Kritik an der Berliner Bauordnung: Am Ende kostet es mehr Schotter
Naturschutzverbände kritisieren die neue Berliner Bauordnung: Sie schütze Tiere und Klima zu wenig – und Bauherren nicht vor sich selbst.
Bevor sich am Montagmorgen der Ausschuss für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen in einer Anhörung erstmals mit der Novelle befasst, wollen VertreterInnen von BUND, Nabu und der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz (BLN) den Abgeordneten vor dem Preußischen Landtag den Marsch blasen. Am Donnerstag erläuterten sie schon einmal, worum es geht: Im aktuellen Gesetzentwurf, dem dritten in drei Jahren, fehlen zwei für den Arten- und Klimaschutz wichtige Paragrafen, die in der Vorgängerversion noch enthalten waren.
Einer der beiden Paragrafen legte unter anderem fest, dass mindestens ein Fünftel der Grundstücksfläche und jedes Dach über 30 Quadratmeter zu begrünen seien. Offenbar war das Novellierungsprojekt vor allem wegen dieses Punkts kurz vor der Wiederholungswahl im Februar von der SPD wieder aufgekündigt worden. Die aktuelle Version verlangt nun nur noch Dachbegrünungen ab 100 Quadratmeter Fläche.
Gar nicht mehr enthalten sind das Verbot sogenannter Schottergärten sowie die Pflichten zur Anbringung von Nistkästen und Fledermausquartieren, zur Ausstattung von Glasfassaden mit Schutzelementen, die den sogenannten Vogelschlag minimieren, und zur umweltgerechten Reduzierung der Außenbeleuchtung.
Der schlechteste aller Entwürfe
„Dies ist der schlechteste der drei Entwürfe, mit denen wir es zu tun hatten“, sagte Dirk Schäuble, Fachreferent für Artenschutz. Es handele sich um „ein weiteres Beispiel dafür, dass Natur-, Umwelt- und Klimaschutz in der Stadtentwicklung in Berlin nicht berücksichtigt werden“.
Schäuble kritisierte, dass die Umweltverbände weder zur Anhörung am Montag eingeladen noch im Vorfeld um eine Stellungnahme gebeten worden seien. Die schickten sie den bau- und umweltpolitischen FraktionssprecherInnen trotzdem zu – mit der Forderung, die herausgefallenen „fortschrittlichen Änderungen erneut zu berücksichtigen“.
Der Witz sei, so der BUND-Experte, dass es für BauherrInnen durch solche Auflagen am Ende einfacher und billiger werde. „Wenn Artenschutz schon in der Bauordnung berücksichtigt ist, weiß man von Anfang an, worauf man sich einlässt.“
Als Gegenbeweis führte Schäuble das aus anderen Gründen höchst umstrittene Bauvorhaben der Gesobau an der Pankower Ossietzkystraße an – das jetzt stockt, weil das landeseigene Unternehmen sich keine Gedanken über Fledermäuse gemacht hatte. Zwar gebe auch das Bundesnaturschutzgesetz Hinweise, aber „da weiß der Bauherr oft einfach nicht, was drinsteht“.
Juliana Schlaberg, Naturschutzreferentin beim Nabu Berlin, hob hervor, wie bedeutsam Gründächer seien – sie bänden CO2, filterten Schadstoffe aus der Luft und kühlten die Umgebung. „Wir können uns einfach nicht mehr leisten, Dachfläche ungenutzt zu lassen“, so Schlaberg mit Blick auf die verwässerte Neufassung.
Ein kleines, einfaches Verbot
Wie groß das viel diskutierte Problem der „Schottergärten“ eigentlich ist, konnten die ExpertInnen am Donnerstag nicht beantworten – Zahlen lägen dazu nicht vor. „Wahrscheinlich gibt es gar nicht so viele“, räumte Juliane Schlaberg ein. Ein Verbot sei trotzdem angezeigt, denn: „Es wäre ein kleiner, aber sehr einfacher Beitrag – und er kostet niemanden etwas.“
In einer Reaktion auf die Kritik der Verbände sagte der Sprecher des Bausenators, Martin Pallgen, der taz, es müsse „nicht jedes Fachrecht in der Bauordnung noch einmal abgebildet werden“. Diese diene „der Gefahrenabwehr, nicht der Regelung von Nistkästen“. Der Arten- und Naturschutz solle in den jeweiligen Fachgesetzen geregelt werden.
Die Bauordnung enthalte im Übrigen schon jetzt die Auflage, dass nicht überbaute Flächen „wasseraufnahmefähig zu belassen oder herzustellen und zu begrünen oder zu bepflanzen“ seien. „Heißt übersetzt: Schottergärten sind bereits jetzt verboten“, so Pallgen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation