Krise der Big-Tech-Konzerne: Wie wär’s mal mit Lösungen?
Tech-Konzerne wie Meta sind in der Krise, weil ihnen nichts Disruptives mehr einfällt und sie neue Probleme schaffen. Es ist Zeit für eine neue Generation von Gründer:innen.
D er Eintritt ins Metaverse ist gerade noch einmal teurer geworden. 1.500 US-Dollar kostet das neueste Modell der Virtual-Reality-Brille, die der Meta-Konzern im Oktober vorgestellt hat. Und eine Virtual-Reality-Brille ist nötig, will man sich im Metaverse bewegen, kommunizieren, spielen, teilhaben. Es geht natürlich auch billiger, ältere Brillenmodelle sind schon ab etwa 400 US-Dollar zu haben. Doch die Illusion, sich in einer realen digitalen Welt zu bewegen, die das Metaverse schaffen soll, ist eben umso erreichbarer, je leichter, bequemer und leistungsfähiger die Brille ist.
Etwa ein Jahr her ist es, dass Facebook-Gründer Mark Zuckerberg das Metaverse als nächstes großes Ding vorgestellt hat. Konsequenterweise ließ er die Ankündigung damals als Avatar performen. Doch weil das gesamte Setting eher wie Second Life anmutete, was so etwas wie der gescheiterte Vorgänger der Metaverse-Idee war, hagelte es damals eher Spott als anerkennendes Kopfnicken.
Was seitdem passiert ist (nicht chronologisch): Der Facebook-Konzern hat sich in Meta umbenannt, Elon Musk hat Twitter gekauft und ins Chaos gestürzt, die US-Notenbank hat massiv den Leitzins erhöht, Putin ließ die russische Armee in die Ukraine einmarschieren, in den USA schmieren die Börsenkurse der Tech-Konzerne ab. Die Unternehmen, von Meta bis Amazon, entlassen spontan und reihenweise Mitarbeitende.
Zwischen einigen dieser Ereignisse lassen sich Verbindungslinien ziehen. Etwa zwischen dem steigenden Leitzins und den fallenden Kursen: Werden konventionelle Geldanlagen durch steigende Zinsen wieder interessanter, sind Aktien mit all ihren Risiken eben weniger attraktiv. Die Krise der Tech-Branche ist also nicht nur hausgemacht. Dennoch stellt sich die Frage: Platzt hier gerade eine Blase? Für eine Antwort ist es naturgemäß noch zu früh – aber ist es dennoch Zeit, um eine erste Bilanz des Big-Tech-Business zu ziehen und zu fragen: Wie könnte es nach dieser Krise weitergehen?
Es fehlt an Innovationskraft
Bleiben wir kurz bei Meta. Der neue Name sollte auch ein Signal der Neuerfindung sein: Seht her, wir lassen die Krisen der vergangenen Jahre – unter anderem Probleme mit dem Datenschutz, manipulative Wahlwerbung und Hassreden – hinter uns und stellen uns auf für die Zukunft. Das Signal sollte einerseits an die Aktionär:innen gehen, andererseits aber auch an die Öffentlichkeit. Denn zwar hat der Konzern nicht nur das alternde Facebook, sondern auch jüngere Dienste wie Instagram und Whatsapp im Portfolio.
Doch die weltweit am meisten heruntergeladene App ist mittlerweile Tiktok. In Deutschland nutzen in der Altersgruppe der 16- bis 19-Jährigen knapp drei Viertel die Plattform. Meta hat also ein Nachwuchsproblem. Und es sieht gerade nicht danach aus, als wäre das Metaverse, das Meta zudem nicht exklusiv hat, die Lösung. Das Wall Street Journal berichtete jüngst über interne Dokumente, wonach sich in den virtuellen Meta-Welten gerade einmal 200.000 regelmäßige Besucher:innen aufhalten.
Es ist kein Geheimnis, dass große, etablierte Konzerne eher Ozeandampfern ähneln: stark und mächtig, doch wenig manövrierfähig. In der Wirtschaft geht diese Manövrierfähigkeit aber Hand in Hand mit Innovationskraft. Zumindest wenn man Innovation im Sinne von Disruption versteht, also Erfindungen oder Entwicklungen, die eine Branche oder eine Gesellschaft entscheidend verändern.
Die Welt braucht Lösungen für echte Probleme
Die Erfindung des Smartphones war in jüngerer Zeit eine solche Disruption, die Entwicklung von Streamingdiensten oder die Digitalfotografie. Um die mangelnde Disruptionsfähigkeit auszugleichen, greifen die Großen auf bewährt Handlungsmöglichkeiten zurück: Sie kaufen kleine, innovative Unternehmen auf, um deren Wissen und Erfindungen ins eigene Haus zu holen. Als praktischer Nebeneffekt ist damit noch ein potenzieller Konkurrent ausgeschaltet. Meta, damals noch Facebook, hat so in der Vergangenheit Instagram und Whatsapp gekauft.
Doch die Disruptionen der Vergangenheit müssen nicht die der Zukunft sein. Womöglich ist die Krise zum Teil auch auf eine Erkenntnis zurückzuführen, die nach und nach ins Bewusstsein gerät: Die Welt braucht nicht noch eine weitere technische Disruption, die neue Bedürfnisse kreiert und gleichzeitig neue Probleme schafft. Sie braucht Lösungen für echte, aktuelle Probleme.
Denn bislang ist es doch so: Big Tech hat durchaus für Fortschritte gesorgt. Aber mit diesen Fortschritten auch leider immer mehrere neue Probleme geschaffen, die dann ungelöst blieben. Amazon zum Beispiel hat viel für den Verbraucherschutz beim Online-Einkauf getan. Leider auf Kosten von Logistik-Mitarbeiter:innen, kleinen Händlern und der Privatsphäre der Kund:innen. Google hat mit seiner Suchmaschine den Zugang zu Informationen im Netz auf eine neue Stufe gehoben.
Big Tech sollte den Weg freimachen für eine neue Generation
Und nun ein derart weit verzweigtes Unternehmenskonglomerat, dass digitales Leben, von dem keine Daten an den Konzern fließen, nahezu unmöglich ist. Facebook mit seiner weltweiten Vernetzung von Menschen und dem Potenzial, das sich für Bewegungen ergibt – großartig. Aber die Persönlichkeitsprofile, die massiven Probleme durch algorithmische Entscheidungen, durch Hass und Hetze – ungelöst.
Was zu der Frage führt: Welche gesellschaftlichen Probleme lösen die Big-Tech-Unternehmen eigentlich? Haben sie irgendwelche konstruktiven Antworten auf die dringenden gesellschaftlichen Fragen? Auf den Klimawandel? Überkonsum? Die Krise der Demokratie? Antibiotikaresistente Keime? Verlust der biologischen Vielfalt? Die Schere zwischen Arm und Reich? Um nur mal eine kleine Auswahl zu nennen.
Das ist die Chance der aktuellen Situation: Den Weg frei zu machen für eine neue Generation von Gründer:innen, die genau solche Antworten finden. Produkte und Dienstleistungen, die Probleme lösen. Die Bedürfnisse befriedigen, statt neue zu kreieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!