Unabhängiger Journalismus in Kuba: Auszeit vom Dauerarrest

Der Journalist Augusto César San Martín Albistur hat Verhöre durch die kubanische Staatssicherheit hinter sich. In Berlin kann er Luft holen.

Portrait

Der Journalist Au­gus­to César San Martín Albistur in Berlin Foto: Anja Weber

Normalerweise wäre Augusto César San Martín Albistur derzeit in Kuba auf Recherche. Würde berichten über die Ak­ti­vis­t*in­nen hinter Archipiélago, die zum gesellschaftlichen Wandel aufrufende Facebook-Seite, oder über diejenigen, die rund um den „Marsch für den Wandel“ vom 15. November inhaftiert und kriminalisiert wurden.

Augusto César San Martín Albistur

„Unabhängige Jour­na­lis­t*in­nen sind in Kuba nicht vorgesehen“

Doch der 54-jährige Journalist aus Havanna hat eine Auszeit bekommen. Drei Monate Luft holen, Kuba von außen beobachten, statt unter permanenter Beobachtung, Hausarrest und dem Damoklesschwert der Kriminalisierung zu stehen. „Unabhängige Jour­na­lis­t*in­nen sind in Kuba nicht vorgesehen, es gibt keine Pressegesetzgebung, keinen Institutionen, die sich für die freie Meinungsäußerung organisieren und in den letzten drei Jahren wurde der Druck weiter erhöht“, sagt er.

Das „Handbuch der Repression“ wie es San Martín Albistur, ein Mann mit penibel rasiertem kräftigem Schädel und schwarzer Metallbrille, nennt, sei aktualisiert worden. Als er 1997 begann, seinen ersten Artikel für eine kubanische Presseagentur zu schreiben, sei er sich bewusst gewesen, dass Berichterstattung mit einem persönlichen Risiko einhergehe. „Heute geht es nicht mehr nur allein um mich, sondern auch um meine Frau und meinen Sohn, die instrumentalisiert werden“, kritisiert der Berichterstatter.

Dank eines Stipendiums von „Reporter ohne Grenzen“ und der taz Panter Stiftung ist er derzeit in Berlin und will vor seiner Rückkehr nach Kuba noch Verwandte in den USA besuchen. Danach geht es zurück nach Havanna, wo er zum Team von „Cubanet“ gehört. Das in Miami beheimatete Nachrichtenportal existiert seit 1994, engagiert sich eigener Aussage zufolge für alternative Berichterstattung auf der Insel und erhält dafür Mittel aus dem US-amerikanischen State Department.

Vorenthaltung von Grundrechten

Daher ist das Nachrichtenportal in den Augen der kubanischen Regierung ein „infames Medium“, ein „Subunternehmen der Unterwanderung“. Gegen deren Jour­na­lis­t*in­nen gehen die Ordnungskräfte genauso vor wie gegen andere Portale wie „14ymedio“, „Diario de Cuba“ oder „ADN Cuba“. „Camila Acosta, eine meiner Kol­le­gin­nen, stand vier Monate unter Hausarrest – sie durfte die eigene Wohnung nicht verlassen. Warum werden uns Grundrechte vorenthalten?“, fragt San Martín Albistur.

Hausarrest, um Berichterstattung wie zum Tag der Menschenrechte am 10. Dezember zu unterbinden, hat es schon früher gegeben, aber seit dem November 2020 wird er inflationär angewandt, so der Journalist. Für ihn ist das mit der freien Meinungsäußerung, die in der neuen, 2019 verabschiedeten Verfassung fixiert ist, nicht vereinbar. Auch die Beschränkung der Ausreise gehört zu den Sanktionen, denen sich etliche freie Jour­na­lis­t*in­nen gegenübersehen. „Im Februar 2018 durfte ich zum ersten Mal nicht ausreisen. Obwohl ich vorab gefragt hatte, konnte ich den Flug nach Panama dann nicht antreten.“ Regulado, reguliert, heißt das in Kuba und den Vermerk im Rechner der Ausreisebehörde haben etliche Kolleg*innen, darunter auch der Kolumnist der Washington Post, Abraham Jiménez Enoa.

Als besonders belastend, so der im Bezirk Centro Habana lebende Reporter, sei die Hausdurchsuchung gewesen. Er bekomme die ungläubigen Augen seines achtjährigen Sohnes nicht aus dem Kopf. „Zwölf Polizisten bei uns in der Wohnung, Handgreiflichkeiten gegen meine Frau, warum?“, fragt er. Er hat Anzeige erstattet, doch danach wurden noch weitere Teile seines Equipments beschlagnahmt.

Für Augusto César San Martín Albistur ist seitdem klar, dass die Gesetze in Kuba für ihn und seine Familie nicht gelten. Doch kritische Berichterstattung kann auch für akkreditierte Medien wie die spanische Agentur Efe Folgen haben. Deren fünfköpfiges Team musste am 13. November die Akkreditierungen im Pressezentrum abgeben. Warum, kann nur gemutmaßt werden. Ein Interview mit einem der Initiatoren des friedlichen „Marsches für den Wandel“ könnte der Grund gewesen sein. Vier der fünf Akkreditierungen wurden nach Protesten der spanischen Regierung und internationalen Medienorganisationen zurückgegeben.

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