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Krieg in der UkraineSelenskyj will Putin treffen

Donald Trump und die fehlende westliche Unterstützung setzen die Ukraine unter Druck. Erstmals signalisiert Selenskyj Bereitschaft für ein Treffen.

Präsident Selenskyj wäre im Notfall bereit, direkt mit Präsident Putin zu verhandeln Foto: Ukraine Presidency/ZUMA Press Wire/imago

Berlin taz | Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj würde sich mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin an einen Tisch setzen, wenn das die einzige Möglichkeit sei, um den seit fast drei Jahren andauernden Krieg zu beenden. Das sagte Selenskyj in einem Interview mit dem britischen Journalisten Piers Morgan, das seit Dienstag auf YouTube verfügbar ist.

„Wenn die Leute glauben, dass wir den diplomatischen Weg einschlagen müssen, und ich glaube, dass wir dazu bereit sind, dann müssen die USA, Europa, die Ukraine und Russland dabei sein. Er werde zu Putin nicht freundlich sein, denn er betrachte ihn als Feind, aber das gelte umgekehrt genauso, sagte Selenskyj. Seinen Angaben zufolge sei Kyjiw derzeit nicht in der Lage, die von russischen Truppen besetzten Gebiet zurückzuerobern, dafür reiche die Unterstützung der westlichen Partner nicht aus.

Die Anzahl getöteter ukrainischer Soldaten gab Selenskyj mit 45.000 an. Die tatsächliche Opferzahl dürfte weitaus höher liegen. Nach Schätzungen westlicher Geheimdienste seien seit dem 24. Februar 2022 bis zu 100.000 Ukrainer sowie mehr als doppelt so viele auf russischer Seite gefallen.

Selenkyjs Interview dürfte vor allem dem wachsenden Druck vonseiten der USA geschuldet sein, endlich zu einer Verhandlungslösung zu kommen. Präsident Donald Trump, angeblich bereits in konstruktiven Gesprächen mit dem Kreml, sagte unlängst, er sei bereit, mit Putin über einen Waffenstillstand zu verhandeln. Dessen Sondergesandter für die Ukraine, Keith Kellog, der eigentlich bereits im Januar nach Kyjiw hatte reisen wollen, sagte am vergangenen Wochenende, dass für eine Einigung beide Seiten Konzessionen machen müssten.

Kellog fordert Wahlen in der Ukraine

Für Aufregung in Kyjiw gesorgt hatten Kellogs Forderung, in der Ukraine zeitnah Wahlen abzuhalten. „In den meisten Demokratien finden Wahlen auch während eines Krieges statt. Ich halte das für wichtig. Ich glaube, es ist gut für die Demokratie“, sagte Kellog. Damit betet er ein russisches Narrativ nach.

Aus Moskau heißt es, Selenskyj sei kein legitimer Präsident. Legitimität der ukrainischen Führung sei jedoch für einen Friedensschluss unabdingbar. In der Tat ist Selenskyjs Amtszeit im vergangenen Jahr abgelaufen. Da in der Ukraine jedoch nach wie vor Kriegsrecht herrscht, sind Wahlen schon rein rechtlich nicht möglich. Auf eine weitere Gefahr weist der Schriftsteller und Politanalyst Sergej Postolowski hin.

„Wir können die Möglichkeit nicht ausschließen, dass Russland versuchen wird, einen bestimmten, mit Amerika abgestimmten Kandidaten durchzudrücken“, schreibt er in einem Meinungsbeitrag für das ukrainische Nachrichtenportal Novoje Vremja. „Putin wird versuchen, Trump seinen Kandidaten aufzu­zwingen.“

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5 Kommentare

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  • Zitat: "Auf eine weitere Gefahr weist der Schriftsteller und Politanalyst Sergej Postolowski hin: „Wir können die Möglichkeit nicht ausschließen, dass Russland versuchen wird, einen bestimmten, mit Amerika abgestimmten Kandidaten durchzudrücken“, schreibt er in einem Meinungsbeitrag für das ukrainische Nachrichtenportal Novoje Vremja. „Putin wird versuchen, Trump seinen Kandidaten aufzu­zwingen.“

    Das stinkt regelrecht nach Georgien 2.0 und danach, daß Putin glaubt, Trump und seine Entourage wären ob ihrem Wahn, den amerikanischen Regierungsapparat zu demontieren, bald kaum noch in der Lage, einen von Putin "vorgeschlagenen" Kandidaten einzuschätzen. Zumal Trump in seiner ersten Amtszeit von den Ratschlägen der Dienste ja ohnehin nichts gehalten habe. Der werde schon zum Treffen kommen wie ein Schuster.

  • Natürlich ist das russische Narrativ, was jetzt auch teilweise von Amerika übernommen wird, nämlich die Legitimität von Selenskyis Präsidentschaft in Frage zu stellen Blödsinn. Selenskyi wird vermutlich von den USA als Hinderniss gesehen. Selesnkyi hat große unrealistische Ankündigungen und Versprechen gemacht, die er brechen müsste bei Friedensverhandlungen. Und warum sollte Selesnkyi " politischen Selbstmord" begehen? Da wäre es natürlich einfacher einen ukrainischen Präsidenten zu haben, der für realistische Ziele steht. Natürlich wäre es wünschenswert, wenn in Russland einfach der Präsident ausgetauscht werden würde, aber solche Wunschvorstellungen haben nichts mit der Realität zu tun.



    Europa hätte in den ersten Monaten noch eine Möglichkeit gehabt auf diplomatischer Ebene eine Lösung zu finden. Jetzt wird der "Frieden" zwischen Moskau und Washington verhandelt.



    Ich wage die Prognose, dass ein Frieden, den Europa ausgehandelt hätte, weniger Zugeständnisse von der ukrainischen Seite bedeutet hätte. Aber vielleicht irre ich mich ja und Trump verbringt ein Wunder.

    • @Alexander Schulz:

      Realistische Ziele sind Krieg und Landraub?



      Wenn ja - Viel Spaß für die Zukunft der noch freien Welt.

  • Was bleibt ihm schon übrig?

    • @Earl Offa:

      Weitermachen wie bisher und hoffen durchzuhalten, bis bzw dass sich die Verhältnisse im Westen oder Russland zu seinen Gunsten ändern.



      Völlig unmöglich ist das nicht, aber halt sehr viel höher gepokert.