piwik no script img

Krise der LinksparteiAllgemeinplätze gegen den Abgrund

Mit einem Aufruf wollen Dietmar Bartsch und Gregor Gysi die Spaltung der Linken verhindern. Die Gründung einer neuen Partei sei „völlig überflüssig“.

Originelle Idee: Dietmar Bartsch fordert seine Partei zur Selbstbeherrschung und Selbstdisziplin auf Foto: Kay Nietfeld/dpa

Berlin taz | Mit einem Aufruf zur Einheit haben sich die Linken-Politiker Dietmar Bartsch und Gregor Gysi an ihre Partei gewandt. „Wir alle sind zur Selbstbeherrschung, zur Selbstdisziplin verpflichtet“, heißt es in einem gemeinsamen Appell unter dem Titel „Es reicht!“. Die Linkspartei befände sich „in einer existentiellen Krise mit selbstzerstörerischen Elementen“. Es müsse Schluss sein „mit permanentem öffentlichen Streit, mit gegenseitiger Denunziation, mit Egotrips“.

Nötig sei, „diesen schädlichen Kurs der Selbstbeschäftigung zu stoppen und uns um unsere wahre Aufgabe zu kümmern – den Kampf für Gerechtigkeit und Frieden“. Als zentrale Themen führt das Papier zudem die Überwindung von Armut und die Herstellung von Steuergerechtigkeit, die öffentliche Daseinsvorsorge, ökologische Nachhaltigkeit verbunden mit sozialer Verantwortung, die internationale und nationale Solidarität sowie die völlige Gleichstellung von Mann und Frau und Ost und West an.

Eine linke politische Alternative werde gebraucht. Daher sei „nicht die Zeit für Resignation, Austritte und Abkehr von der Linken“. Ohne Sahra Wagenknecht und ihr Umfeld namentlich zu nennen, wird vor einer Spaltung gewarnt: „Die Bildung einer zweiten linken Partei ist völlig überflüssig.“ Sie würde „das gleiche Schicksal erleiden wie die jetzige“. Auch Ausschlussverfahren seien schädlich.

Unterschrieben haben den Aufruf auch noch die direkt gewählten Bundestagsabgeordneten Gesine Lötzsch und Sören Pellmann, die stellvertretende Ministerpräsidentin Mecklenburg-Vorpommerns Simone Oldenburg und der Vorsitzende der Rosa-Luxemburg-Stiftung Heinz Bierbaum. Mit dabei sind zudem die drei ehemaligen Bun­des­prä­si­den­ten­kan­di­da­t:in­nen der Linken, Luc Jochimsen, Christoph Butterwegge und Gerhard Trabert, wobei die beiden Letztgenannten nicht Mitglied der Linkspartei sind.

„Wir appellieren an die Träger der Partei, jetzt zu kämpfen“, sagte Bartsch der dpa. Die genannten Ziele könnten gewiss viele in der Partei unterschreiben. Gysi und er hätten aber bewusst nur einige wenige angesprochen. Interessant ist, wer alles nicht dabei ist: Niemand aus der Parteispitze findet sich unter dem Aufruf, ebenso fehlen Bartschs Co-Bundestagsfraktionsvorsitzende Amira Mohamed Ali oder Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow wie auch Linke aus den Landesregierungen in Bremen und Berlin.

In der Linkspartei stößt der Aufruf auf gemischte Resonanz. „Das unterstütze ich vollständig“, twitterte Stefan Gebhardt, der parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion in Sachsen-Anhalt. Es sei ein „wichtiger Appell zur innerparteilichen Mäßigung“, befand Ulrike Eifler, die Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft Betrieb und Gewerkschaft.

Als „eigentümlich“ bezeichnete hingegen die Berliner Linkenchefin Katina Schubert das Papier: „Da rufen Leute mit einer Allerweltsbegründung zu was eigentlich auf?“ Einen Beitrag zur Überwindung der Krise der Linkspartei könne sie darin nicht erkennen, so Schubert, die auch stellvertretende Vorsitzende der Bundespartei ist.

Durchhalteparolen reichten nicht. „Einige der Unterzeichnenden hätten es in der Hand, die Zeit der Disfunktionalität der Bundestagsfraktion zu beenden und mit der Parteiführung sowie den Partei- und den Fraktionsvorsitzenden in den Ländern die Rettung der Linken anzugehen“, sagte Schubert der taz. Damit zielte sie auf die Bundestagsabgeordneten, die das Papier unterzeichnet haben, besonders auf den umstrittenen Fraktionschef Bartsch.

Kritisch äußerte sich auch der Ex-Parteivorsitzende und Bundestagsabgeordnete Bernd Riexinger. Er sei kein Freund von innerparteilichen Aufrufen, zumal es im konkreten Fall unklar sei, an wen er überhaupt adressiert sei. So gebe es in der Parteiführung niemanden, der oder die mit Parteigründungen oder -ausschlüssen liebäugle. „Es gibt nur eine Gruppe mit einer prominenten Person, die öffentlich mit der Gründung einer neuen Partei spekuliert“, sagte Riexinger der taz. „Auf deren Verhalten dürfte der Aufruf keinen Einfluss haben.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • Da wird immer noch versucht zusammenzuahlten, was längst nicht mehr zusammenpasst.



    Ob es jemals passte wurde auch schon angezweifelt, aber das waren andere Konfliktlinien als heute.

    Die Trennung vollzieht sich doch momentan schon mit den Füßen. Aber formal will sie niemand aussprechen.

  • Diese ganze Debatte um Spaltung erspart der Partei Die LINKE ene Debatte darüber, weshalb sie weiter bestehen sollte - Parlametarischer Arm? Wenn ja, für welche Inhalte? Dieses ewige Einheitsgejammer und die Reduzierung der Probleme des Link-Seins auf Personalien - gähn. Es fehlt eine politische Debatte in Deutschland - wie auch in den meisten europäischen Staaten, über linke Perspektivein im KI Zeitalter. Das betrifft weit mehr, als diesen Parteiladen, der repräsentiert heute weder "die Linke" in Gesamt-Deutschland - wie einst die DKP vor 1989 in der BRD - vom DDR-Nomenklaturstaat ganz zu schweigen.

  • Die Linkspartei sollte sich eimal kritisch mit der zunehmenden Rolle der Medien



    auseinandersetzen und daraus ihre Konsequenzen ziehen. Diese sollten alle Parteimitglieder dann auch umsetzen.



    Sich vor sich hertreiben lassen, sollte beendet werden. Für die Linkspartei gibt es in unserem Land viel zu tun!!

    • @KielerSprotte:

      Ja klar. Wenn sich Mitglieder einer Partei, wo sie nur können, in der Öffentlichkeit gegen die Parteirichtlinie positionieren, kaum eine Talkshow dafür auslassen und kurz vor der Wahl Bücher veröffentlichen, die mit der eigenen Partei abrechnen sind sie Opfer "der Medien", die sie "vor sich hertreiben".

      Offene Briefe, eigene YouTube Kanäle, Öffentliches Flirten mit der Querfront. Alles nur herbeigeschrieben von den bösen Journalisten.



      Sinkende Wahlergebnsisse? Massive Parteiaustritte? Abwendung der eigenen Parteijugend? Alles nur eine Kampagne.

      Für DIESE Linkspartei gibts auf überregionaler Ebene bald gar nichts mehr zu tun.

  • 6G
    669197 (Profil gelöscht)

    Die deutsche Linke hatte schon immer das Problem, dass sie neidisch mit damit umging, dass einzelne aus der Führung populärer als andere auftraten. Im Grunde war es auch der Anfang von Ende, als Marina Weisband von den den Piraten permanent von den Sendern geladen wurde. Parteiinternes Mobbing aus dem linken Lager war die Folge.

    Die Partei „die Linke“ wurde traditionell vor allem von den „alten, weißen Männern“ gewählt, d.h. hatte bei Männern über 60 die höchsten Zuspruchsraten. Da passe es einfach nicht, die Partei mit einer Frauenquote zu führen, wie es bis vor kurzem mit dem weiblichen Duo der Fall war, das ein Drittel der linken Wähler verlor.

    Mit pubertären Aktionen wie mit der Blumenstraußaktion im Thüringer Landtag gewinnt man keinen Krieg.

    Hinzu kommt, dass die Linke noch keine Antwort auf das inzwischen scheinbare, soziale Profil der übrigen Parteien hat. Die SPD hat die Linke inzwischen indirekt geschluckt. Ideologisch.

  • Wäre eine Putin-unterstützende Wagenknecht-Partei denn links? Mir fällt ein F-Wort ein.

  • Ohne echt Vision für die Zukunft, ohne Plan, wie man den verlotterten Laden zusammenhalten soll. Ohne Mumm, den offensichtlich unvermeidbaren Cut zu machen und Wagenknecht die Tür zu zeigen. Wie weit nach unten soll die Kurve denn noch zeigen,. wieviel Mitglieder will man denn noch verlieren?

    Bartsch ist die personifizierte Führungsschwäche. Kein Wunder, dass Blitzbirne Riexinger ihm sofort in den Rücken fällt.

    "Kampf für Gerechtigkeit und Frieden, Solidarität, Gerechtigkeit, Gleichberechtigung, blabla." Wachsweiche Allgemeinplätz, den wohl jeder linke Stuhlkreis auf der Welt zum Selbstverständnis hat.



    Glaubwürdigkeit ist das Zauberwort. Und die gewinnt man nicht mit einer Warnung vor einer Spaltung, die längst offensichtlich vorhanden ist und die von den treibenden Kräften nicht für voll genommen wird.

  • Inhaltsfreies Statement wie mir scheint. Ist ja geradezu ein Aufruf eine neue Partei zu gründen die Inhalte bietet. Wenn es denn welche gäbe von Links. Seit Jahren schon nix mehr, ich weiß.

  • Genau dieser Aufruf zeigt, diese Linkspartei braucht niemand.