Krise der Zentralafrikanischen Republik: Russland schickt die Söldnerplage
In der Zentralafrikanischen Republik schützen brutale russische Kämpfer die Regierung. Dabei legen sie sich mit Frankreichs Verbündetem Tschad an.
Es ist eine Zeitenwende. Bis Mitte der 1990er Jahre führte Frankreich von Bangui und der großen Militärbasis Bouar aus Kriege gegen Libyen und in Ruanda. Doch dann zog sich Frankreich auf Tschad zurück und lenkte seine Aufmerksamkeit auf Islamisten in der Sahelzone, während die Zentralafrikanische Republik in Bürgerkriegen versank und als Stabilitätsanker ausfiel.
Heute stehen in Bouar und Bangui keine Franzosen mehr, sondern Russen. Von mehreren Hundert auf einige Tausend wird die Anzahl der russischen „Berater“ und „Spezialkräfte“ geschätzt, die teils in offizieller Mission, teils für private Sicherheitsdienste in der Zentralafrikanischen Republik unterwegs sind. Und sie standen in den letzten Monaten an vorderster Front gegen Rebellen, hinter denen die zentralafrikanische Regierung wiederum Tschad und Frankreich wittert.
Unter dem 2016 erstmals gewählten Präsidenten Faustin Touadéra ist Moskau zum wichtigsten Verbündeten Banguis aufgestiegen. Seine Wahl sollte das Land befrieden, aber unzählige Rebellen kämpften weiter, während ein UN-Waffenembargo weiter gilt. Russland sprang in die Bresche und lieferte ab 2018 mit UN-Sondergenehmigung Waffen, begleitet von Militärberatern.
Söldner für Russlands Interessen
Touadéras oberster Sicherheitsberater ist heute der ehemalige russische Militärgeheimdienstoffizier Valeri Zakharow. Dessen Dolmetscher Dmitri Syti steht unter US-Sanktionen als Angestellter des Putin-Freundes Jewgeni Prigozhin, dessen Söldnerunternehmen „Wagner-Gruppe“ in Bürgerkriegsländern wie Libyen und Syrien russische Interessen auf unorthodoxe Weise sichert.
Syti ist französischen Berichten zufolge Gründer der russischen Firma „Lobaye Invest“, die Goldminenrechte im Nordwesten der Zentralafrikanischen Republik hält. Genau in dieser Region sind die russischen Kämpfer am aktivsten, seit eine neue Rebellenkoalition im Dezember 2020 zu den Waffen griff.
Als die Rebellen auf Bangui vorrückten, entsandte Russland 300 „Militärberater“. Sie schlugen die Rebellen zurück und Moskau verkündete ihren Abzug. Dann rief Präsident Touadéra am 21. Januar den Ausnahmezustand aus und zwei Tage später berichteten lokale Medien von „Hunderten schwerbewaffneten Russen“, die gerade auf dem Flughafen von Bangui gelandet seien.
Wenige Monate später gab Moskaus Botschaft in Bangui die Zahl der russischen „Ausbilder“ bei den zentralafrikanischen Streitkräften mit 535 an. Am 10. Mai unterrichtete Russland den UN-Sicherheitsrat über die Entsendung von 600 weiteren „Ausbildern“.
In den Monaten dazwischen eroberten die Russen im Nordwesten des Landes einen Ort nach dem anderen von den Rebellen zurück. Die UN-Expertengruppe über illegale Söldnereinsätze berichtete Ende März von „Massenhinrichtungen, wahllosen Festnahmen, Folter bei Verhören, Verschwindenlassen, Zwangsvertreibung der zivilen Bevölkerung, Angriffen auf zivile Einrichtungen, Verletzungen des Rechts auf Leben und zunehmende Angriffe auf humanitäre Akteure“ bei diesem Feldzug.
„Spezieller Begriff von Sicherheit“
Lokale Medien berichten, die fremden Kämpfer würden die Schweine der Bauern erschießen und essen, Mädchen vergewaltigen, Häuser verwüsten, auch Motorräder stehlen und nur gegen Geld wieder hergeben. Die russische Botschaft in Bangui nannte das im Mai „Früchte einer kranken Fantasie“ und „Dreck“, aber UNO und lokale Behörden haben Untersuchungen eingeleitet.
Pikant dabei: Die russischen Kräfte kooperieren offiziell mit der UN-Blauhelmmission in der Zentralafrikanischen Republik, die erst vor wenigen Wochen auf 14.400 Blauhelme aufgestockt wurde. Ein „Informationsaustauschmechanismus“ zwischen den „bilateralen“ Kräften aus Russland und den Blauhelmen soll verhindern, dass man sich gegenseitig in die Quere kommt. UN-Sanitärflugzeuge sollen sogar verwundete russische Kämpfer evakuiert haben.
„Russland hilft einem Regime, nicht dem Land“, kritisierte der oppositionelle ehemalige Premierminister Martin Ziguélé in einem Interview. „Es leistet keinen Wiederaufbau, es schützt die Interessen einer Macht. Es hält zweifellos an einigen Orten eine Bedrohung fern, aber mit einem sehr speziellen Begriff von Sicherheit.“
Der russische Sicherheitsbegriff sorgt nun auch international für Probleme. Ende Mai überquerten russische Kämpfer bei der Rebellenjagd die Grenze nach Tschad und töteten im Dorf Soubou einen Soldaten. Tschads Armee jagte die „Söldner aus Zentralafrika“ nach eigenen Angaben über die Grenze zurück. In einem zentralafrikanischen Dorf seien dann fünf Soldaten aus Tschad verschleppt und hingerichtet worden. Tschad spricht von einem „Kriegsverbrechen“, das „nicht ungesühnt“ bleiben werde. Die Zentralafrikanische Republik zeigt sich „überrascht“.
So wird die Zentralafrikanische Republik jetzt zum Frontstaat in der neuen geopolitischen Konfrontation zwischen Paris und Moskau in Afrika. Tschad ist Frankreichs wichtigster Militärverbündeter in Afrika. Anfang Mai waren tschadische Rebellen, die zuvor in Libyen an der Seite russischer Wagner-Kräfte gedient hatten, in Tschad einmarschiert. An der Front gegen sie war Tschads Langzeitherrscher Idriss Déby zu Tode gekommen.
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