Künftiger Präsident der Bundesbank: Kein großer Schaden
Der neue Bundesbank-Chef Nagel ist ein finanzpolitischer Hardliner. Schlimm ist das aber nicht: Die Behörde hat ihre Macht längst an die EZB verloren.
D er neue Bundesbankpräsident Joachim Nagel ist langjähriges SPD-Mitglied, doch das hat gar nichts zu sagen. Die Bundesbanker führen ein selbstbewusstes Eigenleben, wie bisher alle Kanzler feststellen mussten. Schließlich ist die Bundesbank offiziell unabhängig und wird nicht demokratisch kontrolliert.
Nagel hat dieses Selbstbewusstsein tief verinnerlicht, denn er ist ein Eigengewächs der Bank. Nach seiner Promotion als Volkswirt hat er sein gesamtes Berufsleben bei der Bundesbank verbracht – wenn man von zwei kurzen Ausflügen absieht, die ihn zur staatlichen Förderbank KfW und zur Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) führten.
Nagel gilt als ein „Falke“, wie es auch sein Vorgänger Jens Weidmann war. Sein Fixpunkt ist der Vertrag von Maastricht, der den einzelnen Eurostaaten nur einen Schuldenstand von maximal 60 Prozent der Wirtschaftsleistung zugesteht. Dieser Dogmatismus wird noch gefährlich. Denn viele Eurostaaten können ihre Schulden nicht zurückzahlen, die sie zu Coronazeiten aufgehäuft haben. Heftiges Sparen würde direkt in eine schwere Rezession führen, an der der Euro zerbricht.
Allerdings gehört zur Wahrheit auch, dass Kanzler Scholz und Finanzminister Lindner gar keine andere Wahl hatten, als einen „Falken“ zu berufen. Denn die ganze Bundesbank besteht fast nur aus Hardlinern. In Frankfurt hat man es noch immer nicht verkraftet, dass die eigene Macht dahin ist, seitdem es den Euro und die EZB gibt. Hätten Scholz und Lindner einen vernünftigen Makroökonomen als Chef installiert, hätten die unteren Etagen in der Bundesbank ständig quergeschossen.
Zudem ist der Schaden sowieso nicht groß, eben weil die Bundesbank ihre Macht verloren hat. Im EZB-Rat hat Nagel nur eine von 19 Landesstimmen. Recht gefahrlos konnte die Ampel daher die konservativen Medien und Geldtheoretiker beruhigen, indem sie sich für einen Falken entschieden hat. Diese Dialektik ist keineswegs neu: Kanzlerin Merkel folgte schon dem gleichen Kalkül, als sie Nagels Vorgänger Weidmann berief.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles