie ein luftiger Korb.

Es führt aber eine kleine Treppe ins Innere der Installation, die ihr Schöpfer Klaus Littmann nicht ohne Grund „Arena for a Tree“ nennt. Im Innern der Tribüne kann man sich auf einem der vier Ränge der Tribüne niederlassen und sich den Baum genauer anschauen. Klaus Littmann ist der Künstler, Kurator und Kunstvermittler, der vor zwei Jahren mit „For Forest – The Unending Attraction of Nature“ international für Furore sorgte.

„For Forest“ bildete einen kleinen Wald auf dem Rasen des Wörthersee Stadions, also dort, wo sonst der SK Austria Klagenfurt seine Heimspiele in der zweiten Liga absolviert. 299 Bäume waren es 2019, die entsprechend der vorbildgebenden, um 1970 entstandenen Zeichnung des österreichischen Künstlers Max Peintner zu stiller Betrachtung, aber auch Begeisterung und Standing Ovations einluden. Bis in den Oktober hinein ging das, bis sich die Bäume herbstlich bunt färbten.

„Tree Connections“ in der Kulturstiftung Basel H. Geiger läuft bis 11. Juli, Katalog (Hatje Cantz) 48,- Euro. „Arena for a Tree“ steht noch bis 6. Juni auf dem Münsterplatz in Basel. Olafur Eliasson „Life“ bis Ende Juli Fondation Beyeler Riehen

Natürlich knüpft die Arena für nur einen Baum an dieses Kunstprojekt an. Trotzdem ist sie keine einfache Fortsetzung. Das zeigt schon ihr Bild im öffentlichen Raum. Denn der bergende Holzbau muss nicht als Stadion, er kann auch als Arche gelesen werden.

Parrotia persica, der Baum mit Zukunft

Freilich finden in ihr nur zukunftsfähige Spezies Aufnahme. Das jedenfalls besagt die Wahl des Baumes. Sie oblag, wie schon bei der künstlerischen Intervention in der Klagenfurter Fußballarena, auch jetzt in Basel dem Landschaftsarchitekten und Baumspezialisten Enzo Enea, der jetzt auf Parrotia persica, den Persischen Eisenholzbaum, setzte.

Der Baum in seiner Arena, bei Nacht gesehen

Nächtliche Installationsansicht der „Arena for a Tree“ von Klaus Littmann, Münsterplatz, Basel 2021 Foto: Gerhard Maurer/KBH.G

Der genügsame, an unterschiedlichste Klimabedingungen anpassungsfähige und robuste Baum wird noch in unseren Breiten gedeihen, wenn die Kastanien, die jetzt auf dem Münsterplatz stehen, verschwunden sein werden, weil sie dem Klimawandel im wahrsten Sinne des Wortes nicht gewachsen sind.

Triage, die grausame Priorisierungsmethode der Kriegs- und Katastrophenmedizin, die uns aufgrund von Corona wieder ein Begriff wurde, ist, wie die New York Times berichtet, in den National Parks der Vereinigten Staaten, deren erstes Ziel immer die Konservierung des Naturerbes war, längst Praxis; schon ist entschieden, welche Pflanzen und Tiere nicht mitgenommen werden.

Aber die „Arena for a Tree“ will primär weder Mahnmal noch Hoffnungszeichen in Zeiten des Klimawandels sein, sondern auf das ästhetische Erlebnis abheben. Schon der Baum an sich hält einige sichtbare Überraschungen bereit. Seine ersten Blätter etwa treibt er nicht in zartem Grün, sondern in einem hellen Rosa aus; und am meisten wundert, wie seine Stämme und Äste sich kreuzen.

Die Schleier des Tages verändern das Bild

Sie wachsen dann nicht da und dort deutlich erkennbar zusammen, sondern fließen nahtlos ineinander. Im Herbst, wenn der Baum einen dauerhaften Standort in Basel gefunden hat, werden sich seine Blätter dann in prachtvollstes Rot und Orange verfärben.

Bilck ein eine Raumflucht, der Boden steht voll grünem Wasser

Ólafur Elíasson, Life, 2021: Installationsansicht, Fondation Beyeler, Riehen/Basel, 2021 Foto: Pati Grabowicz

Jetzt sind es die Schleier des Tages, die sein Bild ständig verändern und erneuern, die Wolken, die ihn verschatten, die Sonne, die seine Blätter zum Glänzen bringt, deren Rosa in der Morgendämmerung bezaubert und schließlich der Abend, der dem Baum dunkle Wucht verleiht. Auf dem Münsterplatz gibt es keine Lichteffekte wie beim anderen Kunst-im-öffentlichen-Raum-Projekt, das derzeit in Basel die Besucher anzieht: Ólafur Elíassons Flutung der Fondation Beyeler.

Für „Life“, wie der dänisch-isländische Künstler seine 24 Stunden an 7 Tagen geöffnete Intervention genannt hat, wurde die Glasfassade entfernt und der Gartenteich in den Renzo-Piano-Bau hinein erweitert. Das mit dem Pflanzenfarbstoff Uranin giftgrün gefärbte Wasser steht flach in den Räumen, in denen sonst die Picassos und Monets hängen, nachts fluoresziert des Wasser, unterstützt durch eine dramatische Lichtinszenierung.

Elíassons „Raum der Koexistenz“ von Kunstinstitution und Besucher:innen, von Architektur und Natur ist – so steht zu befürchten – aufgrund seines spektakulären Minimalismus mit dem Selfie für Instagram abgehakt. Die sehr viel leisere Intervention auf dem Münsterplatz lädt dazu nicht wirklich ein.

Das kunstgeschichtliche Schicksal des Baums

Stattdessen lädt sie ein, das kunstgeschichtliche Schicksal des Baumes zu erkunden, wie sie Klaus Littmann in der Ausstellung „Tree Connections“ in den Räumen der Kunststiftung Basel H. Geier aufrollt, angefangen im 19 Jahrhundert, wo der Baum, wie Florian Illies im Katalog schreibt, „essenzieller Bestandteil der Ausbildung an den Akademien“ wurde, bis in die jüngste Zeit.

Eine Zeichnung von Christo. sie zeigt verpackte Baumkronen

Christo, Wrapped Trees, Project for Fondation Beyeler, Riehen, Basel, Zeichnung 1997 Foto: André Grossmann/KBH.G

Franz Burckhardts „Container 2 Kubik“ aus diesem Jahr stellt dem Titel gemäß einen Metallcontainer in den Raum, angefüllt mit Bauholz, Brettern und Dachlatten, wie sie Georg Herold in der zeitgenössischen Kunst berühmt machten, als er in den 1990er Jahren mit viel Witz installierte.

Die Kulturstiftung Basel H. Geiger wurde 2019 von der Künstlerin und Philanthropin Sibylle Piermattei-Geiger (1930-2020) gegründet. Sie ist nach dem Schweizer Pharmazeuten Hermann Geiger benannt. Die Stiftung will das reichhaltige kulturelle Leben der Stadt Basel mit ihren Aktivitäten ergänzen, ohne dabei mit ihrem Programm in Konkurrenz zu den schon bestehenden Institutionen zu treten. KBH.G wird von dem Archäologen, Kunsthistoriker und Kulturjournalisten Raphael Suter geleitet. Die Ausstellungen wie begleitenden Kataloge sind für die Be­su­che­r:in­nen stets kostenfrei.

Doch dann wird man mit einigem Staunen gewahr: Weder Metall noch Holz sind, was sie scheinen, das schwergewichtige Kunstwerk besteht aus bemaltem leichtem Styropor. Als Bauschutt also endet der hochgewachsene Fichtenstamm, den der Schweizer Maler Hans Emmenegger durch das satte Orangerot der abendlichen Sonne aus dem Dunkel seines „Waldbild“ (1934) herausstellt.

Der Reichtum der gezeigten Arbeiten, skulpturale Arbeiten aus dem 10. bis 15. Jahrhundert aus Mali und aus dem 17. Jahrhundert aus China, wunderbare Studien in Öl auf Papier oder Pappe aus dem 19. Jahrhundert von Christian Friedrich Gille, Alexandre Calame oder Johann Martin von Rohden über Arbeiten aus den 1920igern wie Niklaus Stöcklins „Kapelle mit Erhängtem“ (1929/30) über die Abstraktion der 50er Jahre wie Mark Tobeys „Forest Cathedral“ (1955) hin zu Arbeiten wie Michael Sailstorfers erster Arbeit zu Beginn seines Studiums an der Kunstakademie München, „Waldputz“ (2000), ist insofern beachtlich, stammen sie doch, von zwei Ausnahmen abgesehen, alle aus Privatsammlungen in Basel und Umgebung und konnten daher umwelt- und klimaverträglich zusammengebracht werden.

Joseph Beuys und Anselm Kiefer fegen den Wald

Es sind wahre Entdeckungen zu machen, Arbeiten, die eher selten und manchmal auch gar nicht im Ausstellungsbetrieb auftauchen. Natürlich ist im Jubiläumsjahr zum 100. Geburtstag Joseph Beuys gegenwärtig mit den „7000 Eichen/Documenta VII“ (1982), aber auch der Aktion „Rettet den Wald“ (1972), wo hinter Beuys deutlich erkennbar Anselm Kiefer den Wald fegt.

Der Waldputz bei Sailsdorfer funktionierte ein bisschen anders, er säuberte in der Dimension 4,80 Meter mal 4,80 Meter mal 2,50 Meter hoch Boden und Bäume von jeglichem Bewuchs. Aber es ist weniger der Wald als vielmehr der einzelne Baum, der interessiert, und fällt Meret Oppenheims Plastik „Er sieht sich um“ von 1971 auf, ein Stück Baum, das mit Plastik und Metallteilen zum Vogel mutierte.

Ein Cadavre Exquis von Meret Oppenheim, ein Vogelwesen

Meret Oppenheim, Er sieht sich um, 1971 Foto: Serge Hasenböhler/KBH.G

Mit noch viel mehr solcher Teile, darunter neben Autoreifen auch kleine Elektromotoren, hat Jean Tinguely seinen Baumstumpf beladen, der sich unbeweglich doch bewegt. Wie Tinguely gehört auch Hans Arp mit seinen Holzreliefs oder Miriam Cahn mit ihrer Kohlezeichnung einer Palme zu den Künstlern, die man in Basel zu sehen erwartet.

Doch mit dem koreanischen Fotografen Kim Jung-man und seiner simplen und direkten Schwarzweißaufnahme eines Baumstamms „Drawing Shadows“ (2012) fühlt man sich plötzlich weit weg, in einem anderen Kulturkreis, einer anderen, asiatischen Wahrnehmung des Baums, wie sie merkwürdigerweise auch der österreichische Künstler Edgar Honetschläger mit seinen Tuschezeichnungen „Ki“ (2020) und „Alba“ (2020) evoziert. Die Kunst hat eben ihre eigene Geografie, die sich hier von den speziellen Papieren ableitet, auf denen getuscht und gedruckt wird.

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