Kulturschaffende in Coronakrise: Wer die Künstler abkanzelt
Corona-Unterstützung für Kulturschaffende wäre durchaus möglich. Schlecht, wenn Kritik daran ausgerechnet von den eigenen Kollegen kommt.
Alle Feldmäuse sammeln für den Winter: Nüsse, Körner, Gras und Stroh, als Nahrung oder zum Warmhalten der Löcher. Nur die Maus Frederick hängt den ganzen Tag rum und sammelt „Sonnenstrahlen, Farben und Wörter“. Im Winter, als alle anderen zwar genug zu spachteln haben, aber furchtbar depri sind, hellt ihnen Frederick mit seinen Sonnenstrahlen und Geschichten die Stimmung auf und wärmt das Raumklima. Dafür teilen sie ihre Vorräte mit ihm.
Frederick aus dem gleichnamigen Kinderbuch von Leo Lionni ist der Prototyp eines Künstlers. Ein brauchbarer Hofnarr in guten, ein abkömmlicher Mitesser in schlechten Zeiten. So scheint es zumindest Angela Merkel zu sehen, die einem FAZ-Bericht zufolge die Ablehnung der vor allem von Italien geforderten Eurobonds argumentativ mit der Verweigerung von Soforthilfen für Künstler verknüpft: Sähen die Spanier und Italiener, so ihre von der „Zeitung für Deutschland“ zitierten Worte vor dem CDU-Präsidium, dass Deutschland Steuergelder sinngemäß sogar für Farben sammelnde Feldmäuse in Not übrig hätte, würden sie das genau „vermerken“.
Das lässt sich allerdings auch so verstehen, dass das Geld durchaus vorhanden wäre; man möchte – bringt Onkel Dagobert den Träneneimer! – es halt nur verstecken. Und das geht eben schlecht, wenn die anderen mitbekommen, dass hierzulande Tagediebe und Traumtänzer mit durchgefüttert werden, als gehörten sie in irgendeiner Form dazu. Dabei säen sie nicht, sie ernten nicht, sie bauen keine Autos oder Waffen. Sie sind die Letzten, die in dieser schwierigen Zeit etwas zu fordern haben.
Da hat Frau Merkel völlig recht. So sehen das in Artikeln oder Netzwerken auch Künstlerkollegen. Nun trenne sich die Spreu vom Weizen, scheint in ihren Kommentaren durch. Hier werden nicht Künstler von „Produktiven“ oder gar „Systemrelevanten“ geschieden, sondern schlechte Künstler von guten.
Kein Durchfüttern von Traumtänzern
Die kritischen Töne kommen gern von denen, die unter Corona noch zurechtkommen. Indem sie diejenigen, die sie für untalentierter halten, weil sie „eh nicht von ihrer Kunst leben können“, auf ihre Plätze verweisen, erhöhen sie ihren eigenen Stellenwert. Die nunmehr als solche entlarvten Möchtegernkünstler möchten doch bitte nicht so laut jammern, das störe die wenigen fähigen Kollegen in ihrem göttlichen Erguss. Für die Jammerlappen habe man doch schließlich eigens das gute Hartz IV eingerichtet, das sei ja quasi auf sie zugeschnitten wie ein praktisches graues Sackkleid. Des Weiteren täten sich im Verlauf der Maßnahmen gegen Covid-19 jede Menge neuer Jobs im Bereich großflächiger Datenerhebungen auf, nicht zu vergessen die Erdbeer- und Spargelfelder: Arbeit schändet nicht, Kamerad Kasper!
Das ist natürlich ein etwas anderer Ansatz als der christdemokratische, der Musikern und Malern, Kabarettisten und Literaten generell den großen Wert abspricht. Hier sprechen eher die Trittbrettfahrer der bestehenden Machtverhältnisse. Was Birgit Kelle oder Eva Herman für den Feminismus, sind diese Kollegen für den Beruf des Künstlers: unsolidarische backstabber.
Ich selbst hatte früher übrigens ein ganz anderes Kinderbuch: „Die faule Maus“ von Marjorie Flack u. a. Darin schläft die faule Maus Walter die ganze Zeit und kümmert sich einen Scheiß um gar nichts. Er ist so unnütz, dass ihn seine Familie vergisst, und er eines Tages hilflos und auf sich allein gestellt zurückbleibt. Das macht ihm endlich Beine, er besinnt sich, wird fleißig und am Ende doch noch ein nützliches Mitglied der Mäusegesellschaft, in der kein Platz für dumme Flausen ist. Für die einen mag das eine schöne Parabel sein, für die anderen ist es schwarze Pädagogik.
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