Krieg in Sudan: Alles hängt an Khartum

Täglich verdüstert sich die Lage für die Menschen in Sudans umkämpfter Hauptstadt. Nach einer Waffenruhe scheiterte auch eine Evakuierungsaktion.

Soldaten jubeln

Soldaten der regulären Armee jubeln über die Rückeroberung einer Militärbasis. Nyala am 18. April Foto: Newscom/picture alliance

„Die Hoffnungen auf eine schnelle Deeskalation in Sudan schwinden rapide“, schreibt aus Sudans Hauptstadt Khartum William Carter, Landesdirektor des Hilfswerks NRC (Norwegischer Flüchtlingsrat). „Es erscheint zunehmend wahrscheinlich, dass dies sich zu einem katastrophalen, langen Krieg entwickelt, der unzählige zivile Menschenleben fordert und die Region destabilisiert.“ Der Brite mit fünf Jahren Afghanistan-Erfahrung fasst mit seinem Szenario auf der Onlineplattform Twitter den Pessimismus der humanitären Helfer und Diplomaten am fünften Tag des neuen Krieges in Sudan zusammen.

Bis Mittwoch zählten UN-Vertreter über 300 zivile Tote und 2.600 Verletzte und eine unbekannte Anzahl militärischer Opfer. Die Zahlen gelten als weit untertrieben. Tausende Menschen flohen am Mittwoch aus Khartum, nachdem die Stadt ihre heftigste Kriegsnacht seit Ausbruch der Kämpfe erlebt hatte.

Die paramilitärische Miliz RSF (Rapid Support Forces), geführt von General Hamdan Daglo Hametti, ist aus den staatlichen Terrormilizen in der einstigen Bürgerkriegsregion Darfur hervorgegangen. Am Samstag, dem 15. April, hatte die RSF handstreichartig versucht, in Khartum die Macht zu übernehmen. So wollte die Paramiliz eine sich abzeichnende Vereinbarung über ihre Eingliederung in die Armee verhindern, noch bevor Sudans aktuelle Militärregierung die Macht an einen gewählten Nachfolger abgeben würde. RSF-Einheiten besetzten den Flughafen und das Gelände des Präsidentenpalastes sowie Militäreinrichtungen in zahlreichen anderen Städten.

Die reguläre Armee unter General Abdelfattah al-Burhan, Sudans Staatschef, schlug massiv zurück, bombardierte RSF-Stellungen mit Kampfjets und erklärte die Miliz für aufgelöst und zur Terrororganisation. RSF-Milizionäre bezogen Stellung in zivilen Wohngebieten und es entwickelte sich ein Städtekampf ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung. Die RSF behält offenbar die Kontrolle über die Städte in Darfur, während die Regierungstruppen die anderen Landesteile halten und Khartum Kampfgebiet ist. Der Sieg dort entscheidet über die Macht in ganz Sudan.

Am Dienstag schienen UN-Bemühungen um eine „humanitäre Feuerpause“ in Khartum zu funktionieren: Die RSF willigte ein, die Armee blieb ausweichend. Doch als die Feuerpause um 18 Uhr in Kraft trat, wurde einfach weiter geschossen, nachts noch heftiger als zuvor. Vermutlich dachte jede Seite, sie könne die Gunst der Stunde nutzen.

Karte von Sudan

Derweil liefen neben den diplomatischen auch militärische Bemühungen für eine möglichst geräuschlose Evakuierung von Ausländern aus der umkämpften Hauptstadt. Diplomaten und Helfer sind bevorzugte Zielscheiben von Angriffen, weil es bei ihnen Geld, Lebensmittel und vollgetankte Autos zu holen gibt.

Deutschland erwägt Einsatz von Fallschirmjägern

Am Mittwoch im Morgengrauen starteten drei Transportflieger der Bundeswehr im deutschen Wunstorf in Richtung Sudan. Sie sollten in Khartum die nach Regierungsangaben rund 150 Deutschen in Sudan einsammeln und ausfliegen. Aber als klar wurde, dass man in Khartum nicht landen kann, flogen die drei Maschinen nach dem Auftanken in Griechenland gleich wieder nach Hause.

Nun wird laut Spiegel Online über eine Evakuierungsmission mit Fallschirmjägern nachgedacht. Das wäre ein militärisches Eingreifen – aber nicht zugunsten Khartums Bevölkerung, die jeden Tag mehr unter der Gewalt und dem Zusammenbruch aller Dienstleistungen und Versorgungswege leidet.

Am Mittwochnachmittag ging das Spiel von vorne los: Die RSF sagte eine Waffenruhe ab 18 Uhr zu, die Armee äußerte sich zunächst nicht. Derweil mehrten sich die schlechten Nachrichten. „Unser Gelände in Nyala (Darfur) wurde von Bewaffneten überfallen, die alles stahlen, auch Autos und Büromaterial“, berichtete das Hilfswerk Ärzte ohne Grenzen (MSF). „Unser Lager mit lebensnotwendigen medizinischen Gütern wurde auch geplündert. Wir kennen das Ausmaß nicht, denn wir haben keinen Zugang.“ MSF wie auch andere Hilfswerke fordern, die Sicherheit von Hilfswerken und den Zugang zu Kriegsopfern zu gewährleisten. Aber wie?

„Die Lage ist chaotisch und dynamisch, die meisten humanitären Einrichtungen sind paralysiert“, fasst Carter vom NRC die Lage zusammen. Alan Boswell, Direktor der „International Crisis Group“ für das Horn von Afrika, nennt die Berichte aus Khartum „mehr als erschütternd“ und analysiert: „Dies sind nicht bloß gewaltsame Auseinandersetzungen. Dies ist der vollständige Zusammenbruch einer Stadt und eine humanitäre Katastrophe, die sich in einer Geschwindigkeit verschlimmert, dass einem schlecht wird.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.