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Kuba vor geplanten OppositionsdemosWas tun die Uniformierten?

Kubas Regierung versucht, den „friedlichen Marsch für den Wandel“ zu verhindern. Oppositionelle planen aber weiter, am Montag auf die Straße zu gehen.

Dramatiker und Organisator der geplanten Proteste in Kuba: Yunior García Aguilera Foto: ap

Hamburg taz | Juan Elias Navarro konnte es kaum fassen. Eine ganze Polizeibrigade mit zwanzig Polizisten stürmte am Samstagnachmittag sein Haus in der Calle Santa Rita von Santiago de Cuba. „Sie wollten mich festnehmen, aber ich war schon zuvor entkommen“, schreibt der Maler in einer Message.

Der Aufmarsch der Uniformierten war für den 60-jährigen nicht überraschend gekommen, denn schon zu Wochenbeginn seien Beamte bei ihm vorstellig geworden, um ihn aufzufordern, nicht am „15N“ teilzunehmen. Das ist das Synonym in den sozialen Netzen für den „friedlichen Marsch für den Wandel“, den Ak­ti­vis­t*in­nen in sechs verschiedenen Städten der Insel für den 15. November angemeldet haben und den sie trotz Verbots durchführen wollen.

„Ein Marsch“, so Yunior García Aguilera, „der uns und der Welt zeigen soll, dass es in Kuba nicht nur wenige oppositionelle Grüppchen gibt, die für einen demokratischen Wandel eintreten, sondern viele.“ Genau das scheint die Regierung in Havanna verhindern zu wollen. Mit Besuchen bei bekannten Intellektuellen und Ak­ti­vis­t*in­nen versucht sie, potenzielle Teil­neh­me­r*in­nen einzuschüchtern. Zumindest ist das die Meinung von Juan Elias Navarro, bei dem die Polizei Fernseher, Computer, USB-Sticks und einen Decoder beschlagnahmt hat, sodass die Familie komplett vom Informationsfluss abgekoppelt ist.

Nur auf das eigene Mobiltelefon kann er sich noch verlassen, aber längst kursieren auf der Insel Gerüchte, dass der staatliche Telefonmonopolist Etecsa das Internet auf Weisung der Regierung am Montag, dem Tag der Demonstration, erneut ausschalten könnte wie im Anschluss an die inselweiten Proteste vom 11. Juli. Ziel dürfte es sein, den Informationsfluss nach außen, vor allem über die sozialen Medien, zu kappen.

Marsch mit Symbolcharakter

Neu ist allerdings das rigide Vorgehen gegen Spaniens größte Nachrichtenagentur, Efe. Den fünf Journalisten der Agentur wurde am Samstag im Internationalen Pressezentrum (CPI) an der 23. Straße Havannas die Akkreditierung entzogen, so der Efe-Bürochef in Havanna, Atahualpa Amerise.

Laut Amerise hätten die Behörden keinen Grund genannt, unklar sei auch, ob die Akkreditierung vorübergehend oder definitiv entzogen sei und ob sie in einem Bezug zu einem Interview mit Demonstrationsorganisator Yunior García Aguilar stehe. Das Interview mit dem 39-jährigen Dramatiker, in dem er ankündigte, bereits am Sonntag um 15 Uhr die 23. Avenida hinunter zum Malecón, der Uferpromenade, zu gehen, erschien am Samstag.

García Aguilar, der trotz aller Warnungen der Regierung friedlich demonstrieren will, ist nicht allein. Eine ganze Reihe von Ak­ti­vis­t*in­nen sind ein paar Tage vor dem friedlichen Marsch abgetaucht und wollen trotz des Vorgehens der Polizei demonstrieren. Dazu zählt auch Juan Elias Navarro, der bei Freunden untergekommen ist und der in der Nachbarschaft Unterstützung genießt.

Doch unklar ist, wie die Ordnungskräfte sowohl am Sonntag und am Montag reagieren. Wird es Festnahmen geben, was wahrscheinlich ist, denn die Demonstration wurde offiziell verboten? Wird es zu Gewalt gegenüber den De­mons­tran­t*in­nen wie rund um den 11. Juli kommen?

Die In­itia­to­r*in­nen der Demonstration, die von den Behörden als von den USA bezahlt und gesteuert bezeichnet werden, halten beides für möglich. Sie haben aufgerufen, in Weiß gekleidet und Gedichte rezitierend auf die Straße zu gehen – zum Marsch mit Symbolcharakter. Dass Aufruf und Demonstration für Yunior García Aguilera und seine Mit­strei­te­r*in­nen vor Gericht enden könnte, hält er für wahrscheinlich. Eine Aussage dort will er verweigern.

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11 Kommentare

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  • @RINALDO: Sie haben ja die Antwort gekriegt, die Sie verdienen.

    @SCHNITZELBRÖTCHEN:

    Wer, zum Teufel, ist für Sie "die Linke"? Meinen sie die Partei in der Bundesrepublik? Da dürfte es durchaus unterschiedliche Meinungen geben, denn das Problem ist komplex.

    Meinen Sie linke Menschen? Die haben grundsätzlich ein Problem mit Repression.

    Ich würde mich ganz klar als links verorten. Dennoch kann ich mit der Repression durch die kubanische Regierung[*] gar nichts anfangen.

    Ich übersehe aber auch nicht, das Kuba seit 1960 harschen Sanktionen und einen nicht endenden Störfeuer durch die USA ausgesetzt sind: das behindert auch im erheblichen Masse eine Öffnung/Demokratisierung. Ich bin sicher, dass die Proteste ihre legitimen Wurzeln haben, gleichzeitig aber auch viele Trittbrettfahrer, die einfach nur Destabilisierung wollen (Stichwort: Exilkubaner in Florida), was leider die Legitimität der Proteste befleckt.

    Kompliziert.

    Aber auf Repression stehe ich nicht. Von wem sie auch immer kommt.

    [*] Auch nicht Maduro, Ortega, usw.

    • @tomás zerolo:

      Kuba, Venezuela, Nicaragua, Weißrussland leben nun mal nicht allein auf dieser Welt. Selbst wenn es kein "Störfeuer" mehr von außen geben sollte, würden alle Diktaturen immer ein solches behaupten. Das Gegenteil für auswärtige oder sogar inländische Zuschauer zu beweisen ist schwer bis unmöglich, wie das mit Verschwörungen so ist. Warum sollten diese Regime einen unendlichen Kredit darauf haben mit Samthandschuhen behandelt und den Kopf gestreichelt zu bekommen? Die Opposition kann sich im Inland, wie es bei einem ordentlichen, demokratischen polit. System der Fall wäre, nicht betätigen. Völlig klar und auch legitim sich dann Hilfe von außen zu holen oder auch nur von außen zu operieren, wo sonst? Für die Propaganda der Diktatur sind diese Leute dann natürlich (rechte) im Ausland sitzende Verschwörer oder der Beelzebub USA persönlich. Keine floridaischen Rumbarone können Rechtfertigung für die Aufrechterhaltung eines solchen Regimes sein. Die KP, die vor allen etwas zu verlieren hätte, Macht und Pfründe, sollte einfach gehen und ihre Bevölkerung nicht länger gefangen halten. Schrittweiser Übergang in ein System in dem sie dann noch teilnehmen, in dem aber freier polit. Wettbewerb herrschte, wäre auch denkbar, hätten Sie auch schon längst machen können, mit oppositionellen Gruppierungen vereinbaren können, andere Länder haben das auch hinbekommen.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Von wievile Leuten ist denn die Rede?



    100, 1000, 10000?

  • Bleibt zu hoffen, dass die kubanischen Sicherheitskräfte gegen die rechte Opposition nicht ebenso brutal vorgehen wird wie die deutschen Uniformierten (und zivil getarnten) gegen linke Demonstranten, beispielsweise in Hamburg. Kuba darf hier auf keinem Fall dem Beispiel des Westens folgen und gegen Verfassungsfeinde ebenso rigoros vorgehen. Nur im Dialog lassen sich die Probleme lösen.

  • Nein, Linke sollten sich niemals vor den Karren der konterrevolutionären Proteste spannen lassen!

    amerika21.de/blog/...usiness-gegen-kuba

    • @Khaled Chaabouté:

      an Kuba ist genausowenig revolutionär wie an Putin oder Lukaschenko. Links sind sind die auch nicht.

  • Es ist doch klar, dass die Linke auf eine chinesische Lösung setzen würde. Nochmal einen Außenposten, ideologisch stramm auf Linie, wie die DDR zu verlieren, können sie sich nicht erlauben.



    Nur populär ist das nicht und deshalb ist man besser ruhig.

  • Ein Drama, dass die kubanische Regierung weiter auf Repression gegen die Demokratiebewegung und emanzipatorische Proteste setzt. Die Linke weltweit muss sich positionieren, auf welcher Seite sie steht: Diktatur oder Emanzipation.

    • 1G
      17900 (Profil gelöscht)
      @Rinaldo:

      Wenn das so einfach wäre.



      Kuba hat auch was zu verlieren!

      Würden die USA endlich die Sanktionen gegen Kuba aufheben, ergäbe sich vermutlich von ganz alleine eine deutlich freiheitlichere Gesellschaft.



      Wovor haben die USA solche große Angst?

      In diesem Artikel kommen die regierungsfreundlichen Leute gar nicht zu Wort.



      Hier wird möglicherweise ein verzerrtes Bild erstellt.

      • @17900 (Profil gelöscht):

        warum meinen Sie, sollten die Freunde von Diktatoren ein Anrecht darauf haben gehört zu werden? Ach, Sie meinen weil es nominell linke Diktaturen ja nur gut meinen? Ich glaube es finden sich auch jede Menge rechte Diktaturen, die es immer gut gemeint haben. Ich dagegen denke, alle politischen Systeme, die sich in Richtung Diktatur bewegen oder es schon (lange) sind, sind hart rechts, Kuba ist da schon seit langem. Das ergibt sich einfach aus dem Umstand, dass alle notwendig als illegitim aufzufassenden Regime, Abwesenheit von freiem politischen Wettbewerb, sich nur durch Repression und Gewalt aufrechterhalten können. Über die Zeit, durch Selbstisolation, Abkapselung von allen als "konterrevolutionär" (= gg die Doktrin, die Alleinherrschaft einer Partei gefährdend) empfundenem Wissen/ Meinung, versteinert ein Regime und wird Rechts. Es sperrt sein Volk ein und schränkt alle Freiheit extrem ein. Daran ändert dann kostenlose Gesundheitsversorgung, Bildung etc. auch nichts. Ist trotzdem ein Gefängnis. Einzig durch die Insellage hat es 89 überlebt. Ansonsten wären einfach alle abgehauen. Außer ein paar Tausendprozentigen. Null Verständnis für alle "Linken", die noch das kubanische Regime stützen.

    • @Rinaldo:

      Okay, hallo, hier spricht die Linke und ich verkünde, die Linke positioniert sich auf die Seite der kubanischen Regierung, auf die Seite der Emanzipation und gegen die Seite der neoliberalen Diktatur. So, die Linke hat gesprochen, hoffe die Frage ist ein für allemal geklärt. Auf welcher Seite die Rechte und die sogenannte Mitte stehen dürfte ja wohl auch klar sein.