Kritik an Pestizidwirkstoff Glyphosat: Die Industrie protestierte
Monsanto versucht die WHO zu diskreditieren. Die Forscher hatten Pestizid als „wahrscheinlich krebserregend“ beurteilt. Diese kontern.
Die Forscher hätten etwa sämtliche zum Zeitpunkt der Überprüfung öffentlich zugänglichen Studien zur Entstehung von Epidemien im Zusammenhang mit Glyphosat berücksichtigt, ergänzte Christopher Portier, der als eingeladener Experte an den Beratungen der Arbeitsgruppe teilgenommen hatte.
Geringe Mengen Glyphosat werden regelmäßig in Lebensmitteln gefunden. Die Substanz wird auch in privaten Gärten, öffentlichen Parkanlagen oder an Bahngleisen benutzt. Besonders zugenommen hat der Glyphosat-Verbrauch weltweit, weil die meisten gentechnisch veränderten Pflanzen gegen den Stoff resistent sind.
Die IARC hatte die Einstufung Ende März in der Fachzeitschrift The Lancet bekannt gegeben – die Industrie protestierte sofort. Der wichtigste Hersteller, der US-Agrochemiekonzern Monsanto, warf den Forschern vor, sie hätten Studien weggelassen, die keine Risiken bewiesen hätten.
Unabhängige Experten
Agrarindustrie-Unterstützer versuchten auch, die IARC insgesamt zu diskreditieren. Die Wissenschaftler hätten ja sogar Kaffee, Mobilfunktelefone und Aloe-vera-Extrakte als ähnlich gefährlich eingestuft. Das dementierte Portier. Kaffee beispielsweise habe die IARC nur als „möglicherweise“ krebserregend bezeichnet. Das ist eine Stufe unter Glyphosat, bei dem die Belege so stark sind, dass die Fachleute die Krebsgefahr für „wahrscheinlich“ halten.
Rusyn bezeichnete die Einstufungen durch die IARC als „Gold-Standard“, unter anderem weil die Experten unabhängig seien. Doch Portier wird vorgeworfen, Aktivist der US-Umweltorganisation Environmental Defense Fund zu sein. „Das ist kein echter Interessenkonflikt“, antwortete er auf Anfrage der taz. Er arbeite zwar als Wissenschaftler für den Verband, aber nicht zum Thema Pestizide. Zudem habe er in der IARC-Arbeitsgruppe kein Stimmrecht gehabt, sondern sie nur beraten.
Die EU-Zulassung für Glyphosat läuft Endes des Jahres aus. Harald Ebner, Gentechnik-Sprecher der Grünen im Bundestag, forderte, sie nicht zu verlängern. „Solange der Krebsverdacht nicht widerlegt ist, muss Glyphosat aus dem Verkehr gezogen werden.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind