Krieg im Osten der DR Kongo: Die Banyamulenge, Kongos übersehene Kriegsopfer
Burundis Armee hält in der DR Kongo eine „humanitäre Blockade“ des Siedlungsgebietes der Banyamulenge-Tutsi aufrecht. Deren Vertreter schlagen Alarm.
Ein Stück Seife kostet 6 US-Dollar. Ein Kilo Salz: 8 US-Dollar. Ein 25-Kilo-Sack Maniokmehl: 17 Dollar. Ein Kilo Zucker: 18 Dollar. Zum Vergleich: Ein Grundschullehrer im Osten der Demokratischen Republik Kongo verdient laut Bildungsministerium etwas über 100 Dollar im Monat.
Die horrenden Preise, sagt Naum Butoto von der Agrargenossenschaft Ugeafi (Union des Groupes d’Etudes et d’Actions pour le Développement de Fizi-Itombwe), gelten hinter der ältesten vergessenen Frontlinie im Krieg im Osten der DR Kongo: auf dem Hochland um Minembwe in der Provinz Süd-Kivu, wo die Banyamulenge-Tutsi leben.
Die nach eigenen Angaben rund 250.000 starke Gemeinschaft von Viehzüchtern lebt seit Jahrhunderten auf den Bergen südwestlich der Großstadt Uvira, die vor Kurzem an die von Ruanda unterstützte kongolesische Rebellenarmee M23 (Bewegung des 23. März) gefallen ist.
Seit Jahren, so Ugeafi, ist das „Hauts Plateaux“ genannte Hochland, in weiten Teilen nur zu Fuß zugänglich, abgeriegelt: Kongos Regierung verdächtigt die Banyamulenge-Tutsi, den M23-Rebellen zuzuneigen, die ebenfalls von Tutsi geführt werden.
Man behauptet, sie seien keine Kongolesen
Seit Jahrzehnten sind die Banyamulenge Objekt von Stigmatisierung. Obwohl seit Jahrhunderten auf dem Hochland ansässig – der Name bedeutet einfach „die Menschen von Mulenge“ – behaupten Angehörige anderer Ethnien Süd-Kivus oft, sie seien keine Kongolesen, sondern Ruander.
Der Grund: sie stehen nicht auf der Kongo-Völkerliste der einstigen belgischen Kolonialherren, und sie sprechen die ruandische Sprache. In allen Kriegen in diesem Landesteil im 20. Jahrhundert fanden sich Banyamulenge und die benachbarten Ethnien der Babembe und Bafuliro auf entgegengesetzten Seiten wieder.
So ist es auch jetzt. Milizen aus Bembe- und Fuliro-Jugendlichen, die als paramilitärische Truppe unter dem Sammelbegriff „Wazalendo“ (Patrioten) mit Kongos Armee gegen die M23 kämpfen, haben in Uvira dieses Jahr Jagd auf Tutsi gemacht und deren Vertreibung nach Ruanda gefordert.
In angespannten Zeiten konnten Banyamulenge in Uvira tagelang nicht aus ihren Häusern, erzählt Butoto. Im benachbarten Hochland kämpft derweil die Banyamulenge-Rebellengruppe Twirwaneho (Verteidigen wir uns) gegen die Koalition aus „patriotischen“ Milizen und der Armeen Kongos und Burundis.
Von den 77 bekannten Militärstellungen der burundischen Armee in der DR Kongo befinden sich nach einem Bericht des Banmyamulenge-Politikers Moise Nyarugabo vom Oktober allein 60 im Banyamulenge-Hochland.
Burundis Regierung aus ehemaligen Hutu-Rebellen hat unter anderem Angst davor, dass burundische Exiltutsi sich dort militärisch organisieren könnten. Das Hochland ist strategisch wichtig: der Flughafen Minembwe ist für Militärflüge geeignet und diente in der Vergagenheit für Waffenlieferungen.
Luftangriffe auf Dörfer, abgeriegelte Straßen
Burundi bekämpft die gesamte Tutsi-Zivilbevölkerung der Gegend, so der Vorwurf der Banyamulenge-Gruppen. Während Kongos Armee blutige Überfälle begeht und Luftangriffe auf Dörfer fliegt, hält Burundis Armee, besser organisiert, eine „humanitäre Blockade“ aufrecht, die die Straßen abriegelt, die Hochlandbewohner von den Städten fernhält und die Versorgung ihrer Märkte verhindert.
408 zerstörte Dörfer, 35 zerstörte Gesundheitszentren, 27 zerstörte Schulen, über 450.000 gestohlene Rinder – diese Bilanz der „humanitären Blockade“ nennt Butoto. Ein Ugeafi-Lagebericht vom Wochenende dokumentiert die jüngsten Vorfälle: Am 4. und 5. Dezember hätten Soldaten aus Burundi im Ort Mikalati 87 Banyamulenge-Zivilisten festgesetzt, vier Frauen wurden vergewaltigt. „Andere ethnische Gruppen konnten sich frei bewegen“, heißt es.
Nyarugabo schreibt in seinem Bericht vom Oktober, Burundis Armee betreibe „die Einkesselung“ der Banyamulenge-Siedlungen auf dem Hochland. Burundis Armee erklärte im November, Twirwaneho zusammen mit M23 und burundischen Rebellen halte die Bevölkerung als „Geisel“ und es gebe „keine Trennung zwischen Zivilisten und Kombattanten“.
Twirwaneho hat sich der Rebellenallianz AFC (Allianz des Kongo-Flusses) rund um die M23 angeschlossen, und deren Kontrolle von Uvira öffnet tendenziell die Versorgungwege in die Banyamulenge-Gebiete. Doch beide Gruppen kämpfen getrennt, und im Gespräch betonen Banyamulenge-Vertreter, dass Ruanda und M23 ihre eigenen Interessen verfolgen.
Naum Butoto wünscht sich neben einem Ende der „humanitären Blockade“, dass Gesprächskanäle zwischen den Banyamulenge und ihren Nachbarvölkern wiederhergestellt werden. „Frieden kommt durch Dialog.“
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