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Kriegsverbrechen im NahostkonfliktWeltstrafgericht ermittelt

Der IStGH hat Ermittlungen zu möglichen Kriegsverbrechen beider Seiten in den Palästinensergebieten eingeleitet. Scharfer Protest kommt aus Israel.

Chefanklägerin Fatou Bensouda am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag Foto: Bas Czerwinski/ap

Den Haag dpa | Die Anklage des Internationalen Strafgerichtshofes hat offiziell Ermittlungen zu Kriegsverbrechen in den Palästinensergebieten eingeleitet. Das teilte Chefanklägerin Fatou Bensouda am Mittwoch in Den Haag mit.

Einzelheiten zu den Ermittlungen – wie etwa mögliche Verdächtige – nannte sie nicht. Das werde zu einem späteren Zeitpunkt entschieden. Alle Ermittlungen würden „unabhängig, unparteiisch und objektiv“ ausgeführt. Betroffene rief Bensouda zu Geduld auf. Ermittlungen benötigten Zeit.

Die Anklage hatte früher festgestellt, es gebe den begründeten Verdacht für Verbrechen, begangen von „Mitgliedern der israelischen Armee, israelischen Behörden, Hamas und palästinensischen bewaffneten Gruppen“. Untersucht werden sollen Vorfälle ab Mitte Juni 2014, also unter anderem der Gaza-Krieg vom Sommer 2014.

Die Ermordung jüdischer und arabischer Jugendlicher sowie andauernder Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen hatte damals eine Gewaltspirale in Gang gesetzt. Während 50-tägiger Kämpfe wurden 2.250 Palästinenser und mehr als 70 Israelis getötet. Amnesty International warf beiden Seiten Kriegsverbrechen vor.

Protest aus Israel

Vertreter Israels verurteilten das Vorgehen am Mittwoch scharf. Präsident Reuven Rivlin sprach von einem skandalösen Schritt. „Wir werden keine Beschwerden gegen die Ausübung unserer Rechte und unsere Verpflichtung zur Verteidigung unserer Bürger dulden.“ Außenminister Gabi Aschkenasi nannte die Entscheidung eine Bankrotterklärung.

Die Palästinensische Autonomiebörde (PA) und ein Hamas-Vertreter begrüßten hingegen die Entscheidung. Das PA-Außenministerium sprach von einem lange erwarteten Schritt. Die Behörde sei bereit zur Kooperation und werde jede nötige Unterstützung leisten. Ein Vertreter der im Gazastreifen herrschenden, islamistischen Hamas rief das Gericht auf, gegen jedweden möglichen Druck standhaft zu bleiben.

Das Gericht hatte im Februar festgestellt, dass es auch für die seit 1967 besetzten Gebiete wie das Westjordanland, einschließlich Ost-Jerusalem, und den Gazastreifen zuständig sei. Israel erkennt den Strafgerichtshof nicht an. Palästina ist seit 2015 Vertragsstaat des Weltstrafgerichtes.

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11 Kommentare

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  • 9G
    91655 (Profil gelöscht)

    Eine ehemalige Ministerin aus Gambia ! Super !

    • @91655 (Profil gelöscht):

      Ja, das finde ich auch gut.



      Bis gespannt, ob Israel ggn. den IStGH auch das Antisemitismus-Argument auspackt. Wer den den IStGH ablehnt , wie auch u.a. die USA, ist nicht automatisch böse - er ist nur gegen Gleichheit vor dem Gesetz und gegen Menschenrechte für alle.

    • @91655 (Profil gelöscht):

      Was ist denn an Gambia schlecht? Wollen Sie gerade diskriminieren, jemanden aufgrund seiner Herkunft? Wer darf Ihrer Meinung nur Chefankläger*in sein? Oder muss es gar nur ein Mann sein, jemand aus dem "Westen", oder lieber mit entsprechender Vita aka Religion?



      Waren Sie auch gegen die Intervenierung zu den Afghanistan-Kriegen und den Menschenrechtsverletzungen der beteiligten Kampfverbände, auch die der USA (welche prompt Bensouda angriffen)?

      Dabei schreiben Sie selbst: "Afghanistan. Menschenverachtende Werte und Bürgerkrieg seit Jahrhunderten. Es ist zum Heulen." Also da ist es gut das Bensouda aktiv wird, im Nahost-Konflikt nur nicht?

      • @Daniel Drogan:

        An Gambia ist zum damaligen Zeitpunkt schlecht, das es eine Militärdiktatur war, als Frau Bensouda dort Justizministerin und Generalstaatsanwältin war.

        Die SZ hat das mal zusammengefasst.

        "Ihre Geschichte ist nicht die romantische einer Menschenrechtlerin reinen Herzens, die es nach ganz oben geschafft hat; sondern die einer Ex-Justizministerin, was in Gambia gleichbedeutend ist mit Generalstaatsanwältin. Sie herrschte über alle Anklagen; auch gegen Oppositionelle.

        Es war eine Zeit in den 1990er-Jahren, als sich gerade ein junger Offizier an die Macht geputscht hatte, Yahya Jammeh. Und man kann der Juristin Bensouda zugutehalten, dass ihre Ernennung zur Ministerin in die Anfangszeit fiel, als dieser Offizier noch für Integrität und Modernität stand. Man kann ihr indes anlasten, dass sie blieb - auch als der Offizier sich wandelte. Amnesty International begann bald, von politischen Gefangenen, Folter und mysteriösen Todesfällen unter Regimekritikern zu berichten."

        www.sueddeutsche.d...iografie-1.5019451

        Allerdings greift dieses argumentum ad hominem da nur sehr eingeschränkt.

        Es ist eben in der Konstruktion der UN und ihrer Organisationen so angelegt, das Posten mit Leuten aus allen Mitgliedern besetzt werden soll. Aber eine Mehrheit der Mitglieder sind eben unfreie oder nur teilweise freie Staaten.

        freedomhouse.org/c...edom-world/scores?

        • @Sven Günther:

          "Es ist eben in der Konstruktion der UN und ihrer Organisationen so angelegt, das Posten mit Leuten aus allen Mitgliedern besetzt werden soll. Aber eine Mehrheit der Mitglieder sind eben unfreie oder nur teilweise freie Staaten."



          Schade das Sie meiner Frage an sharp ebenso aus dem Wege gehen. Wer sonst dürfte am Internationalen Strafgerichtshof denn Ihrer Meinung "befähigt" genug sein, gegen ALLE im besten Falle (wir wissen ja das dem ja nicht so ist) Anklage zu erheben?

          Komisch das die "keine strahlende Moralistin"-Keule erst jetzt kam, als sie die Amerikaner mit bei Verstößen in Afghanistan angeklagt hat und nun Israel im Konflikt mit den Palästinensern und Teile des Libanons (wahrscheinlich auch). Da drängt sich mir eine Frage auf. Waren die anderen Klagen denn dann auch nicht gut, oder nur jetzt weil es Teile des Westens ebenso trifft? Also doch wieder nur double standards?

          • @Daniel Drogan:

            Wozu dann die ganzen Untersuchungen? Dann hält man Israel einfach eben für keinen "strahlenden Moralisten".

          • @Daniel Drogan:

            Wo jemand herkommt oder was für eine Religion er hat, ist mir persönlich scheißegal.

            Wer aber Ministerposten in einer Militärdiktatur inne hatte, ist für mich für solche Posten eigentlich nicht wählbar.

            Aber Frau Bensouda Amtszeit ist sowieso fast zu Ende und am 16. Juni wird Karim Khan neuer Chefankläger.

            "Da drängt sich mir eine Frage auf. Waren die anderen Klagen denn dann auch nicht gut, oder nur jetzt weil es Teile des Westens ebenso trifft?"

            So viele andere Klagen gab es ja gar nicht. Der ICC hat in 18 Jahren 13 Urteile hinbekommen, 9 mal schuldig, 4 mal unschuldig und die Schuldsprüche konnte er nicht einmal alle durchsetzen, Umar al-Baschir ist, obwohl er schuldig gesprochen wurde jahrelang durch Afrika gereist und keiner hat ihn festgenommen.

            Und es ist nun einmal ein Fakt, das er gegen die Starken schwach und gegen die Schwachen stark ist. Natürlich ist das ein Doppelstandard, aber man kann auch nur die Machtmittel einsetzen die man hat, alles andere ist Träumerei. Ich frage mich da immer, was man von der UN und ihren Organisationen erwartet!

            Aber nochmal zu Frau Bensouda. 2020 gab es den Goldstone Bericht zum ICC, das ist übrigens genau der gleiche südafrikanische Richter, der damals den Gaza Report geschrieben hat.

            Was da drinsteht ist verheerend. Es herrsche im ICC eine Kultur der Angst und des Misstrauens. Schlechte interne Zusammenarbeit, zu bürokratisch, unflexibel und risikoavers.



            Führungskräfte, die schlecht in der Mitarbeiterkommunikation sind, die keine Verantwortung übernehmen etc.

            Und das Schlimmste, Berichte über Mobbing und sexuelle Belästigung.

            www.irishtimes.com...-the-icc-1.4386354

            Wenn deinem Laden so ein Zeugnis ausgestellt wird, bist du keine geeignete Führungskraft, gibt es für mich nichts zu diskutieren.

            • @Sven Günther:

              Ich finde es ja immer sehr amüsant, darüber zu sprechen was immer NICHT geht. Das ist ja immer so schön einfach. Aber wieder einmal scheitern Sie allein schon daran zu sagen, wer denn überhaupt für Sie allein möglich wäre. Welche "Qualifikationen" Sie akzeptieren würden? Jetzt bekommen wir einen Briten, gut schön. Die Briten haben ebenso im Irak-Krieg und so nicht gerade mit Glanz versehen. Also ist der Mensch ja auch eigentlich schon unten durch, oder? Er war zwar nicht mehr oder weniger involviert. Aber wer weiß. die Stimme hat er ja auch nicht dagegen erhoben, oder? ;)

              13 Urteile in 18 Jahren, gegen führende Personen finde ich jetzt nicht so schlecht. Wir schaffen es in Deutschland, in dem Zeitraum nicht mal die Cum-Ex und ähnliche Fälle, NSU, oder sonstiges vollumfänglich vor Gericht zu erörtern. So what? Was soll das Vergleichsobjekt hierbei sein.

              Ich würde mir auch wünschen das da viel häufiger Menschenrechtsverstöße vors Gericht kommen. Aber am Ende muss man damit leben, zu welchen man überhaupt eine Aktion hinbekommt. Ohne von außen Druck zu bekommen, wie im Afghanistan-Fall durch die Amerikaner, oder jetzt im Nahost-Konflikt-Fall mit USA und Israel. Es sind eine der wenigen wo auch Teile des Westens mal zumindest zu Beginn mit in den Ermittlungen drin sind. Ich denke wir werden sehen, am Ende wird deren "Mitverantwortung" sehr sehr klein sein...Wie so oft...

              Das in der Behörde solche Dinge gibt, ist ebenso verwerflich und gehört verfolgt. Deswegen ist doch aber diese Behörde nicht gleich nicht zuständig oder in ihrer Organisation als solches in der Verantwortung. Das würde ja bedeuten, wir schaffen bei uns die Polizei ab, wegen Faschokräften darin, wir schaffen die Bundeswehr ab, wegen den Faschos dadrin, wie schaffen die Gerichte ab wegen Faschos wie Jens Maier von der AfD, wir schaffen den Verfassungsschutz ab wegen Maaßen.



              Man kann auch Maßnahmen ergreifen ohne die Arbeit einzustellen.

              • @Daniel Drogan:

                "Welche "Qualifikationen" Sie akzeptieren würden?"

                Hervorragende Juristen/Jurist, Führungsperson, nicht für Diktaturen gearbeitet, so schwer ist das alles nicht.

                "Die Briten haben ebenso im Irak-Krieg und so nicht gerade mit Glanz versehen. Also ist der Mensch ja auch eigentlich schon unten durch, oder?"

                (...) Nur weil man von sonstwo kommt und die Regierung xy gemacht hat, ist man nicht für solche Ämter ungeeignet. Bei persönlicher Verantwortung sieht es ganz anders aus.

                El-Baradei war ein hervorragender Leiter der IAEO, hätte er als Ägypter den Job nicht bekommen dürfen, weil die Ägypter vor ihrem Beitritt zum zum Sperrvertrag ein Atomprogramm, möglicherweise mit militärischer Komponente hatten? Das ist doch Quatsch!

                "Man kann auch Maßnahmen ergreifen ohne die Arbeit einzustellen."

                Schreib ich doch auch nirgendwo! Es ging ausschließlich darum, was ich von Frau Bensouda als Führungskraft halte.

                Der Kommentar wurde bearbeitet. Hier können Sie unsere Netiquette nachlesen: taz.de/netiquette

                Die Moderation

                • @Sven Günther:

                  Wie nennt man es denn sonst, wenn man qua Nationalität nicht für gewisse Positionen geeignet sein soll?

                • @Sven Günther:

                  *Juristin