Krieg in Nahost: Krankenhaus in der Kampfzone
Israel rückt auf Al-Schifa vor und wirft der Hamas vor, dieses als Zentrale zu missbrauchen. Hilfsorganisationen warnen vor Kämpfen um die Klinik.
![Männer schieben auf einer staubigen Straße Rollstühle, in denen verletzte Frauen sitzen Männer schieben auf einer staubigen Straße Rollstühle, in denen verletzte Frauen sitzen](https://taz.de/picture/6644222/14/34030058-1.jpeg)
Al-Schifa ist mit 700 Betten das größte Krankenhaus im Gazastreifen. Am Sonntag befanden sich Krankenhausangaben zufolge noch 1.500 Schutzsuchende und 650 Patient*innen in dem Komplex, darunter rund 40 Babys. Israel kündigte an, bei der Evakuierung der Babys zu helfen.
Hilfsorganisationen warnen seit Tagen vor Kämpfen um das Krankenhaus. Israel aber, das seit Wochen zur Evakuierung aufgefordert hat, wirft der Hamas vor, unter dem Komplex ihre Zentrale zu haben. „Unter Al-Schifa liegt das Kommando- und Kontrollzentrum der Hamas“, erklärte Itamar Yaar, pensionierter IDF-Oberst und ehemaliger Vizechef von Israels Nationalem Sicherheitsrat, gegenüber der taz und anderen Medien. „Die Einnahme dieses Ortes ist zentral.“ Er rechnet damit, dass israelische Truppen das Krankenhaus einnehmen. „Werden die israelischen Streitkräfte mit Feuer konfrontiert, werden sie Feuer einsetzen. In diesem Fall wird es Tote geben.“
Die Hilfsorganisation Norwegian Refugee Council (NRC) erinnerte daran, dass Israel den Missbrauch des Krankenhauses durch bewaffnete Gruppen beweisen müsse. „Medizinische Einrichtungen und Personal, das ausschließlich mit der Behandlung von Kranken und Verwundeten befasst sind, genießen nach dem humanitären Völkerrecht besonderen Schutz“, teilte NRC mit. „Die Missachtung dieses Schutzes stellt einen schweren Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht dar.“
Landwirtschaftsminister kündigt neue Nakba an
Während die Hamas der israelischen Armee zufolge zunehmend die Kontrolle über den nördlichen Teil Gazas verliert, haben Äußerungen israelischer Kabinettsmitglieder erneut Anlass für Spekulationen gegeben, was nach dem Krieg mit Gaza passieren soll. Nachdem kürzlich ein Dokument eines eher unbedeutenden Ministeriums für Aufsehen gesorgt hatte, das eine Vertreibung der Bevölkerung empfahl, sorgte nun auch der Landwirtschaftsminister und ehemalige Geheimdienstchef Avi Dichter für Schlagzeilen.
In einem TV-Interview sprach der Politiker der Regierungspartei Likud von einer „Gaza-Nakba“. Als Nakba bezeichnen Palästinenser*innen die Flucht und Vertreibung Hunderttausender Menschen im Zuge der Staatsgründung Israels. Auf die Nachfrage des Interviewers blieb Dichter bei der Aussage: „Gaza-Nakba 2023. So wird es enden.“ Auf eine weitere Frage, ob dies bedeute, dass die Menschen, die sich aus dem Norden in den Süden Gazas begeben haben, nicht zurückkehren könnten, gab er keine klare Antwort.
Regierungschef Benjamin Netanjahu hatte am Donnerstag erstmals explizit gesagt: „Wir streben nicht danach, irgendjemanden zu vertreiben.“ Am Wochenende betonte er erneut, Israel werde die „volle Sicherheitskontrolle“ in Gaza behalten, was auf eine direkte Militärbesetzung des Gebiets hindeutet. Die erneute Ansiedlung israelischer Zivilist*innen, die von einer Minderheit in Israel gefordert wird, bezeichnete er als nicht realistisch. Israel hatte 2005 alle Militärstellungen und Siedlungen in Gaza geräumt.
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