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Kritik an Vorgehen der PolizeiRandale im Jenischpark

In der Nacht auf den 9. August kam es im Jenischpark zu Zusammenstößen zwischen Polizei und Jugendlichen. Augenzeuge kritisiert Beamte.

Kein Stress: Im Jenischpark geht es normalerweise eher entspannt zu Foto: Angelika Warmuth/dpa

Hamburg taz | Für den 21-jährigen Moritz (Name von der Redaktion geändert) hatte der Abend entspannt begonnen. Mehrere Grüppchen junger Menschen feierten im Jenischpark in Othmarschen. Die Stimmung sei heiter gewesen. Doch als ein 18-Jähriger von der Polizei festgenommen wurde, bewarf eine Gruppe von Leuten die Beamt*innen mit Flaschen und Bierkästen. Die Polizist*innen gingen daraufhin mit Pfefferspray gegen Parkbesucher*innen vor.

Die Polizei behauptet, sie sei aufgrund wiederholter Beschwerden über Ruhestörung vor Ort gewesen. Als ein Streifenwagen gegen 2.20 Uhr morgens durch den Park gefahren sei, habe ein 18-Jähriger den Polizist*innen „sein nacktes Hinterteil gezeigt“ und sei daraufhin vorläufig festgenommen worden.

Da er sich dem nicht gefügt habe und davongelaufen sei, hätten ihm die Polizist*innen Handfesseln angelegt. Er habe sich dagegen „gesperrt“, weshalb „körperlicher Zwang“ angewendet worden sei. Ihm werde Beleidigung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vorgeworfen.

Etwa 20 umstehende Jugendliche hätten bereits als der 18-Jährige davongelaufen sei, begonnen, die Polizist*innen mit Flaschen und Bierkästen zu bewerfen, berichtet ein Polizeisprecher. Zur Unterstützung gerufene Polizeibeamt*innen hätten daraufhin Pfefferspray eingesetzt, um die Umstehenden „auf Abstand zu halten“.

Ermittlungen wegen Landfriedensbruch

Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruch, Widerstand und Sachbeschädigung seien eingeleitet worden. Für den Polizeisprecher ist klar: „Die Eskalation ging ausschließlich von der Gruppe aus“.

Moritz ist empört: „Das ist eine Lüge!“, sagt er. Er habe beobachtet, wie der 18-Jährige davongelaufen sei, allerdings bevor die Polizist*innen mit ihm geredet hätten. Nach 20 Metern habe er angehalten und sich gestellt. Moritz habe bereits zu diesem Zeitpunkt das Vorgehen der Polizist*innen als übermäßig harsch und eskalierend empfunden, berichtet der 21-Jährige.“

Zudem habe da noch niemand Flaschen geworfen. Als dem 18-Jährigen Handfesseln angelegt wurden, habe dieser geschrien – aus Angst oder vor Schmerzen, vermutet der Augenzeuge. Daraufhin sollen die Polizist*innen den 18-Jährigen „ruckartig auf den Boden geschubst“ und Gewalt angewandt haben.

Erst dann sollen die Umstehenden sich so mit dem Festgenommenen solidarisiert haben, dass Einige Flaschen auf den Streifenwagen warfen. Daraufhin habe die Polizei Pfefferspray versprüht. Als die Verstärkung kam, sei sie „völlig wahllos gegen alle“ vorgegangen. „Und sie haben alle beleidigt, die ganze Zeit“. Er sei daraufhin gegangen, berichtet der 21-Jährige.

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6 Kommentare

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  • Der arme Moritz! Leider liest man solche Horrorgeschichten über ausufernde brutalste Polizeigewalt ("ruckartig auf den Boden geschubst") immer öfter. Wir sollten die Polizei in Othmarschen endlich abschaffen!

  • Wo ist da jetzt die Lüge?

    Moritz' Darstellung und die der Polizei passen doch recht gut zusammen.

    Moritz hat den nackten Hintern weggelassen, und eine Festnahme ist in dieser Situation nun kein intimes Vier-Augen-Gespräch. Wir sind ja nicht bei Colombo.

    Den Widerstand stellt Moritz nicht in Abrede, den körperlichen Zwang räumen auch beide ein.

    Wenn Moritz schließlich einfach nach Hause gehen konnte, scheint die Polizei ja doch nicht so "völlig wahllos gegen alle" vorgegangen zu sein.

  • Der Moritz hat empfunden...na dann

  • Vielleicht schnallen einige Leute mal, dass es hier nicht um einen fairen Wettkampf geht. Man hat einfach kein Recht, sich einer Festnahme zu widersetzen. Neiun, nicht mal moralisch. Denn anders als im Iran oder der Türkei verschwindet man hier nach der Festnahme nicht in einem kafkaesken Gefängnissystem, aus dem man unter Umständen nicht wieder lebend rauskommt. Erst recht nicht, wenn man erst 18 ist. Und mal ganz abgesehen von Corona, ist es asozial, nachts um halb drei im Park zu feiern. Nicht nur wegen des Lärms, sondern auch und vor allem, weil Besoffene in aller Regel um fünf Uhr morgens nicht daran denken, ihren Müll mitzunehmen.

  • Freund und Helfer!

  • Schön, dass Moritz aus Othmarschen keine Scheu vor der taz hat.