Krise in der Ukraine: Jazenjuk will reden
Nach den umstrittenen prorussischen Referenden in der Ostukraine soll jetzt geredet werden. Die OSZE legt einen Plan für einen Runden Tisch vor. Kiew zeigt sich bereit.
DONEZK/BRÜSSEL ap/dpa | Nach den umstrittenen Abspaltungsreferenden in der Ostukraine will die Zentralregierung in Kiew das Gespräch mit den Regionen suchen. „Wir würden gerne einen umfassenden Dialog mit dem Osten, der Mitte, dem Westen und der ganzen Ukraine beginnen“, erklärte Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk in Brüssel. Demnach soll über Verfassungsänderungen verhandelt werden, die den betroffenen Regionen mehr Rechte zubilligen sollen.
Prorussische Separatisten in den Regionen Donezk und Lugansk meldeten zuvor ein überwältigendes Ja zur Autonomie und erklärten die Regionen für unabhängig. Die Aufständischen in Donezk baten Moskau sogar um Anschluss. Der Kreml ließ jedoch keine Sympathien für eine Annexion nach dem Vorbild der Krim erkennen, sondern warb für Gespräche zwischen der Führung in Kiew und den Separatisten unter Vermittlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa.
Der Schweizer Präsident der OSZE, Didier Burkhalter, legte dazu in Brüssel einen möglichen Fahrplan vor. Dieser ruft beide Seiten zu einer Abkehr von Gewalt, zu einer sofortigen Amnestie, zu Verhandlungen über eine Dezentralisierung und zum Status der russischen Sprache in den betroffenen Regionen auf. Damit wird Kernforderungen der Separatisten Rechnung getragen, die in der Ostukraine weitgehend die Kontrolle übernommen haben. In den Regionen Donezk und Lugansk leben rund 6,5 Millionen Menschen.
Die Regierung in Kiew habe der Nominierung des deutschen Diplomaten Wolfgang Ischinger als Co-Moderator für einen Runden Tisch zugestimmt, mit dem ein nationaler Dialog in Gang gebracht werden solle, sagte Burkhalter in Brüssel. Zudem telefonierte er am Montag nach eigenen Angaben mit Kremlchef Wladimir Putin. In dem Gespräch sei es um seinen Fahrplan zur Lösung der Krise gegangen. „Wir haben in Moskau eine Offenheit für einen Dialog gesehen“, sagte Burkhalter weiter.
Steinmeier fährt nach Kiew und Odessa
Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) ist am Dienstag zu einem neuem Besuch in der Ukraine abgeflogen. In der Hauptstadt Kiew steht unter anderem ein Treffen mit Übergangsministerpräsident Arseni Jazenjuk auf dem Programm. Anschließend will Steinmeier in die Schwarzmeer-Metropole Odessa im Süden des Landes weiterreisen. Dort hatte es zu Beginn des Monats schwere Auseinandersetzungen gegeben, bei denen mindestens 48 Menschen ums Leben kamen. Der Außenminister sprach von einem Versuch, „Brücken zu schlagen über die verschiedenen Lager hinweg“.
Die ukrainische Übergangsregierung hält - ebenso wie der Westen - die Referenden in Donezk und Lugansk für illegal. Das Weiße Haus betonte am Montag abermals, dass die USA die Resultate nicht anerkennen würden. Zudem sei es enttäuschend, dass Russland nicht seinen Einfluss geltend gemacht habe, um die Abstimmungen zu stoppen, sagte US-Regierungssprecher Jay Carney. Putin hatte eine Verschiebung der Referenden gefordert, was die Aufständischen jedoch ignorierten.
Doch in einer Reaktion auf die Abstimmungen erklärte das russische Außenministerium, sie spiegelten überzeugend die wahre Stimmungslage der Bürger im Osten der Ukraine wider. Die Krise müsse durch einen Dialog der Gegenspieler in dem Land gelöst werden.
Die EU und die USA sehen Russland allerdings als Anstifter und Unterstützer der Separatisten. Die EU verschärfte deswegen am Montag ihre Sanktionen. Der Sanktionsliste, auf der bislang 48 Personen notiert waren, wurden 13 weitere Personen sowie zwei Unternehmen zugefügt. Sie sollen mit Visa- und Vermögensbeschränkungen belegt werden, wie aus EU-Kreisen verlautete.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Rücktrittsforderungen gegen Lindner
Der FDP-Chef wünscht sich Disruption