Krieg in Sudan: Kein Schutz, keine Hilfe für Opfer

Diplomaten bemühen sich um eine „humanitäre Feuerpause“, werden aber selbst angegriffen. Die UN stellen ihre Arbeit in Sudan faktisch ein.

Ein Mann in einem Haus, in dem Trümmer aus einer kaputten Wand auf Sofas liegen.

In einem bombardierten Haus in Khartum am Montag Foto: reuters

BERLIN taz | Ein Drittel der rund 45 Millionen Menschen in Sudan braucht nach UN-Angaben humanitäre Hilfe zum Überleben. Nun fordert der Machtkampf zwischen der Armee unter Staatschef Abdelfattah al-Burhan und der RSF-Miliz (Rapid Support Forces) unter General Hamdan Daglo Hametti nicht nur Tausende Tote und Verletzte, er macht auch jede Bewegung in den umkämpften Städten unmöglich.

Die Arbeit von UN-Organisationen in Sudan, an erster Stelle die des Welternährungsprogramms WFP und des Flüchtlingshilfswerks UNHCR, ist faktisch eingestellt. Die rund 4.000 UN-Angestellten in Sudan, darunter 800 Ausländer, könnten ihre Häuser nicht verlassen, gab am Dienstag UN-Sprecherin Alessandra Velucchi in Genf bekannt.

Am Montagmorgen überfielen RSF-Kämpfer in Sudans Hauptstadt Khartum mehrere Häuser, in denen internationales Hilfspersonal lebt, um Autos und Geld zu stehlen. Am Montagabend wurde der irische EU-Repräsentant Aidan O’Hara in seiner Residenz angegriffen und ein Autokonvoi des US-Botschafters wurde beschossen, in beiden Fällen ebenfalls mutmaßlich von der RSF.

Lokales Hilfspersonal ist nicht minder gefährdet. Farid Aiywar von der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondföderation IFRC schlug von Kenias Hauptstadt Nairobi aus Alarm: „Tausende Freiwillige stehen für humanitäre Hilfe bereit, aber sie können sich nicht bewegen. Wir haben Krankenwagen und Ersthelfer, aber das geht nur, wenn alle Parteien humanitäre Korridore garantieren.“

Gezielte Angriffe von Militärpersonal auf Gesundheitseinrichtungen hat es in Sudan in den vergangenen Jahren immer wieder gegeben – so auch jetzt. Ärzte ohne Grenzen (MSF) berichtete am Dienstag: „In Khartum sind die meisten Teams aufgrund der anhaltenden schweren Kämpfe eingeschlossen. Selbst Krankenwagen werden nicht durchgelassen, um die Toten von den Straßen zu bergen oder die Verletzten ins Krankenhaus zu bringen.“

In Al-Faschir, Hauptstadt der Provinz Nord-Darfur, hätten MSF-Teams innerhalb kurzer Zeit 183 Verletzte aufgenommen, „unter ihnen viele Kinder, die ins Kreuzfeuer geraten sind“, teilte die Organisation weiter mit. „25 von ihnen sind an ihren Verletzungen gestorben (…) Alle anderen Krankenhäuser in Nord-Darfur mussten schließen“. Es müsse möglich gemacht werden, dass Gesundheitsmitarbeiter „ohne Angst um ihr Leben Zugang zu den Gesundheitseinrichtungen haben“, forderte MSF.

Sudan Uprising (Demokratiebewegung)

„Der Ruf nach einer Waffenruhe setzt voraus, dass beide Seiten ihre Kräfte unter Kontrolle haben, was nicht stimmt“

Internationale Bemühungen um ein Ende des Konflikts fokussieren sich angesichts dieser Situation auf eine humanitäre Feuerpause, damit Menschen sich versorgen können und Opfer erreicht werden. Diese Zeit könnte für politische Gespräche genutzt werden, so die Hoffnung, die sich in einmütigen Forderungen der USA, Großbritanniens und der EU nach einer „sofortigen Feuerpause“ widerspiegelt.

Am Dienstag blieb unklar, ob diese Bemühungen Erfolg haben. RSF-Chef Hametti, dessen Truppen aktuell in der Defensive sind, willigte am Vormittag in eine 24-stündige Waffenruhe ab dem Abend ein. Seitens der Armee gab es dazu am Nachmittag unterschiedliche Reaktionen.

Ein Armeesprecher prophezeite eine „vernichtende Niederlage“ der RSF noch am Abend. Hametti hält allerdings ein Faustpfand: Dutzende Soldaten aus Ägypten, die seine Miliz am Samstag am Flughafen Merowe im Norden Sudans gefangen nahm. Sollte ihnen etwas zustoßen, könnte Ägypten sich zu einem Eingreifen gezwungen sehen und der Krieg würde sich internationalisieren.

Der Twitter-Account „Sudan Uprising“ der sudanesischen Demokratiebewegung warnte am Dienstag: „Der Ruf nach einer Waffenruhe setzt voraus, dass beide Seiten ihre Kräfte unter Kontrolle haben, was nicht stimmt. Bewaffnete Gruppen, mutmaßlich RSF, marodieren auf den Straßen, beschlagnahmen Autos, brechen in Häuser ein und erschießen Zivilisten. Es scheint nicht, dass sie Befehle befolgen würden.“

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