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Kritik an Kitaplänen von Lisa PausEs bräuchte 14 Milliarden Euro

Ralf Pauli
Kommentar von Ralf Pauli

SPD und FDP kritisieren Lisa Paus für ihren Verzicht auf bundesweite Vorgaben zu Kita-Standards. Das ist falsch, denn um die Finanzierung kümmerten sie sich bisher nicht.

Lisa Paus, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, zeigt wie man tanzt Foto: Soeren Stache/picture alliance

L isa Paus kann einem manchmal fast leidtun. Auf kein anderes Kabinettsmitglied wird von außerhalb und innerhalb der Regierung so eingedroschen wie auf die grüne Familienministerin. Jüngstes Beispiel: die harsche Kritik am geplanten „Kita-Qualitätsentwicklungsgesetz“. SPD und FDP werfen ihr nicht weniger als Wortbruch vor. Das zwar durchaus zu Recht: Schließlich hat Paus auf eigene Faust ein Koalitionsversprechen – Vorgaben zu bundesweit einheitlichen Kita-Standards – abgeräumt.

Möglich, dass Paus sich hier ein kleines Faustpfand für die Nachverhandlungen bei ihrer Kindergrundsicherung – schöne Grüße an Christian Lindner – schaffen möchte. Dennoch ist die Kritik an Paus falsch. Oder genauer: Die Kritik ist richtig, aber Paus nicht die alleinige Adressatin.

Denn natürlich wäre es gut, wenn der Personalschlüssel nicht nur in Ländern wie Baden-Württemberg ausreichend wäre und überall Ausfallzeiten wie Urlaub und Krankheit in den Personalbedarf reingerechnet werden dürften.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass verbindliche Bundesvorgaben nur dann Sinn ergeben, wenn Länder und Kommunen sie auch realistischerweise einhalten können. Gerade die frühkindliche Bildung bietet dafür gutes Anschauungsmaterial: Schließlich erhalten auch nach elf Jahren Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz längst nicht alle Eltern, die Bedarf an Kinderbetreuung anmelden, auch tatsächlich einen Platz.

SPD und FDP sollten sich auch um Finanzierung kümmern

Gleichzeitig sieht man am Rechtsanspruch, dass unrealistische Vorgaben unschöne Nebenwirkungen haben: Dass heute ständig Fachkräfte krank sind oder streiken und Kitas ihre Öffnungszeiten oft gar nicht mehr einhalten, ist auch die Folge davon, dass beim Kitaausbau lange die Quantität im Vordergrund stand.

Es ist gut, dass die Ampel hier ansetzen möchte. Doch um die Qualität wirklich zu steigern, werden die 2 Milliarden pro Jahr nicht reichen. Zum Vergleich: Ein bundesweit „kindgerechter“ Personalschlüssel würde grob überschlagen 14 Milliarden Euro im Jahr kosten. So viel hat aber bislang keine Ampelpartei für die Kitas gefordert. Wenn SPD und FDP also einheitliche Standards möchten, sollten sie sich auch um die Finanzierung kümmern.

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Ralf Pauli
Redakteur Bildung/taz1
Seit 2013 für die taz tätig, derzeit als Bildungsredakteur sowie Redakteur im Ressort taz.eins. Andere Themen: Lateinamerika, Integration, Populismus.
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10 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • 2023 wurden 100 000 Kinder weniger geboren als 2021 trotz Zuwanderung weil die Zahl der potentiellen Mütter ja auch schrumpft. Das kommt in den Kitas schnell an. In Berlin gibt es schon jetzt 3000 frei Kitaplätze. Das hilft beim Personal und verbessert den Betreuungsschlüssel. Aber auch um Kiraschliessungen wird man mancherorts nicht herumkommen

  • Geld ist vollkommen irrelevant. Woher soll das Personal kommen? Mangel im sozialen Berufen auf allen Ebenen. Ich frage mich, warum das Geld nicht auf den Tisch legen. Es kann eh nicht abgerufen werden.

  • Vielleicht werden einige "Jungeltern" doch noch froh sein, dass sie bei der Misere gelegentlich auf die Hilfe ihrer BoomerInnen-Eltern zurückgreifen können, denn von denen haben in den nächsten Jahren zunehmend mehr (Frei-)Zeit. Nicht wenige darunter verfügen auch über eine ausgewiesene Expertise.



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    www.sueddeutsche.d...n-helden-1.2472177

  • Theoretiker beschließen Wolkenkukuksheim Personalausstattungen und am Ende gibt es weniger Leistungen bei gesteigerten Kosten für den Bürger.



    Solangen noch nicht jedes nachfragende Kind einen Kindergartenplatz mit der nachgefragten Betreuungszeit hat muss die Quantität Vorrang vor der Qualität haben.



    Bei uns waren Ende der 60er ca 30 Kinder in einer Gruppe und niemand ist daran gestorben.



    Im übrigen sollten keine neuen Gesetze mehr beschlossen werden dürfen, ohne vorher auch den Geld und Personalbedarf ermittelt und abgedeckt zu haben.

    • @Altunddesillusioniert:

      Ja, da stimme ich zu. Ein Konnexitätsprinzip wäre mehr als Gut und nötig.

      Daher +1

  • 14 Milliarden sind eine große Zahl. Der größte Anteil sind Personalkosten. Davon mehr als die Hälfte ginge in die Sozialversicherung und direkte Steuern. Vom Nettogehalt ginge die Hälfte in indirekte Steuern (Verbrauchssteuern, Steuern auf Gewinne, Steuern und Sozialversicherungsabgaben bei z.B. Verkaufs- und Dienstleistungspersonal usf.). Für den "Staat" ist das ökonomisch nur eine Umschichtung von der rechten Tasche in die linke Tasche. Plus : Besser auf das Leben vorbereitete Kinder und in gewissem Umfang Eltern. Medizinisch ist Prävention seit dem 18. Jh. in der Kindermedizin bewährt und unumstritten, Internetseiten NIFBE und Kindergartenpädagogik belegen die Wirksamkeit pädagogisch. - Das liegt halt am Minister. Wer etwas so klar Vorteilhaftes nicht durchsetzen kann, kann es halt nicht durchsetzen. Dieses, wie soll man sagen, Bild ist zudem für Personen, die sich für eine Tätigkeit in diesem Bereich interessieren nicht attraktiv.

  • "Lisa Paus kann einem manchmal fast leidtun."

    Mir nicht. Sie stümpert in ihrem Ressort rum. Nichts was von ihr kommt, ist durchdacht. Das kann und muss man kritisieren.

    Eine andere Frage ist der Wille zur Finanzierung. Ein funktionierendes Erziehungs- und Bildungssystem ist Grundvoraussetzung für unsere Zukunft. Das scheint keine der Ampelparteien begriffen zu haben. Und Frau Paus ist auch die Letzte, die in der Lage ist, es klar zu machen.

  • Die Kritik an Paus ist nicht unberechtigt. Minister sind dafür da, Probleme zu lösen. Wenn sie das nicht können, sollen sie den Platz für bessere Politiker freimachen. Paus hat nichts geleistet bisher.

  • "Lisa Paus kann einem manchmal fast leidtun. Auf kein anderes Kabinettsmitglied wird von außerhalb und innerhalb der Regierung so eingedroschen wie auf die grüne Familienministerin."

    Wenigstens kann man daran schön ablesen, was unserer Gesellschaft mehr Wert ist. Man kann einfach mal die Prioritäten im Haushalt und die Art der Berichterstattung zu den verschiedenen Themen durchgehen. Also Kinder und Familie stehen schon mal nicht direkt an erster Stelle. Die Ärmsten sind es wohl auch nicht, wenn man sieht wie auf ihnen herumgehackt wird als seien sie alle "Staatsfeind #1". Hilfesuchende zu unterstützen (Asylanten) landet wohl auch eher auf den hinteren Plätzen.

    Ich frage mich: wollen wir so eine Gesellschaft sein? Ich nicht.

  • Ohne Finanzierung kein Standard.



    Eine ganz einfache, bittere Wahrheit.



    Die, die Bundespolitik aller Parteien nicht gerne hört.

    In sehr vielen Fällen verabschiedet der Bund ein Gesetz, dessen teure Umsetzung dann zur Sache der Kommunen wird. Auch dann, wenn die Kommune nicht über die notwendigen Einnahmen verfügt, um die Träume aus Berlin umzusetzen.

    Das liegt auch an einer Struktur, bei der Gelder aus Berlin nur fließen, wenn die Kommune, selbst Eigenmittel einsetzen muss. Deshalb sehen viele Schulen so heruntergekommen aus, es kein Geld da.

    Das Bürokratiemonstrum des Föderalismus, aus Bund, Ländern, Landkreisen, Kommunen und Behörden, das Zuständigkeit, Finanzierung und Entscheidung zersplittert und blockiert, ist auch die Ursache für das Scheitern der Kindergrundsicherung und Probleme der Krankenhausreform.

    Und wenn es nicht Unwillen ist, so ist es Unfähigkeit.