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Kulturkampf in NeuköllnWovor Neuköllns SPD Angst hat

Entgegen einem BVV-Beschluss setzt SPD-Stadträtin Karin Korte am Dammweg mit Berlin-Mondiale ein etabliertes Kulturprojekt vor die Tür.

Installation am Dammweg im Rahmen von 48 Stunden Neukölln 2021 Foto: Pierre Adenis

Berlin taz | Sie fühle sich als eine Mediatorin zwischen Streitparteien, sagt Marina Reichenbach am Dienstagabend in Neukölln. Reichenbach ist SPD-Politikerin und Vorsitzende des Bildungs- und Kulturausschusses der dortigen Bezirksverordnetenversammlung (BVV). Am Donnerstag vermittelt sie zwischen Mit­ar­bei­te­r*in­nen der Verwaltung, die sich im Fachjargon über Jugendarbeit austauschen, und engagierten Projektmitarbeiter*innen, die drei Jahre lang vor Ort Communityarbeit geleistet haben.

„Was die hier quatschen, verstehe ich nicht“, sagt Fetewei Tarekegn. „Und die Kids in den Hochhäusern verstehen das auch nicht.“ Tarekegn arbeitet seit drei Jahren ehrenamtlich am Nachbarschafts-Campus Dammweg. Auf der Brachfläche betreibt das Netzwerk Berlin Mondiale seit Januar 2021 zur Zwischennutzung Nachbarschaftsarbeit. Gemeinsam mit anderen Trägern gärtnerten sie dort, luden zu Kochabenden. „Wir haben Kunst und Kultur in einen davon ausgeschlossenen Kiez gebracht“, erzählt Projektleiterin Sabine Kroner am Dienstag vor Ort. Die Fläche grenzt an die Weiße Siedlung mit zahlreichen, teils 15-stöckigen Hochhäusern.

Neuköllns Bezirksverordnetenversammlung hatte im November 2023 beschlossen, dass Berlin Mondiale das Gelände 2024 weiterhin nutzen könne. Im Dezember 2023 mussten sie aber plötzlich ihre Schlüssel abgeben, sagt BVV-Mitglied Phi­lipp Dehne (Linksfraktion). Darauf, warum sich Bezirksstadträtin Karin Korte (SPD) über demokratische Entscheidungen hinwegsetze und warum eine erfolgreiche Initiative weichen solle, habe das Bezirksamt keine „sinnvolle Antwort“ geben können, sagt er. Deshalb hatte die Linksfraktion einen Antrag für die Ausschusssondersitzung gestellt, direkt auf dem Dammweg-Gelände. Grüne und CDU waren einverstanden. SPD und AfD hatten abgelehnt. In ihrem Antrag fordern die Linken, dass Berlin Mondiale ihre Arbeit auf dem Campus Dammweg auch 2024 fortsetzen darf.

Berlin Mondiale hatte mehrfach Interesse gezeigt, auf dem Campus weiterzuarbeiten. Der Bezirk sei aber keine Gespräche eingegangen, sagt Kroner. Dort habe man lediglich auf ein zukünftiges, senatsgefördertes Projekt Zukunftskiez verwiesen, auf das sich Mondiale mit Konzepten zur Teilflächennutzung bewerben könne. Weil sie sich aus jedem Diskurs ausgeschlossen fühlten, hätten sie sich bei Mondiale dagegen entschieden.

Bezirk agiert hierarchisch

Anfang Januar habe der Bezirk dann die Vorschläge für das Projekt Zukunftskiez in einem Workshop präsentiert. „Vieles von dem, was wir initiiert und kuratiert haben, soll nun einfach ohne uns unter neuem Namen weitergeführt werden“, sagt Kroner. Die Art und Weise, wie die Fläche jetzt genutzt werden soll, spreche gegen die bisherigen Kriterien der Zusammenarbeit zwischen den Akteuren vor Ort, sagt Kroner. Das Bezirksamt organisiere die Arbeit hierarchisch und zerstöre durch ihre rigide Steuerung jedes zivilgesellschaftliche Engagement und erfolgreiche Formate. Außerdem sei unklar, wie das Projekt Zukunftskiez finanziert werden soll. „Von den zwölf Trägern, die bei dem Workshop anwesend waren, konnten nur zwei eine eigene Finanzierung vorweisen“, sagt sie.

Am Dienstag ging es der Verwaltung in der Sondersitzung zunächst nur um juristische Fragen, eine Antwort auf die Finanzierungspläne des Projekts bleibt sie schuldig. Stadträtin Korte liest minutenlang ein überwiegend unverständliches Gutachten in juristischer Fachsprache vor. Laut Dehne ein „unterirdischer Vorgang“.

Dehne meint, die SPD habe sich von vornherein überlegt, wie man in der Sitzung ein Setting hinkriege, das wenig Fragen zulasse. Das Fazit des Gutachtens: Der Antrag der Linksfraktion, in dem diese den Verbleib von Berlin Mondiale fordert, könne „im Wortlaut“ nicht umgesetzt werden. Es sei vor dem Hintergrund des Gleichbehandlungsgebots „formal rechtswidrig“, Berlin Mondiale als Leistungserbringer vertraglich festzuhalten, sagt Korte. Man sträube sich als SPD gegen das „Windhundprinzip“ der Mondiale und wolle sie nicht bevorzugt behandeln.

Das Rechtsgutachten fuße jedoch auf falschen Prämissen, kritisiert daraufhin Susann Worschech (Grüne). Im Antrag stünde nicht, dass Mondiale als Leistungserbringer einbezogen werden solle. „Wir haben nie gesagt, dass wir hier allein sein wollen“, sagt auch Kroner. Man wolle lediglich als zivilgesellschaftlicher Akteur in die Planung und Umsetzung miteinbezogen werden, so die Projektleiterin.

Das unterstützt Worschech. Sie könne nicht verstehen, warum man diejenigen, die hier jahrelang erfolgreiche Arbeit geleistet hätten, nicht in den Diskurs miteinbeziehe und sie nach ihrer Expertise frage. „Wenn man Vertrauen hat, dann ist das ein Schatz, vor allem in Neukölln“, plädiert Worschech. Das könne man nicht „anknipsen wie einen Lichtschalter“.

Der taz liegt ein Schreiben des Amts für Weiterbildung und Kultur an das Rechtsamt vom Oktober 2022 vor. Es zeigt, dass das Taktieren der SPD am Dammweg politisch motiviert sein könnte. In dem Schreiben heißt es: Eine Klarstellung sei dringend nötig, „da das Grundstück von einem Träger (…) für politischen Lobbyismus genutzt wird“. Das werde sonst eine „Karlsgartenstraße 2.0 – jedoch mit viel mehr Verbindungen zu den Grünen“. In dem Nachbarschaftshaus in der Karlsgartenstraße 6 hatte der Pächter auch Initiativen, die keinen Nutzungsvertrag mit dem Bezirksamt hatten, die Nutzung erlaubt.

Korte verneint im Ausschuss – jedenfalls für sich persönlich – jegliche politischen Motive. Klar scheint am Ende der Sitzung allerdings: Für Berlin Mondiale ist die Zeit am Dammweg vorbei.

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