Krieg in Sudan: EU-Mitarbeiter angeschossen

Ab Dienstagabend sollte eine 24-stündige Feuerpause gelten. Beide Seiten werfen sich gegenseitig einen Bruch der Abmachung vor.

Ein Satelitenbild, auf dem ein Brand zu sehen ist

Khartum am 18. April: Das Satellitenfoto zeigt ein Feuer in der Nähe mehrerer Krankenhäuser Foto: Planet Labs PCB/ap

KHARTUM ap/dpa | Im von einem gewaltsamen Machtkampf erschütterten Sudan ist ein Mitarbeiter der Europäischen Kommission angeschossen worden. Das bestätigte am Mittwoch eine Sprecherin der Behörde. Demnach handelt es sich um den Leiter des Büros der Generaldirektion Humanitäre Hilfe und Katastrophenschutz (ECHO) in der Hauptstadt Khartum. Er ist Belgier und arbeitet seit 2019 dort in dieser Funktion. Angaben zu den Umständen des Vorfalls und zur Schwere der Verletzung machte die Sprecherin aus Sicherheitsgründen nicht. Sie wollte auch nichts zu seinem aktuellen Aufenthaltsort sagen.

Die New York Times berichtete, der Mann sei schwer verletzt worden, schwebe aber nicht in Lebensgefahr. Er soll in der Nacht von Sonntag auf Montag verschwunden und dann erst am Dienstag von Kollegen gefunden worden sein.

Bereits am Montagabend hatte die EU einen Angriff auf den EU-Botschafter in Sudan bestätigt. Der Ire Aidan O'Hara wurde nach jüngsten Angaben in seiner Residenz von bewaffneten Männern in Militärkleidung überfallen und ausgeraubt. Er blieb unverletzt.

Trotz Waffenruhe wird gekämpft

In Sudan tobt die Gewalt zwischen dem Militär und einer paramilitärischen Miliz trotz einer vereinbarten Waffenruhe unverdrossen weiter. Bewohner berichteten am Dienstagabend von anhaltenden Gefechten zwischen der Truppe RSF und den regulären Streitkräften in der Hauptstadt Khartum vor allem rund um die Militärzentrale und den Präsidentenpalast. Unmittelbar nach Inkrafttreten der vereinbarten 24-stündigen Feuerpause um 18 Uhr warfen die RSF dem Militär vor, diese verletzt zu haben. Das Militär wiederum beschuldigte die RSF, weiter anzugreifen. Unter anderem sei eine Attacke auf einen Militärstützpunkt im Süden des Landes zurückgeschlagen worden.

Die US-Botschaft teilte am Dienstagabend mit, es werde in Khartum weiter gekämpft. US-Staatsbürger sollten sich nicht auf die Straße wagen. „Die Kämpfe gehen weiter“, sagte auch Atiya Abdulla Atiya vom Ärzteverband der Nachrichtenagentur AP. „Wir hören dauernd Schüsse.“

Atiya berichtete vom Beschuss des Fadil-Hospitals in Khartum. Dabei seien eine Gas-Pipeline für medizinische Zwecke und Wassersysteme beschädigt worden. Es handele sich um eines von mindestens zwölf Krankenhäusern in und um die Hauptstadt, die wegen der Kämpfe hätten schließen müssen.

Millionen Sudanesen in Khartum und anderen Städten haben sich seit Tagen in ihren Häusern und Wohnungen verschanzt, während Militär und RSF einander gegenseitig mit Artilleriegeschützen und Luftangriffen attackierten und sich auf den Straßen Feuergefechte lieferten. Bewohner berichteten davon, dass Leichen seit Tagen auf den Straßen lägen und wegen der Kämpfe nicht geborgen werden könnten. 185 Tote wurden von den Vereinten Nationen seit Beginn der Kämpfe am Samstag bestätigt, der sudanesische Ärzteverband hat 144 getötete Zivilisten und mehr als 1.400 Verletzte gemeldet. Die tatsächliche Opferzahl dürfte weit höher liegen.

In dem Konflikt stehen sich die sudanesischen Streitkräfte unter Führung von General Abdel Fattah Burhan und die paramilitärischen RSF unter General Mohammed Hamdan Dagalo gegenüber. Hintergrund sind Spannungen über eine Integration der RSF in die reguläre Armee und die künftige Befehlskette.

Nachdem US-Außenminister Antony Blinken in Telefongesprächen mit beiden eine 24-stündige Feuerpause gefordert hatte, wurde diese Berichten arabischer Nachrichtensender zufolge auch vereinbart. Dagalo bestätigte das auch auf Twitter. Die Mitteilungen des Militärs waren weniger klar. Zunächst teilte es mit, es sei sich keiner Vermittlungen über eine Waffenruhe bewusst. Die Kämpfe seien tatsächlich in eine entscheidende Phase eingetreten, die mit einer verheerenden Niederlage der RSF enden würde, hieß es.

Später berichteten die Satellitensender al-Arabija und al-Dschasira unter Berufung auf den Offizier Schams al-Din Kabbaschi, das Militär werde die eintägige Feuerpause ab Dienstag 18 Uhr ebenfalls einhalten. Auch CNN Arabic meldete, Oberbefehlshaber Burhan habe eingewilligt.

Kurz vor Inkrafttreten der Waffenruhe teilte ein Bündnis von politischen Parteien und prodemokratischen Gruppierungen im Sudan mit, man habe aus beiden Lagern „positive Positionen“ gehört. Verhandlungen über eine längerfristige Waffenruhe würden laufen.

Bei den Gefechten in den vergangenen Tagen geriet auch ein Konvoi der US-Botschaft unter Beschuss. Erste Berichte deuteten auf Verbindungen der Angreifer zu den RSF hin, sagte Blinken am Dienstag nach seinem Telefonat mit den beiden Generälen. Die Fahrzeuge seien eindeutig als zur Botschaft gehörig gekennzeichnet gewesen. Alle Insassen seien in Sicherheit. „Ich habe sehr deutlich gemacht, dass jegliche Angriffe, Drohungen oder Gefahren für unsere Diplomaten völlig inakzeptabel sind“, sagte Blinken.

Dagalos RSF sind aus der berüchtigten Dschandschawid-Miliz hervorgegangen, die für Menschenrechtsverbrechen in der Region Darfur verantwortlich gemacht wurde.

Evakuierung aus dem Sudan wegen Sicherheitsbedenken abgebrochen

Die Bundesregierung hat eine geplante Evakuierung deutscher Staatsbürger aus dem Sudan wegen der Sicherheitslage in dem Land zunächst abgebrochen. Ein Plan für den Einsatz von Militärmaschinen noch am Mittwoch wurde nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur wegen der Lage in der Hauptstadt Khartum gestoppt. Die Flugzeuge waren am frühen Morgen in Wunstorf gestartet. Der Flughafen in der Hauptstadt Khartum stand in den vergangenen Tagen im Zentrum der Kampfhandlungen. Über den Stopp der Aktion hatte zuerst der Spiegel berichtet.

In der sogenannten Krisenvorsorgeliste des Auswärtigen Amtes hatte sich nach Angaben einer Sprecherin vom Montag eine „niedrige dreistellige Zahl“ deutscher Staatsangehöriger im Sudan registriert. „Aber erfahrungsgemäß schwankt in solchen Konfliktsituationen und Krisensituationen die Zahl sehr stark und kann jederzeit auch noch weiter nach oben gehen“, sagte die Sprecherin.

Update vom 19. April, 14.30 Uhr

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