Kritische Rohstoffe: Überheblich und schlafmützig
Für Erneuerbare sind mehr Metalle nötig als bei der Nutzung von Gas und Öl. Die Industrie hat Chancen zur sicheren Rohstoffversorgung versäumt.
N ein, was meckern und motzen sie derzeit. Das Fernsehen, die sozialen Netzwerke, die Podien sind voll von Unternehmer:innen, die sich an der schlechtesten Bundesregierung aller Zeiten abarbeiten. Zu viel Bürokratie, zu viele Verbote, die falschen Anreize, das Unternehmertum: abgewürgt!
Eine kleine, unscheinbare EU-Verordnung kickt den Problemball jetzt aber mit Schmackes ins Feld der Wirtschaft, und offenbart die ungute Mischung aus Überheblichkeit und Schlafmützigkeit, die in vielen Chefetagen herrscht. Zum „Critical Raw Materials Act“, also zu der Verordnung über kritische Rohstoffe, musste sich die EU ja nur deswegen aufgerufen fühlen, weil die Chefeinkäufer in den Unternehmen seit Jahren nur darauf achten, möglichst preisgünstig auf dem Weltmarkt Rohstoffe einzukaufen.
Jedes Mal, wenn es dort Erschütterungen gibt, rufen sie laut nach staatlicher Hilfe. Und machen so weiter wie zuvor, wenn sich die Lage beruhigt hat. Seit die chinesische Regierung vor mehr als zehn Jahren erstmals offen gezeigt hat, dass sie den Export von Rohstoffen als Machtfaktor betrachtet, hat es zahlreiche Initiativen zur sicheren Rohstoffversorgung gegeben: Minenprojekte in Kalifornien und Australien, millionenschwere staatliche Forschungsförderung für Recycling und Substitution in Europa und bergeweise Konzepte für die Schaffung von Sekundärrohstoffmärkten.
Die Industrie hat nichts daraus gemacht, billig war immer besser als nachhaltig. Nachhaltig hier mal ganz klassisch im Sinne der Forstwirte verstanden: einen Rohstoff so nutzen, dass die beständige Versorgung damit sichergestellt ist. Nicht einmal das haben die Unternehmen bislang alleine hinbekommen, sondern zugelassen, dass sie von wenigen, politisch schwer kalkulierbaren Staaten abhängen.
Was man den lautstarken Wirtschaftsführern also wünschen möchte, ist Demut. Demut vor den eigenen Versäumnissen in Bezug auf sichere Lieferketten und erst recht vor den Fehleinschätzungen über die ökologischen Folgen ihres unternehmerischen Handelns.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei VW
Massiver Gewinneinbruch bei Volkswagen
VW-Vorstand droht mit Werksschließungen
Musterknabe der Unsozialen Marktwirtschaft
Verfassungsgericht entscheidet
Kein persönlicher Anspruch auf höheres Bafög
Kamala Harris’ „Abschlussplädoyer“
Ihr bestes Argument
Zu viel Methan in der Atmosphäre
Rätsel um gefährliches Klimagas gelöst
Nahostkonflikt in der Literatur
Literarischer Israel-Boykott