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Kritik an Australiens PremierMorrison versagt

In Australien sind viele Leute sauer auf Premierminister Scott Morrison. Er hat viel zu zögerlich auf die Brandkatastrophe reagiert.

Eine von den Feuern betroffene Frau verweigert Premier Morrison den Handschlag Foto: Nine Network/reuters

Canberra dpa | Politiker können in Krisen eine Menge richtig machen. Aber auch eine Menge falsch. Letzteres ist nach Ansicht seiner Kritiker bei Australiens Premierminister Scott Morrison der Fall. Er reiste inmitten der verheerenden Feuer zum Urlaub nach Hawaii, kehrte erst nach einem öffentlichen Aufschrei zurück und entschuldigte sich.

Als Morrison nun nach dem Jahreswechsel ein Brandgebiet besuchte, wurde er als „Idiot“ beschimpft. Ein Feuerwehrmann mochte ihm nicht die Hand geben. Einer Schwangeren war auch nicht danach: „Ich will nicht wirklich Ihre Hand schütteln.“ Morrison machte es gegen ihren Willen trotzdem. Solche Bilder wird ein Regierungschef schlecht wieder los.

Wenn es ein Handbuch für Politiker nach Naturkatastrophen und Terrorismus gäbe, stünde darin: Zeige Mitgefühl, sei bei den Leuten und handle schnell. Ein Beispiel war Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern nach dem Anschlag von Christchurch. Sie trug aus Solidarität mit den betroffenen Muslimen ein Kopftuch und setzte ein Waffenverbot durch.

Morrison ist nicht bei den betroffenen Menschen

George W. Bush machte als US-Präsident nach den Terroranschlägen in New York eine gute Figur – beim Hurrikan „Katrina“ weniger. In Deutschland besuchte Gerhard Schröder seinerzeit als Kanzler in Gummistiefeln ein Hochwassergebiet. Das war fotogen.

Seit Monaten schauen die Australier, wie sich ihre Regierung in dieser gewaltigen Naturkatastrophe schlägt. Landesweit ist bereits eine Fläche größer als die Niederlande abgebrannt. Die Feuer sind viel schlimmer als sonst, was viele mit dem Klimawandel in Zusammenhang bringen.

Australien ist ein Kohle-Land. Morrison (51), ein konservativer Familienvater, der sich 2019 bei der Wahl überraschend durchgesetzt hat, gilt als Freund dieser milliardenschweren Industrie. Er brachte sogar ein Stück Kohle mit ins Parlament. Für das Land ist sie der wichtigste Export-Faktor. Das Verbrennen von Kohle setzt Kohlendioxid frei, was zur Erderwärmung beiträgt. Bei der Klimakonferenz im Dezember in Madrid galt Australien bei den Verhandlern als Bremser.

Morrison gerät nun wegen der Brände in der Klimawandel-Debatte in Erklärungsnot. „Ich verstehe die Angst, ich verstehe die Frustration, aber das ist eine Naturkatastrophe, die am besten auf ruhige, systematische Art behandelt wird“, findet der Premier. Er nehme die Erderwärmung ernst. Seinen Kurs will er aber nicht auf Kosten der Wirtschaft ändern.

Es brennt – und der Premier ist beim Cricket

Beim Kampf gegen die Brände wirkte Morrison auf seine Kritiker über Monate zu zögerlich. Zu dem missglückten Besuch im Feuergebiet sagte sogar ein Politiker aus seiner eigenen Partei, dass er den Empfang bekam, den er „wahrscheinlich verdient“ habe.

Viele Australier klingen sauer – so wie Steve Halcroft aus der Hauptstadt Canberra, wo die Luftverschmutzung durch die Feuer so schlimm ist, dass die Schutzmasken knapp wurden. Halcroft musste während seines Urlaubs die Evakuierungen an der Südostküste mitmachen.

Er saß 17 Stunden fest, mit Hunderten von Autos, ohne Essen und Trinken. „Ich bin sehr wütend auf diesen Premierminister, weil er nichts dagegen gemacht hat. Später habe ich in den Fernsehnachrichten gehört, dass er mit einem Cricket-Event in Sydney beschäftigt war.“ Er ärgert sich, dass Morrison nicht früher das Militär eingesetzt hat. Und überhaupt, warum kümmere sich dieser nicht, fragt sich Halcroft.

Was den Zorn auf Morrison ausgelöst hat? Die Politikwissenschaftlerin Blair Williams von der Australischen Nationaluniversität in Canberra sagt: seine Abwesenheit und sein Nicht-Handeln. „Alles in allem zeigt es dem durchschnittlichen Australier, dass er nicht für sie da ist, in einer der schlimmsten Lagen, die das Land je erlebt hat.“

Sie wisse nicht, ob er ein guter oder schlechter Premier sei, aber sein Umgang mit den Bränden sei ganz bestimmt schlecht.

Militär kommt ohne Rücksprache mit Feuerwehr

Am Wochenende demonstrierte Morrison Entschlossenheit. Er kündigte an, 3000 Reservisten der Streitkräfte zu mobilisieren – allerdings ohne vorher die Feuerwehrchefs zu informieren.

Außerdem soll eine neue nationale Agentur bei den Folgen der Katastrophe helfen. Auf Twitter veröffentlichte der frühere Tourismusmanager ein Video mit Bildern vom Einsatz gegen die Brände, mit Löschflugzeugen und Feuerwehrleuten. Dazu läuft fröhliche Musik, die auch zu einer Werbung passen würde.

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1 Kommentar

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  • Die Entfremdung des Menschen und die Vernichtung von Umwelt und Natur.

    Wir müssten für den Erhalt von Umwelt und Natur kämpfen!

    Der Klimawandel ist ein erdgeschichtlicher Prozess und findet permanent statt.

    In Europa sollten wir uns auch nach der Methode der Entsorgung der radioaktiven Abfälle aus den rund 50 französischen Atomkraftwerken fragen. Hier werden nicht nur die Gewässer für die Kühlung der Atomanlagen dauerhaft geschädigt. Auch ist von der Entsorgung und Verklappung im Atlantik und im Mittelmeer auszugehen. So landen auch andere radioaktive Stoffe an der Südspitze Italiens, vor Sizilien im Mittelmeer und in der Adria. Dabei erweisen sich die regionalen Regierungen und mafiösen Entsorger als verlässliche Geschäftspartner für die Entsorgung des westeuropäischen Sondermülls.

    Aber auch hiermit zu Australien wie zu Brasilien. Die Vernichtung der Tropenwälder erleichtert den unbehinderten Zugang zu den Bodenschätzen unterhalb der verbrannten Erdkrume des (vorsätzlich) abgefackelten Regenwaldes. Auch mit Blick auf die mehr als 5. Millionen Hektar abgebrannter Wälder in Australien, rund die doppelte Fläche von Berlin-Brandenburg, hier muss sich die Bergbauindustrie nicht mehr mit Umweltverbänden und eventuellen Auflagen herumschlagen, besteht doch auch jetzt die Möglichkeit unbehindert durch die Regierung und (vorgeblich) umweltschonende Gesetzgebung, an die begehrten Bodenschätze und Rohstoffe für die Industrien heranzukommen.

    Wir sollten uns aber auch darüber Gedanken machen, das alljährlich weltweit Millionen Tonnen an chemischen Abfällen, so beispielsweise auch Plaste und Elaste, in die Weltmeere verklappt und gepumpt werden. Analog, so auch bei der Entsorgung gewaltiger Touristikflotten auf allen Meeren, Transport- und Containerschiffe wie Tankschiffe, nicht nur beim Auspumpen und Verquirlen von Altöl und Schweröl auf den Meeren, auch beim Abwracken ausgedienter Schiffspötte.