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Kreml-Kritiker Nawalny im HungerstreikÄrztin warnt vor Herzstillstand

Der Gesundheitszustand von Alexej Nawalny verschlechtert sich. Seinen Ärz­t*in­nen zufolge droht ihm ein Herzstillstand. Prominente fordern seine Verlegung.

Schwebt in Lebensgefahr: Der Kreml-Kritiker Nawalny ist im Hungerstreik Foto: ap

Moskau afp | Dem inhaftierten Kreml-Kritiker Alexej Nawalny droht laut Ärzten wegen seines sich verschlechternden Gesundheitszustandes ein Herzstillstand. Nawalnys persönliche Ärztin Anastasia Wasiljewa und drei ihrer Kollegen, darunter ein Herz-Spezialist, forderten von den Gefängnisbehörden am Samstag Zugang zu dem Inhaftierten. Wegen kritischer Kaliumwerte drohten dem Widersacher von Präsident Wladimir Putin „jede Minute“ eine eingeschränkte Nierenfunktion sowie ernsthafte Herzrhythmusprobleme.

Gewöhnlich erfordere ein Kaliumwert von mehr als 6,0 eine umgehende Behandlung. Nawalnys Wert liege bei 7,1. Ihr Brief an die russische Gefängnisbehörde wurde am Samstag auf Wasiljewas Twitter-Konto veröffentlicht. In dem an den Gefängnischef adressierten Schreiben hieß es weiter, dem 44-Jährigen drohe ein „Herzstillstand“.

Der Kardiologe Jaroslaw Aschichmin warnte beim Onlinedienst Facebook: „Unser Patient kann jede Minute sterben.“ Er müsse auf eine Intensivstation verlegt werden. Die Nawalny-Vertraute Kira Jarmysch schrieb bei Facebook: „Alexej stirbt.“ Bei seiner Verfassung sei es „eine Frage von Tagen“.

Prominente fordern angemessene Behandlung

Mehr als 70 international bekannte Autoren, Künstler und Akademiker, darunter Jude Law, Vanessa Redgrave und Benedict Cumberbatch, forderten Putin auf, eine angemessene medizinische Behandlung für Nawalny zu garantieren. Laut seiner Frau Julia Nawalnaja wiegt der 1,89 Meter große Kreml-Kritiker derzeit 76 Kilogramm – neun Kilogramm weniger als zu Beginn seines Hungerstreiks vor zwei Wochen und 17 Kilogramm weniger als vor seiner Verlegung ins Straflager in der Kleinstadt Pokrow im Februar.

Mit dem Hungerstreik will der 44-jährige Oppositionspolitiker erreichen, dass ihm eine angemessene medizinische Versorgung gewährt wird. Nawalnys Unterstützer fordern seine Verlegung in ein reguläres Krankenhaus. Ihren Angaben zufolge klagte er zuletzt über heftige Rückenschmerzen und Taubheitsgefühle in Armen und Beinen. Im vergangenen August überlebte er einen Anschlag mit dem Nervenkampfstoff Nowitschok. Nach dem Anschlag, für den Nawalny den Kreml verantwortlich macht, wurde er nach Deutschland geflogen und in der Berliner Charité behandelt.

Am Freitag starteten die russischen Behörden ein Verfahren zum Verbot der Anti-Korruptionsstiftung Nawalnys. Dessen Unterstützer sammeln derzeit Online-Teilnehmer für den „größten Protest im modernen Russland“. Sobald sie 500.000 Anmeldungen erreichen, würden sie ein Datum für die Proteste festlegen, teilten die Organisatoren mit. Bis Samstag hatten sich 440.000 Menschen registriert. Bei landesweiten Solidaritätsdemos für den Oppositionellen waren im Januar und Februar mehr als 11.000 Menschen festgenommen worden.

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7 Kommentare

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  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Viel wichtiger finde ich, was mit Julian Asange passiert. Hier geht es natürlich auch um die so viel gepriesene Pressefreiheit.



    Diejenigen, die ihn nach wie vor in Haft halten sollten sich in Grund und Boden schämen.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Bedauerlich.



    Nawalny hat es sich aber selbst ausgesucht. Er wusste doch, was auf ihn zukommt.



    Die Rechnung geht nicht auf!

    • @17900 (Profil gelöscht):

      Woher wissen Sie, was Nawalnys Rechnung ist? Der nimmt ganz offensichtlich in Kauf, dass er sein Leben verlieren könnte (sonst wäre er nicht zurückgekehrt), während man bei Putin davon ausgehen darf, dass er nicht wie Ceausescu oder Gaddafi enden will.

      Putin neigt ja sehr zu Heuchelei und Prokrastination. Das eine sagen, und das Gegenteil tun. Und sich ständig "alle Möglichkeiten offen halten".

      Da wurde Nawalny in entwürdigender Weise gegen seinen Willen (und natürlich rechtswidrig) in der Haftanstalt gefilmt und im Staatsfernsehen vorgeführt, um zu beweisen, wie toll es ihm geht. Und am Sonntag wurde der "kerngesunde Simulant" in ein Gefängniskrankenhaus in Wladimir verlegt, mal wieder ohne Info an die Familie oder Anwälte, die das erst am Montag erfahren haben. Und am Montag Abend wurde seinen Ärzten mitgeteilt, sie könnten heute ab acht ihren Patienten sehen. Ein Kardiologe, eine Haus- und Augenärztin und der Chefarzt der Intensivmedizin einer Moskauer Klinik sind also mit dem Auto nach Wladimir gefahren und haben dort heute den ganzen Tag vor dem Krankenhaus gewartet, bis ihnen mitgeteilt wurde, der Arbeitstag sei beendet, und Sie könnten leider nicht mehr rein. Und ganz Russland und die halbe Welt schauen bei diesem absurden Trauerspiel zu.

      Putin kann sich scheinbar nicht entscheiden. Das muss er aber mal bald, sonst nimmt Nawalny ihm die Entscheidung ab.

      Wenn es nicht so bitterernst wäre, könnte man ironisch sagen, Putin tut wirklich alles, damit auch die letzten Zweifler sich ein Herz nehmen und morgen möglichst viele Leute auf die Demos gehen.

      Und auch da muss Putin sich nun entscheiden: Lässt er die Leute morgen zur Abwechslung mal einfach friedlich ihr in der Verfassung garantiertes Demonstrationsrecht ausüben? Gibt es wieder eine Prügel- und Verhaftungsorgie? Oder lässt er diesmal gleich schießen? Es geht ja jetzt quasi gegen "Terroristen" und "Extremisten".

  • Hoffentlich hat Putin seinen Beamten vor Ort eingeschärft, dass ein Tod des Häftlings im speziellen Fall Nawalny das „Problem“ nicht löst, sondern eher noch verschärft. Vor allem für ihn, Putin! Ein toter Nawalny, unter dem als Ikone sich alle Oppositionellen vereinen, wäre für Putin wohl noch gefährlicher als der lebende, der durchaus spalten konnte.



    Aber vielleicht hat Putin für diesen Fall schon eine passende Ausrede aus einem früheren öffentlichen Auftritt parat: Dass sich dieser „Blogger“ (damals kam ihm das Wort „Nawalny“ noch nicht über die Lippen) vermutlich selbst vergiftet habe. Dabei entfuhr ihm ein lauter Lacher, so lustig fand er das!

  • 9G
    97287 (Profil gelöscht)

    Natürlich steht am End des Hungerstreiks der Tod. Eine Intensivmedizinische Behandlung kann nur unter Zwang durchgeführt werden, da er ja eine Nahrungsaufnahme verweigert. Nawalny muß eigentlich nur essen und trinken, dann ist die Gesundheit nicht gefährdet.

    • @97287 (Profil gelöscht):

      Bitte den Artikel nochmal lesen. Er hat bereits vor seinem Hungerstreik massiv Gewicht verloren, und er wurde bereits vor seinem Hungerstreik nicht ausreichend medizinisch behandelt. Ihre Aussage ist daher unsinnig.

    • 9G
      90118 (Profil gelöscht)
      @97287 (Profil gelöscht):

      sein hungerstreik hat das ziel einer ärztlichen behandlung der vorher aufgetretenen erkrankungen.



      essen und trinken half nicht.



      aus der ferne ist alle einfach.