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Krisenbündnis zur CoronapandemieLinke laden Reiche ein

Das Bündnis „Wer hat der gibt“ bittet Reiche für die Kosten der Pandemie zur Kasse. Am Samstag demonstrieren die Aktivist*innen – mit Millionär*innen.

Ungewöhnliche Zeiten erfordern ungewöhnliche Allianzen Foto: Wer hat der gibt

Hamburg taz | Ab wann ist man eigentlich richtig reich? Eine konkrete Antwort darauf hat das Bündnis „Wer hat der gibt“, das Reichtum in den Fokus der öffentlichen Debatte rücken will, nicht. Aber darum gehe es ihr auch nicht, sagt Bündnissprecherin Carlotta Schmidt. Fest stehe: Das Kapital sei zu ungleich verteilt. „45 Superreiche besitzen in Deutschland so viel wie die ärmere Bevölkerungshälfte“, sagt sie. Gegen diesen Missstand wollen die Aktivist*innen am Samstag in Harvestehude demonstrieren.

„Unser Protest richtet sich gegen die Pfeffersäcke und Großunternehmer*innen, die ihr Erbe über Generationen hinweg relativ steuerfrei an der Gesellschaft vorbeischleusen“, sagt Schmidt. Die Aktivist*innen fordern die Bundesregierung auf, die Kosten der Coronapandemie nicht auf die ärmere Hälfte der Bevölkerung abzuwälzen. Mit dem Slogan „Die Reichen sollen für die Krise zahlen“ wollen sie um 18 Uhr vom Dammtor dorthin laufen, „wo die Reichen wohnen“ – also an die Außenalster.

Konkrete Forderungen sind die Wiedereinführung der Vermögenssteuer sowie eine Vermögensabgabe für Millionär*innen. Auf Kürzungen im Sozial-, Gesundheits-, Bildungs- und Kulturbereich solle hingegen verzichtet werden.

Ende Gelände, der Asta und Millionär*innen

„Wer hat der gibt“ ist ein Krisenbündnis, das durch Corona ins Leben gerufen wurde. Die Aktivist*innen wollen Debatten mit dem Tenor „Alle müssen den Gürtel enger schnallen“ zuvorkommen, wie sie etwa nach der Finanzkrise 2008 und 2009 geführt wurden. Unterstützung erhalten sie von linken Gruppen wie „Ende Gelände“ oder „Recht auf Stadt“, aber auch dem Asta der Universität Hamburg. Zu einer Pressekonferenz am Donnerstag im Park Fiction auf St. Pauli haben sie außerdem den Pappkameraden Friedrich Merz mitgebracht – als Gegenpol. Der Möchtegern-Kanzlerkandidat der CDU forderte mehrfach, die Coronahilfen zu begrenzen.

Nicht so naheliegend wie die Kooperation mit Klimaaktivist*innen oder dem Asta ist die Ansprache an Millionär*innen: Auf seiner Homepage lädt das Bündnis Reiche ein, sich für einen eigenen Block auf der Demo anzumelden – und Transparenz über ihr Vermögen zu schaffen. Gefragt wird etwa, wie die Reichen an ihr Kapital gekommen sind, ob durch Erbe, Ausbeutung oder Spekulation. Und wo das Geld jetzt sei: Im Steuerparadies, einer Charity-Stiftung oder „euren Wohnungen“. Anmeldungen hätten sie aber bislang nicht bekommen, sagt Schmidt, vermutlich werde der Reichenblock leer bleiben.

Ein Aktivist des Kollektivs soziale Kämpfe, das ebenfalls zur Demo aufruft, weist darauf hin, dass „das hier keine Charity-Aktion“ sei. „Wir fordern Enteignung.“

Eine Alternative zum rechtsoffenen Coronaprotest

Dass Enteignungen ohne Entschädigungen gesetzwidrig sind, ist den Bündnismitgliedern bewusst. „Es ist nicht unsere Aufgabe, uns zu überlegen, wie man Reiche entschädigt, nachdem man sie enteignet hat“, sagt der Sprecher Ansgar Richter. „Wir sind nicht der Bundestag.“ Stattdessen solle eine Debatte angestoßen werden, die überfällig sei. „Wenn man Corona etwas Positives abgewinnen will, dann, dass endlich darüber gesprochen wird, welche Berufe systemrelevant sind. An dieser Stelle muss es weitergehen.“ Richter ist selbst in der Pflege tätig.

Neben dem Reichenblock soll es auf der Demo auch einen Klimablock, einen Kulturblock und einen Block der antifaschistischen Jugend geben. In der Innenstadt ist für den Nachmittag zudem eine Demo der rechtsoffenen und verschwörungstheoretisch orientierten Coronaskeptiker*innen angemeldet. „Wer hat der gibt“ will eine Alternative dazu bilden. Auch in Berlin, Hannover, Kaiserslautern und dem Saarland gehen am Samstag Aktivist*innen auf die Straße.

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11 Kommentare

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  • Die Produktionsweise und die Kapitalvermehrung verantworten die Millionäre und ihre Helfershelfer.



    Das hat schon miteinander zu tun. Ohne Menschen kein System.

    Von einer Revolution bin ich allerdings auch kein Freund mehr. Ist doch meine Angst, das sich linke Arschlöcher und Spinner an die Spitze setzen, viel zu groß. Die Realität hat es ja auch zu oft bestätigt.

    • @APO Pluto:

      Ist für Jim Hawkins, Freitag 21.09, gedacht

  • Die eigentlichen Macher werden begeistert sein.



    ...Neben dem Reichenblock soll es auf der Demo auch einen Klimablock, einen Kulturblock und einen Block der antifaschistischen Jugend geben.....



    Wunderbar. Auch hier wieder s.A.!



    Mit einer gewissen Portion Zynismus gerne aus dem nd:



    Aus den Augen, aus dem Sinn: Die Klassengesellschaft

    Linke Alternativen zum Kapitalismus finden keinen Eingang in das Bewusstsein vieler Menschen, und im Alltag ist kein Raum für umfassende Solidarität. Das hängt nicht zuletzt mit der vielfach gestellten Diagnose zusammen, dass die europäische und nordamerikanische Linke in den vergangenen Jahrzehnten der Klassenpolitik den Rücken gekehrt hat. Viele ältere Linke verabschiedeten sich generell von linker Politik, die jüngere linke Generation hat kaum Klassenpolitik gemacht. Zwar gibt es in Deutschland mit der Linkspartei eine parlamentarische Kraft, deren Markenkern eine auf Solidarität ausgerichtete Sozialpolitik ist, aber auch ihr fehlt es an klassenpolitischer Praxis....



    Ich ergänze....und einer wirklichen, echten Vergangenheitsbewältigung.

  • Na schön, bei einer Revolution würden womöglich ein paar Millionäre an der Laterne enden.

    Andererseits, was soll der Scheiß? Ein kleines Häuflein fordert etwas, was so gaga klingt, dass es so schnell versanden wird, wie es aufgekommen ist.

    Das Problem sind nicht die Millionäre, sondern die Produktionsweise und die Kapitalverwertung.

    Die hat mittlerweile soviel Schaden angerichtet, dass es auch die stumpferen Zeitgenossen realisieren.

    Ändern wird sich das alles wohl nur zu noch schlimmerem.

  • Enteignungen mögen gesetzeswidrig sein, aber Gesetze sind von Menschen gemacht und können daher von ihnen wieder geändert werden. In Zeiten von Klimakrise, Umweltzerstörungen und Pandemie muss die Eigentumsfrage neu verhandelt werden. Der Notstand ist ausgebrochen, das müssen wir den Reichen und Vermögenden, die ihr Besitzstandsdenken verteidigen wollen, jeden Tag aufs Brot schmieren. Wir waren bisher zu freundlich zu ihnen.



    Wenn sie das nicht kapieren wollen, müssen wir sie sozial ächten. So wie sie über Jahrhunderte die Würde der Ärmsten und Mittellosen missachtet haben, nur um ein schönes Leben führen zu können. Kündigen wir mit zivilem Ungehorsam das Miteinander auf. Nur so werden sie es kapieren, dass das Gemeinwesen das Maß aller Dinge werden muss.



    Hüten wir uns vor den Schmarotzern und Schaumschlägern aus den Medien (z.B. Fußballmillionäre, Filmstars), die vorgeben, auf unserer Seite zu sein, um in Wahrheit dafür zu sorgen, dass alles nicht so schlimm wird.



    Die Sache müssen wir jetzt, wie es in einem Lied heißt: „selber tun“.

    Besitzstandsdenken ist passe, Gemeinsinn ist gefragt.

  • RS
    Ria Sauter

    Ach Gottchen, so eine niedliche Aktion.



    Das wird sicher ein voller Erfolg.

  • Wo die Reise hingeht, und was die Motivation ist, zeigt die Intention, dass Reichtum durch Erbe, Ausbeutung oder Spekulation, nicht jedoch durch ehrliche Arbeit, Erfindergeist, Sportlichkeit oder Kunstfertigkeit, erworben wurde. Vorurteile und Neid werden diese Demo prägen.

    • @Berliner Berlin:

      Dann erklären sie mir doch bitte, warum der eine sich durch ehrliche Arbeit einen Fußballclub für 500 Millionen leisten kann, der andere sich aber noch nicht mal einen Kleinwagen.

      • 9G
        97287 (Profil gelöscht)
        @APO Pluto:

        Wenn einer eine ehrliche Arbeit hat, hat er auch einen Kleinwagen bzw. kann er sich einen leisten. es gibt in Berlin sogar Leute , die haben keine Arbeit bekommen Sozialhilfe und Hartz IV und fahren Autos. Weiß der Geier wie das im Kapitalismus funktioniert. Im Sozialismus musste man 7 Jahre auf ein Auto warten, auch wenn man ehrliche Arbeit hatte.

      • @APO Pluto:

        Vielleicht weil die ehrliche Arbeit in einer Schraubenfabrik weniger Geld einbringt als der jahrzehntelange Aufbau eines Schrauben-Konzern (nennen wir ihn spaßeshalber "Würth")?

        • @AlexA:

          Wenn das der Karl Marx gewusst hätte.