piwik no script img

Kulturkürzungen in MünchenMünchen leuchtet nicht mehr

Auch Bayerns Hauptstadt muss sparen. Die dortige Kulturszene ist alarmiert: Schon bald könnte die Stadt ihre kulturelle Strahlkraft einbüßen.

Ob Performances, wie die des Briten Martin Creed in der Münchner Villa Stuck Anfang 2024, nach den Kürzungen noch drin sind? Foto: Foto: Stephan Rumpf/SZ Photo

München taz | Ein Aufschrei geht durch die Münchner Kulturszene. Vor ein paar Tagen kursierte ein offener Brief, der es in sich hatte – auch wenn mehr als zwei Drittel des Platzes auf dem Papier die Namen der UnterzeichnerInnen einnahmen. Und das waren nur die Erstunterzeichnenden. Es war eine sehr bunte Runde: Kulturschaffende aus München, spartenübergreifend, Hochkultur ebenso wie freie Szene, Institutionen ebenso wie einzelne Künstler.

Die Intendanten von Residenztheater, Kammerspielen und Volkstheater waren vertreten, aber auch DJs, Zirkusartistinnen, Designer, Schauspielerinnen und Dirigenten; Museen, die Stadtbibliothek und Stadtteilzentren.

Grund für die Aufregung ist der neue Sparkurs der Stadt. Nun ist München nicht die einzige Kommune, die ihre Ausgaben runterschraubt, gerade erst hatte der Berliner Kultursenator Joe Chialo Kürzungen in seinem Zuständigkeitsbereich in der Höhe von 130 Millionen Euro bekannt gegeben.

Nur: In der bayerischen Landeshauptstadt, die sich als deutsche „Kulturhauptstadt“ (SPD-Oberbürgermeister Dieter Reiter) betrachtet und noch immer zu den reichsten Städten der Republik gehört, schlägt eine solche Nachricht ganz anders ein. Wenn sich schon München keine Kultur mehr leisten kann, wer dann?

Gerade in Zeiten, in denen die Gesellschaft und ihr Zusammenhalt von Spaltung und Polarisierung bedroht würden, benötige die Stadt Räume für Austausch und Kultur.

Dazu komme, klagen die Kulturschaffenden, dass bei ihnen überproportional gespart werde. So sei der Kulturetat mit 3,2 Prozent des Gesamthaushalts der kleinste Etat, müsse aber 9 Prozent der städtischen Sparauflagen tragen. Die Briefeschreiber sehen nicht weniger als Münchens einzigartige Kulturszene in Gefahr. Gerade in Zeiten, in denen die Gesellschaft und ihr Zusammenhalt von Spaltung und Polarisierung bedroht würden, benötige die Stadt Räume für Austausch und Kultur.

Diese spiele eine wesentliche Rolle für eine funktionierende Demokratie. „In ganz Deutschland instrumentalisieren demokratiefeindliche Kräfte bewusst einen verengten Kulturbegriff für ihre politischen Ziele und fordern drastische Kürzungen. Dagegen müssen wir uns zur Wehr setzen.“ Die geplanten Kürzungen aber zerstörten die Struktur des kulturellen Angebots „unumkehrbar“.

Es werde weniger Theatervorstellungen und Konzerte geben, Festivals stünden auf der Kippe, die kulturelle Teilhabe von Kindern, Jugendliche und Senioren ebenfalls. Und für Menschen, die in der Kulturszene ihren Unterhalt verdienten – oft weniger als den Mindestlohn –, gehe es schlicht um ihre Existenz.

Gut, ein bisschen Kultur wird es auch weiterhin geben. Christian Stückl, Intendant des Volkstheaters, nahm jüngst die etwas übereilte Ankündigung einer drohenden Insolvenz seines Hauses wieder zurück, man habe schließlich noch ausreichend Rücklagen. In drei Jahren jedoch könne der an die Wand gemalte Teufel womöglich Realität werden.

Konkrete Vorschläge zur Rettung der Münchner Kultur

Konkret geht es um folgendes: Der gerade von der grün-roten Stadtratskoalition ausgehandelte Haushalt 2025 sieht Einsparungen in Höhe von 243 Millionen Euro vor, davon über 15 Millionen im Kulturetat. Den Kürzungsplan halten die Koalitionspartner für „verträglich“ und verweisen darauf, dass ja trotzdem notwendige Investitionen getätigt würden – etwa in Kita-Essen, bezahlbares Wohnen, die Sanierung des Olympiaturms und einen neuen Gewerbehof.

Auch in der Kultur seien die städtischen Häuser weiter gut ausgestattet, bei Förderungen in der freien Szene werde gar nicht gekürzt. Und OB Reiter wiegelt ab: „Von massiven Einsparungen, wie wir es aus anderen Kommunen – etwa aus Berlin – hören, kann hier keine Rede sein.“

Das Bündnis „München ist Kultur“ sieht das freilich anders. Bei einer Pressekonferenz nach der Veröffentlichung seines Offenen Briefes gaben die Sprecher des Bündnisses auch konkrete Vorschläge zur Rettung der Münchner Kultur, etwa die Einrichtung eines Kulturbeirats, der dem Stadtrat künftig bei entsprechenden Themen zur Seite stehen solle, oder einen „Soziokultur-Fonds“, in den die oberen zehn Prozent einzahlen und so die Kulturszene erhalten.

Auch eine Kulturtaxe wie in anderen Städten wäre denkbar. So könnte die Stadt jedem Hotelgast pro Übernachtung noch mal 2 Euro extra für die Kultur in Rechnung stellen. Bei knapp 20 Millionen Übernachtungen im Jahr käme da einiges zusammen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Da bei jeder Krise gern zuerst bei der Kultur gekürzt wird, mal die Frage, ob es einen Unterschied machen würde, wenn die Menschen insgesamt mehr verdienen würden und somit jeder mehr Geld für Kultur übrig hätten ?



    Könnten sich Kultureinrichtungen dann zu einem größeren Anteil selbst finanzieren ?



    Gibt es dazu Untersuchungen bzw. Erkenntnisse ?

  • Da aus Bayern-meine Meinung dazu: Es ist wirklich erschreckend wie überall zuerst an der Kultur gespart wird. Noch merken wir das im täglichen Kulturbetrieb nicht, aber es ist eine Frage der Zeit (siehe Aussage von Christian Stückl). Speziell in München und Umland sind eine Reihe hochprofitabler Unternehmen und Organisationen angesiedelt, die einen Großteil ihrer qualifizierten Mitarbeiter auch durch das Versprechen rekrutieren, hier in München eine Vielzahl kultureller Einrichtungen vorzufinden. Diese Einrichtungen werden vorzugsweise durch Steuermittel subventioniert. Eine in irgendeinerweise mitfinanzierte Verantwortung dieser Betriebe ( nenne nur beispielsweise Siemens, BWW, Münchner Rück, Allianz, Europäisches Patentamt) besteht aber nicht (abgesehen von wenigen Zugpferden wie etwa Bayer. Staatsoper). Das jetzt entstehende Einsparungspotential von 5-10% könnte durch solche Unternehmen mühelos getragen werden. Typisches Beispiel dafür, die Infrastruktur auf Kosten der Steuerzahler voll zu nutzen, sich aber um deren Erhaltung finanziell drücken.

  • Bericht aus der Kabinettssitzung vom 5. November 2024: "Bereits jetzt liegen die Ausgaben des Freistaats für die Unterbringung und Versorgung von Asylbewerbern bei rund 1,7 Mrd. Euro, bis Ende des Jahres wird der Wert voraussichtlich auf rund 2,2 bis 2,3 Mrd. Euro ansteigen."

    Wie bereits im ganzen Land, so muss langsam auch in Bayern gespart werden. Da bleibt München nicht verschont. 15 Millionen im Kulturbereich sind da noch wenig. Es wird von Jahr zu Jahr zunehmen.

    Schulden sind nicht die Lösung, denn die müssen samt Zinsen zurückbezahlt werden und erzeugen Inflation. Inflation bedeutet Enteignung und trifft die Ärmsten am härtesten.

    www.bayern.de/beri...n,Euro%20ansteigen.

    www.br.de/nachrich...ten-senken,UTFT586

  • Es ist lobenswert, dass nun selbst der linksgeführte Münchner Stadtrat so langsam eine verantwortungsvolle Haushaltspolitik durchblicken lässt.

  • Sparen MÜSSEN tut niemand. Man könnte sich auch wehren, gegen einen Staat, der Kommunen als lästige Gelddiebe von RWE , Quandt und Rheinmetall sieht... gegen einen Staat, der rechte Parolen verbreitet a la "die Ausländer haben eure Kulturgeraubt". Hilfsweise hätte München ja auch die Filetgrundstücke mal behalten oder wenigstens zum Marktpreis verkaufen können, statt sie einem Herrn Benko für n Appl unnn Ei in Verbindung mit bissi Korruptionsmillionen rüberzuschieben. Aber seien wir ehrlich: gerade München war noch nie ein leuchtturm, sondern immer schon eine verkrustete Bauernkate