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Künftige Gestalt des MolkenmarktsSchön und bezahlbar? Es geht beides

Kommentar von Stefan Alberti

Der schwarz-rote Senat muss auch bei höheren Kosten sicherstellen, dass nicht nur Reiche schön wohnen. Da ist vor allem die SPD in der Pflicht.

Wenn es am Molkenmarkt jemals wieder schön sein sollte, darf dieses schöne Bauen in Mitte nicht nur den Reichen zugute kommen Foto: dpa

A rchitektur hat etwas von Fußball: Man braucht keine akademisch fundierte Ahnung, um eine ganz klare Meinung davon zu haben. So wie auf den Tribünen und vor hunderttausenden Bildschirmen ebenso viele und noch mehr Trainer ohne jegliche Lizenz, aber mit scharfen Analysen unterwegs sind, passiert das beim Anschauen von Bauwerken. Das ist auch überhaupt nicht verwerflich: So wie noch so tolle Trainererklärungen zu Strategie, Holding Six und falscher Neun kein schlechtes Spiel schönreden können, wird eine graue Fassade an einem trüben Februarmorgen nicht durch noch so viele Architekturtheorien farbiger.

Deshalb kommt auch dieser Kommentar guten Gewissens von einem Fachfremden, der schlicht nicht wahrhaben will, dass das von ihm als schön Wahrgenommene nicht bezahlbar sein soll. Falls es tatsächlich so ist, dass die hier mal unter „historisierend schön“ gefasste Planung des Molkenmarkts gemäß dem nun vorliegenden Gestaltungshandbuch (siehe rechts) tatsächlich im Budget keinen Platz für bezahlbare Wohnungen lässt, so heißt das mitnichten, dass beides nicht miteinander zu vereinbaren ist.

Natürlich lässt sich das von der Senatsbaudirektorin genauso wie vom Schreiber dieser Zeilen als schön empfundene Bauen mit Simsen, kleinen Elementen jenseits glatter Fassaden mit Bezahlbarkeit verbinden. Das muss sogar sein, wenn man zwei große Ziele vereinen will: zum einen an einer zentralen Innenstadtlage schön zu bauen, zum anderen aber nicht nur die ohnehin schon Reichen und Schönen in den Genuss dieser Schönheit kommen zu lassen. Und zwar, indem man sich die Sache im Zweifelsfall einfach etwas mehr als vorgesehen kosten lässt.

Einfach? Angesichts einer Haushaltslage, in der von nötigen Milliardeneinsparungen die Rede ist? Ja – zumindest genauso einfach, wie einfach mal mehr als 300 Millionen Euro jährlich in ein vielfach als überflüssig betrachtetes 29-Euro-Ticket fließen sollen. Tatsächlich ist weder das eine noch das andere einfach.

Aber nur weil das 29-Euro-Ticket unverständlicherweise Großthema der SPD im Abgeordnetenhauswahlkampf 2023 war, muss Unverständliches nicht Wirklichkeit werden. Damit aber wären ein paar hundert Millionen frei, die fest gebunden schienen und nicht als Kürzungsmasse in Sachen Milliardeneinsparungen galten. Ein Teil davon ließe sich dazu verwenden, dass am Molkenmarkt auch weniger Begüterte nicht nur wohnen, sondern auch schöner wohnen könnten. Ganz einfach so.

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Redakteur für Berliner Landespolitik
Jahrgang 1967. Seit 2002 mit dreieinhalb Jahren Elternzeitunterbrechung bei der taz Berlin. Schwerpunkte: Abgeordnetenhaus, CDU, Grüne.
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7 Kommentare

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  • Ist nicht die Zeit für schlicht-schön und vor allem nachhaltig bauen? Mit viel Grün, mit viel Schutz der Bevölkerung vor Wetterextremen? Es würde genügen, beispielhaft ein einzelnes Gebäude zu historisieren, wir brauchen keine Türmchen und Zinnen mehr - wir brauchen viel Stadtgrün, viel Platz für Flanierende, und natürlich soziale Durchmischung statt Segregation. Wir leben in Zeiten der Aufklärung, oder sehnen wir uns zurück?

    • @Toni Zweig:

      Warum leben ausweislich der Wahlergebniskarte die meisten Grünenwähler in Berlin in Altbauvierteln?

      Alle nicht aufgeklärt, was?

  • Was wird denn von dem Kommentator hier vorgeschlagen? Ich übersetze es einmal: Steuerzahler sollen einen Mietadel subventionieren, der auf deren Kosten dann "bezahlbar" am Moltkemarkt logieren darf. Die taz scheint ein neues Zeitalter des Feudalismus einläuten zu wollen.

    Der Vergleich mit dem ÖPNV hinkt gewaltig, da eine subventionierte Wohnung nun mal nicht von allen genutzt wird, sondern nur von einzelnen - dem sogenannten Mietadel

    • @eicke81:

      Zu den Fakten: Die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften (LWU) bauen nach Kooperationsvereinbarung mit dem Land Berlin 50% sozial gebundenen Wohnraum in den Fördermodellen 1, 2 und 3 – das ist das Segement, das mit öffentlichen Geldern subventioniert wird.

      Es wird Menschen zur Verfügung gestellt, deren Einkommensobergrenze 40%, 80% oder 120% über der Einkommensgrenze nach Wohnraumförderungsgesetz liegt (das sind bei einem 2-Personen-Haushalt 18.000 € pro Jahr).

      Selbstverständlich sind fast alle diese Menschen in irgendeiner Weise lohnabhängig beschäftigt, indem sie z.B. den Müll wegbringen, den EICKE81 mitproduziert, EICKE81 medizinisch versorgen, wenn er erkrankt ist, das Glas, das EICKE81 gerade in der Kneipe geleert hat, putzen, oder die Straße bauen, auf der EICKE81 in den Sonnenunterg braust. (Um fortgesetzter Mythenbildung vorzubeugen: das trifft auch für den Großteil derjenigen Menschen zu, die Transferleistungen beziehen.)

      An dieser Stelle aber entscheidend ist, dass die Subventionen (sprich: die Fördermittel der IBB) über einen Zeitraum von ca. 30-35 Jahren (wer schon mal soziale Wohnbauförderung in Anspruch genommen haben, weiß das) über die Mieten refinanziert werden. Und auch darüber hinaus werden Erträge, die die Landeseigenen erwirtschaften, an das Land Berlin abgeführt.

      So zu tun, als wäre das öffentliche Geld einfach futsch, ist also vollkommener Unfug, zumal ja auch noch bezahlbarer Wohnraum für mehrere Generationen dabei entstanden ist. Anders wäre es allerdings, würden die Grundstücke am Molkenmarkt kleinteilig privatisiert – dann hätte man auf Kosten des Gemeinwesens die vermögendsten Einkommensgruppen mit Privateigentum subventioniert, dass sie sich in Zukunft verzinsen lassen können, ohne dass EICKE81's "Steuerzahler" jemals etwas davon wiedersehen.

      Sich in diesem Zusammenhang Feudalismus und Mietadel zu imaginieren zeugt zwar von einer regen Phantasie, ist aber einfach nur postfaktisch und sehr, sehr, sehr zynisch.

  • In Berlin geht mittlerweile vor allem auch hässlich und unbezahlbar.

    Die Verlotterung und Verdreckung der Stadt ist mittlerweile kaum noch auszuhalten. Und anders als früher kann man sich nicht damit trösten, dass ja wenigstens die Mieten niedrig sind. Selbst in teuren, bürgerlichen Vierteln wie P'berg sieht es fast überall aus wie Sau. Und nein, das ist kein irgendwie berlintypisches, liebenswertes Lokalkolorit.

    • @Suryo:

      Law and order wurde jahrelang abgelehnt, so dass jetzt Hartz und Lotter en vogue sind.

      • @eicke81:

        Mit Hartz hat das nichts zu tun. In sozial schwächeren Vierteln ist es zum Teil besser als in jenen, wo man Dreck als berlintypisch und Graffiti als Kunst verklärt.