Künftige Gestalt des Molkenmarkts: Schön und bezahlbar? Es geht beides
Der schwarz-rote Senat muss auch bei höheren Kosten sicherstellen, dass nicht nur Reiche schön wohnen. Da ist vor allem die SPD in der Pflicht.

A rchitektur hat etwas von Fußball: Man braucht keine akademisch fundierte Ahnung, um eine ganz klare Meinung davon zu haben. So wie auf den Tribünen und vor hunderttausenden Bildschirmen ebenso viele und noch mehr Trainer ohne jegliche Lizenz, aber mit scharfen Analysen unterwegs sind, passiert das beim Anschauen von Bauwerken. Das ist auch überhaupt nicht verwerflich: So wie noch so tolle Trainererklärungen zu Strategie, Holding Six und falscher Neun kein schlechtes Spiel schönreden können, wird eine graue Fassade an einem trüben Februarmorgen nicht durch noch so viele Architekturtheorien farbiger.
Deshalb kommt auch dieser Kommentar guten Gewissens von einem Fachfremden, der schlicht nicht wahrhaben will, dass das von ihm als schön Wahrgenommene nicht bezahlbar sein soll. Falls es tatsächlich so ist, dass die hier mal unter „historisierend schön“ gefasste Planung des Molkenmarkts gemäß dem nun vorliegenden Gestaltungshandbuch (siehe rechts) tatsächlich im Budget keinen Platz für bezahlbare Wohnungen lässt, so heißt das mitnichten, dass beides nicht miteinander zu vereinbaren ist.
Natürlich lässt sich das von der Senatsbaudirektorin genauso wie vom Schreiber dieser Zeilen als schön empfundene Bauen mit Simsen, kleinen Elementen jenseits glatter Fassaden mit Bezahlbarkeit verbinden. Das muss sogar sein, wenn man zwei große Ziele vereinen will: zum einen an einer zentralen Innenstadtlage schön zu bauen, zum anderen aber nicht nur die ohnehin schon Reichen und Schönen in den Genuss dieser Schönheit kommen zu lassen. Und zwar, indem man sich die Sache im Zweifelsfall einfach etwas mehr als vorgesehen kosten lässt.
Einfach? Angesichts einer Haushaltslage, in der von nötigen Milliardeneinsparungen die Rede ist? Ja – zumindest genauso einfach, wie einfach mal mehr als 300 Millionen Euro jährlich in ein vielfach als überflüssig betrachtetes 29-Euro-Ticket fließen sollen. Tatsächlich ist weder das eine noch das andere einfach.
Aber nur weil das 29-Euro-Ticket unverständlicherweise Großthema der SPD im Abgeordnetenhauswahlkampf 2023 war, muss Unverständliches nicht Wirklichkeit werden. Damit aber wären ein paar hundert Millionen frei, die fest gebunden schienen und nicht als Kürzungsmasse in Sachen Milliardeneinsparungen galten. Ein Teil davon ließe sich dazu verwenden, dass am Molkenmarkt auch weniger Begüterte nicht nur wohnen, sondern auch schöner wohnen könnten. Ganz einfach so.
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