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Krieg in VideospielenStell dir vor, es ist Krieg und niemand spielt mit

Die Bundeswehr versucht, Game­r:in­nen anzulocken. Das liegt auch daran, dass sich Videospiele zu selten mit der brutalen Realität von Krieg befassen.

Stand der Bundeswehr auf der weltgrößten Computerspielmesse Gamescom im Jahr 2018 Foto: Christoph Hardt/Future Image/imago

W ir werfen so, mit einem Bein nach vorne, die Granate hier unten am Bein, dann die Hand nach vorne, wo man treffen will. Und dann …“, sagt der Soldat und schmeißt die Granaten­attrappe lässig über den Übungsplatz. Neben ihm im Schützengraben machen es ihm Leute nach. „Huiii!“, sagt eine junge Frau. Eine Reportage von Spiegel-TV zeigt diese Szene vom Tag der offenen Tür beim Gefechtsübungszentrum Heer in Schnöggersburg Mitte Mai.

Hahaha, lustig, Granaten werfen, welch ein Spaß. In den Panzer klettern darf man auch. „Ich mache das nicht, weil ich das, was vor mir liegt, hasse, sondern weil ich das, was hinter mir liegt, liebe“, erklärt später ein anderer Soldat. Er, der Granatenwerfer und die meisten Videospiele, die sich um Krieg drehen, haben eines gemeinsam: Sie zeigen das Leid nicht.

Wen würde die Granate treffen? Wer ist es, den ich zwar nicht hasse, aber auch nicht so liebe wie das hinter mir? Welchen Schaden würden die Armeen anrichten, die ich im Videospiel übers Schlachtfeld jage? Wer würde die Feinde betrauern, die ich im Ego-Shooter-Modus abknalle?

Krieg spielen ist nicht per se verwerflich. Die Menschheit spielt schon ewig Krieg: mit Schachfiguren oder Zinnsoldaten – und heutzutage mit digitaler Knarre im virtuellen Schlachtfeld. Kriegsstrategiespiele oder Ego-Shooter sind eine logische digitale Fortsetzung der analogen Spiele. Sie sind – genau wie Rennspiele – eine Art von Wettkampf, bei dem es um Taktik und Schnelligkeit geht. Worum es dabei nicht geht: zu erfahren, wie sich echter Krieg anfühlt.

Bundeswehr nimmt Game­r:in­nen ins Visier

Das hat die Bundeswehr aber wohl noch nicht kapiert. Sie sieht in Game­r:in­nen ein gefundenes Marketingfressen. Bundeswehreinsätze im Katastrophen- oder Kriegsgebiet haben zwar nichts mit Spiel und Spaß zu tun. Trotzdem hat die Armee jedes Jahr auf der größten Spielemesse Deutschlands – der Gamescom – einen eigenen Stand. Nachhaltig negativ beeindruckt hat auch eine Kampagne von 2018, als die Bundeswehr mit den Slogans „Multiplayer at its best!“ und „Mehr Open World geht nicht!“ geworben hat.

Dieses Anbiedern traf auf Entsetzen und Spott. Im Krieg kann man nicht auf Stopp drücken, nicht neu starten, wenn man stirbt, und die Geg­ner:in­nen sind keine seelenlosen Bots, sondern Menschen. Dass die Bundeswehr diese Realität als Spiel vermarktet, ist irreführend und lebensgefährlich. Krieg ist tödlich.

Das thematisieren auch Videospiele viel zu selten. Eine der wenigen Ausnahmen: „This War of Mine“, in dem eine Gruppe von Menschen in einer zerbombten Stadt zu überleben hofft. Das Spiel ist ein gelungener Versuch, Strategie mit der Realität von Krieg zu vereinen: Wie setze ich die wenigen Ressourcen ein, die es gibt? Mit wem verbünde ich mich? Eine Fehlentscheidung kann den Tod eines Gruppenmitglieds bedeuten.

Spiel „This War of Mine“

Von 11 Bit Studios aus dem Jahr 2014. Ab 18 Jahren. Kostet etwa 6 Euro und ist erhältlich auf den meisten Plattformen, wo es Videospiele gibt.

Die Auseinandersetzung mit dem Leid, das durch Krieg entsteht, ist wichtig: um sich immer wieder zu erinnern, dass man alles daransetzen muss, ihn zu verhindern.

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Alexandra Hilpert
Redakteurin
Hat in Leipzig Journalismus studiert und ist seit 2022 fest bei der taz, aktuell im Online-Ressort als CvD und Nachrichtenchefin. Schreibt am liebsten über Wissenschaft, Technik und Gesellschaft, unter anderem in ihrer Kolumne Zockerzecke.
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9 Kommentare

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  • "This War of Mine" ist zwar kein schlechtes Spiel aber es trifft glaube ich nicht den Punkt beim Thema Kriegspielen, da man dort keine Kombattanten steuert, sondern Zivilisten die sich verstecken und den Winter überleben müssen.

    "Valiant Hearts" oder vor allem "Spec Ops: The Line" wären da bessere Beispiele gewesen. Gerade letzteres setzt den Spieler sehr effektiv mit den Folgen seines Handels auseinander, eben weil es zunächst als klassisches Ballerspiel daherkommt.

  • "Bundeswehreinsätze im Katastrophen- oder Kriegsgebiet haben zwar nichts mit Spiel und Spaß zu tun."

    Ich kann Sie beruhigen: Für den echten Einsatz werden Soldatinnen und Soldaten selbstverständlich anders ausgebildet.

    Und ja, die Bundeswehr wirbt – wie jeder andere Arbeitgeber auch – um Nachwuchs. Das ist legitim.

    Doch ich versichere Ihnen: Wer den Dienst nur als Spiel betrachtet, wird sehr schnell erkennen, dass die Realität anders aussieht – und die Truppe meist ebenso schnell wieder verlassen.

    Denn 30 Kilometer zu marschieren ist etwas völlig anderes, als sich mit W, A, S und D über den Bildschirm zu bewegen.

  • Seit die US Militärführung im ersten Krieg gegen den Irak Bilder ihrer "chirurgischen Einschnitte" in der Art von Videospielen veröffentlicht hat, ist diese Art von Propaganda bei Militärs weltweit sehr beliebt. Sie lassen das Gemetzel als harmloses Spiel erscheinen. Die Wahrheit, die dahinter steckt, soll verschleiert werden. Ist also kein Versäumnis, sondern volle Absicht.

  • "Die Auseinandersetzung mit dem Leid, das durch Krieg entsteht, ist wichtig: um sich immer wieder zu erinnern, dass man alles daransetzen muss, ihn zu verhindern."



    Helfen kann f. diese Zwecke guter Unterricht in d. Schulen, wenn entsprechende Literatur zur Sprache kommt.



    Seit weit mehr als 100 Jahren gab es für außerordentliche Leistungen auch besondere Auszeichnungen:



    "...österreichische Schriftstellerin und Pazifistin Bertha von Suttner (1843-1914), Autorin des Welterfolges " Die Waffen nieder", Gründerin der österreichischen (1891), der Deutschen (1892) und der Ungarischen Friedensgesellschaft (1895) und unermüdliche Organisatorin der internationalen Frauenbewegung. Sie erhielt ihren Nobelpreis erst 1905 (nachdem sich die Jury vier Jahre lang geweigert hatte, eine Frau auszuzeichnen), und war damit die erste weibliche Preisträgerin und der Stolz der Frauenbewegung ihrer Zeit."



    www.emma.de/artike...-nobelpreis-317285

    Erich Maria Remarque-Friedenspreis



    In Erinnerung an das pazifistische Engagement Erich Maria Remarques vergibt seine Heimatstadt Osnabrück seit 1991 alle zwei Jahre den Erich Remarque Friedenspreis.



    demokratisch.osnabrueck.de

  • Wenn man nach einem wohlplatzierten Kopfschuss beim taktischen Ballerspiel PUBG der Gewinner und letzte Spieler von 100 Teilnehmern einer Runde ist, dann hat man eine Tag lang besonders gute Laune. Das finden Sie provokativ? Dann bitte weiterlesen. Solche Spiele sind zum einen ab 18 für Erwachsene. Zum anderen lernt man dabei, dass man auch sehr einfach und schnell zu den anderen 99 Spielern gehören kann, die eliminiert wurden. Dieser Aspekt wird gewöhnlich völlig ausgeblendet von Leuten, die keine Spieler sind. Zu glauben Ballerspielspieler wären oder würden Waffen- und Militäraffin, kennt die Community eindeutig nicht. Darüber hinaus gilt für die Community tendenziell "no borders no nations". Glauben Sie nicht? Kein Problem, einfach mal die regelmäßigen Weltmeisterschaften gucken.

  • Man braucht diese GamerInnen in Zukunft als DrohnenpilotInnen. Darum wird es gehen. Drohnen haben gegenüber Kampfflugzeugen viele Vorteile, u. a. dass keine Pilotenlizenz mit langwieriger Ausbildung erforderlich ist und dass man dafür keine SoldatInnen braucht, die körperlich fit sind.



    So dumm, wie es vielleicht für die Autorin aussieht, ist das Ansinnen der Bundeswehr also keineswegs.

    • @Aurego:

      Das ekelhafte Geschmäckle bleibt.



      Sollen die Soldiers doch auf Drohnen-Events scouten, nicht auf Unterhaltungsmessen!

  • "Wer ist es, den ich zwar nicht hasse, aber auch nicht so liebe wie das hinter mir? Welchen Schaden würden die Armeen anrichten, die ich im Videospiel übers Schlachtfeld jage? Wer würde die Feinde betrauern, die ich im Ego-Shooter-Modus abknalle?"

  • "Wer ist es, den ich zwar nicht hasse, aber auch nicht so liebe wie das hinter mir? Welchen Schaden würden die Armeen anrichten, die ich im Videospiel übers Schlachtfeld jage? Wer würde die Feinde betrauern, die ich im Ego-Shooter-Modus abknalle?"