Krieg in der Ostukraine: Hilfskonvoi aus Moskau unerwünscht
Die Regierung in Kiew will auf keinen Fall, dass 280 russische LKWs in die Ukraine gelangen. Nahe Lugansk toben heftige Kämpfe zwischen Militär und Separatisten.
![](https://taz.de/picture/97305/14/KonvoiRusslandOstukraine.jpg)
KIEW afp/dpa | Ungeachtet der Warnungen des Westens vor einem einseitigen Vorgehen hat Russland einen Konvoi mit Hilfsgütern in Richtung Ukraine geschickt. Russischen Medienberichten vom Dienstag zufolge starteten 280 Lkw in Richtung der umkämpften Gebiete in der Ostukraine. Kiew erklärte, der Konvoi dürfe keinesfalls auf ukrainisches Territorium, etwaige Hilfsgüter müssten an das Rote Kreuz übergeben werden.
Wie die Nachrichtenagentur RIA Nowosti berichtete, starteten die Transporter am frühen Morgen von der russischen Militärbasis Alabino im Südwesten Moskaus, nach dem sie von einem russisch-orthodoxen Priester gesegnet worden waren. Demnach soll der Konvoi am Mittwoch die Grenze zur Ukraine erreichen. Die etwa 2000 Tonnen Hilfsgüter waren nach russischen Medienberichten von Einwohnern Moskaus und Umgebung gesammelt worden.
Der Sprecher des russischen Präsidenten Wladimir Putin, Dmitri Peskow, sagte, die Lastwagen seien „ohne militärische Eskorte“ unterwegs. Rund um den Konvoi waren keine Militärfahrzeuge zu sehen, lediglich weiße Lastwagen ohne Nummernschilder und zum Teil mit roten Kreuzen versehen.
Die ukrainische Präsidentschaft schloss am Dienstag jedoch aus, dass die russischen Lkws die Grenze passieren dürfen. „Wir erachten die Fahrt russischer Konvois über ukrainisches Territorium als unmöglich“, erklärte ein Vertreter des Präsidialamtes in Kiew. Die russischen Lieferungen könnten aber an der ukrainischen Grenze an das Roten Kreuze übergeben werden, damit dieses die Lieferungen übernimmt. Zudem werde die ukrainische Regierung nicht akzeptieren, dass russische Soldaten oder Mitarbeiter des russischen Ministeriums für Katastrophenhilfe die Auslieferung begleiten.
Zwar hat sich das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) tatsächlich angeboten, die Hilfsgüter zu den Menschen in die umkämpften Gebiete zu bringen. Doch nach Angaben des IKRK hat Russland bislang keine Angaben zu Art und Umfang der Hilfslieferungen gemacht. Zudem fehlten die Sicherheitsgarantien der Konfliktparteien, um eine Verteilung von Hilfsgütern zu ermöglichen, sagte eine Sprecherin der Organisation in Genf.
Konvoi könnte nur Vorwand sein
Nach Angaben des Élysée-Palasts telefonierte Frankreichs Präsident François Hollande wegen der jüngsten Entwicklungen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Beide sähen die Lage in der Ukraine genau gleich, „insbesondere hinsichtlich der Bedingungen einer wirklichen humanitären Mission“, teilte der Elysée-Palast mit. Hollande hatte zuvor in einem Telefonat mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin seine Warnungen vor einseitigen Hilfslieferungen ohne die Zustimmung Kiews erneuert.
Frankreichs Außenminister Laurent Fabius hatte im Gespräch mit dem Radiosender France Info die Sorge geäußert, dass der humanitäre Konvoi nur „ein Vorwand“ Moskaus zur Unterstützung der prorussischen Separatisten in der Ostukraine sein könnte.
In der Ostukraine bekämpfen sich seit Monaten Regierungstruppen und Aufständische, die sich vor allem in den selbsterklärten „Volksrepubliken“ Donezk und Lugansk verschanzt halten. Die Menschen in der Region leiden infolge der Gefechte auch unter mangelnder Strom- und Wasserversorgung. Nach Donezk wollte die ukrainische Armee am Dienstag auch Lugansk militärisch einkesseln. Kiew wirft der Regierung in Moskau vor, die Separatisten mit Waffen und Kämpfern zu unterstützen, die heimlich über die Grenze eingeschleust würden. Nach UN-Angaben sind in den vergangenen vier Monaten etwa 1300 Menschen getötet worden. Fast 300.000 Menschen wurden demnach vertrieben.
Rada verabschiedet Sanktionspaket
Unterdessen eroberte die ukrainische Armee eine wichtige Verbindungsstraße zwischen Gorlowka und Donezk. „Das Militär setzt dort Artillerie und Luftwaffe ein“, sagte der Armeeexperte Dmitri Tymtschuk in Kiew. Auf beiden Seiten habe es Tote und Verletzte gegeben. Die prorussischen Aufständischen bestätigten den Geländegewinn der Regierungstruppen in der Region.
Beide Seiten berichteten auch von schweren Kämpfen um die Ortschaft Miussinsk nahe Lugansk. Die Armee kontrolliere dort weiter die Hauptverbindungswege, sagte Tymtschuk. Ebenso umkämpft sei Ilowaisk südöstlich der Separatistenhochburg Donezk, die ebenfalls unter Beschuss stand.
Malaysische Experten sollen nun erneut die Absturzstelle des mutmaßlich abgeschossenen Passagierflugzeugs MH17 in der Ostukraine untersuchen. Die Oberste Rada in Kiew nahm ein entsprechendes Abkommen zwischen Malaysia und der Ukraine am Dienstag mit 311 Stimmen an. Damit können sich die Spezialisten aus dem asiatischen Land den Experten aus den Niederlanden und Australien anschließen, die das Unglück vom 17. Juli untersuchen. An Bord der Maschine der Malaysia Airlines waren 298 Menschen, alle kamen ums Leben.
Die Rada hat zudem ein Sanktionspaket gegen Russland in erster Lesung verabschiedet. Die Oberste Rada nahm eine von Premier Arseni Jazenjuk vorgelegte Liste von 65 Firmen und 172 Einzelpersonen aus Russland und anderen Staaten am Dienstag an. Unklar war zunächst, ob Strafmaßnahmen die Energieunternehmen Gazprom und Transneft betreffen. Dies könnte einen Stopp russischer Öl- und Gaslieferungen nach Westeuropa zur Folge haben. Die EU hatte das wichtige Transitland vor einem solchen Schritt gewarnt. Die Oberste Rada könnte noch am Dienstag in zweiter Lesung über das Gesetz entscheiden. In erster Lesung stimmten 238 der 338 Abgeordneten zu.
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