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Kreislaufwirtschaft bei SchiffenSchmilz ein, den Schrott

Schiffe enthalten nützliche Stoffe wie Stahl und Kupfer, Recycling gibt es aber in Deutschland kaum. Eine Traditionswerft will das nun ändern.

Schiffs­recycling in Indonesien: Bald soll es das auch in Deutschland geben Foto: Agung Kuncahya/Eyevine/Xinhua/laif

Emden taz | Yachten, Marine-U-Boote, Forschungsschiffe, Kreuzfahrtriesen: Deutsche Werften fertigen verschiedenste und anspruchsvollste Schiffe. Zudem wird dort umgebaut, repariert und gewartet. Es fehlen aber Betriebe, die alte Schiffe zerlegen. Aktuell sei das Recycling von Schiffen hierzulande weitgehend „inexistent“, erklärt Reinhard Lüken vom Verband für Schiffbau und Meerestechnik (VSM).

Dabei enthalten die Wasserfahrzeuge begehrte Materialien wie Stahl, Aluminium und Kupfer, deren Wiederverwertung sinnvoll wäre. Eine Liste der Europäischen Union verzeichnet Betriebe, die bestimmte Schiffe mit EU-Flagge recyceln dürfen. Es gibt beispielsweise Einträge für Dänemark, die Niederlande und die Türkei – aber keinen einzigen aus Deutschland.

Das soll sich ändern. In Emden steht der Betrieb Emder Werft und Dock in den Startlöchern. Der Traditionsbetrieb, der inzwischen zur Bremerhavener Benli Gruppe gehört, ist auf Umbau, Nachrüstungen, Reparaturen und kleinere Neubauten spezialisiert.

Für das Schiffsrecycling hat er sich mit der Firma Relog des Recyclingspezialisten Sebastian Jeanvré zusammengetan. Relog bietet zum Beispiel den Rückbau von Stahlgebäuden und Fahrstühlen an. Die Umweltkanzlei Beratungs- und Prüfgesellschaft, deren Geschäftsführer ebenfalls Jeanvré ist, kümmert sich um die Genehmigungen.

„Weltweites Umdenken hin zur Kreislaufwirtschaft“

Der Großteil der Tonnage weltweit wird in Südasien verschrottet. Dabei spielten „Löhne und Entsorgungskosten eine große Rolle“, erklärt Karin Logemann, die im Niedersächsischen Landtag im Unterausschuss für Häfen und Schifffahrt wirkt.

Sie sieht aber Zeichen für Veränderung: „Im Zuge eines weltweiten Umdenkens hin zu mehr Kreislaufwirtschaft wandelt sich das Bild: Der Stahlschrott ist für die hiesige Industrie hochinteressant“, so die SPD-Politikerin aus der Wesermarsch. Zudem trete 2025 die Hongkong Convention in Kraft. Das internationale Übereinkommen schreibt ab Juni Standards für Umwelt- und Arbeitsschutz beim Abwracken von Schiffen vor. „Die Konvention wird dort, wo Schiffe bisher unter unwürdigen und gefährlichen Bedingungen abgewrackt wurden, die Preise in die Höhe schnellen lassen.“

Eine Verteuerung der Arbeit in Asien könnte die Position des Hochlohnlandes Deutschland verbessern. Und das vor dem Hintergrund globaler Nachfrage nach Recyclingkapazitäten.

Susanne Neumann vom Maritimen Cluster Norddeutschland (MCN) urteilt: „In der Schifffahrt wird aufgrund neuer Emissionsziele in den kommenden Jahren ein historischer Höchststand an Recyclingaktivitäten erwartet.“ Die Welle könne sich aufgrund geopolitischer Bedingungen zwar verschieben, werde danach aber umso heftiger ausfallen. „Dementsprechend ist das Geschäftsumfeld für neue Recyclingwerften sehr positiv zu bewerten.“

Künftig will man also in Emden Schiffe zerlegen. Jeanvré skizziert den Ablauf bei einem Ortstermin: Das Schiff werde an der Pier von Schadstoffen befreit und dann ins Trockendock verbracht. Arbeiter würden es mit Schneidbrennern in rund 20 Tonnen schwere Teile zerschneiden, die die Dockkräne gut heben können. Auf der Schwerlastfläche nebenan werde der Stahl weiter zerkleinert. Schuten brächten den Stahl anschließend über Wasserwege wie den Mittellandkanal zu Stahlwerken nach Salzgitter oder Bremen.

Schadstoffe erhöhen den Recycling-Aufwand

Schiffe können auch problematische und gefährliche Substanzen enthalten, etwa Blei, Bilgenöl, Asbest und giftige Beschichtungen des Rumpfs. Das kann beim Recycling einen großen Aufwand bedeuten.

Bei Asbestfunden zum Beispiel müsse man das Schiff vor der Entfernung der Fasern einhausen und Unterdruck erzeugen, erklärt Jeanvré. Die Entfernung der Schadstoffe bildet den „Kostenblock“, die Wertstoffe bringen eine „Gutschrift“, sagt der Fachmann. Vom Verhältnis hängt ab, ob der Kunde für das Abwracken zahlen muss oder für sein altes Schiff noch Geld bekommt.

Der Werft kommt zugute, dass sie viele oder alle Arbeiten und Stoffe schon kennt, die beim Recycling anfallen würden, wie EWD-Chef Björn Sommer schildert. „Gemacht haben wir so gesehen alles. Das normale Prozedere einer Schiffsreparatur ist ja auch, einen Schaden zu beheben, ein Schiff komplett zu zerlegen. Man händelt wirklich alle Stoffe und auch alle Schadstoffe, die an einem Schiff vorhanden sind.“

Auch beim Raum für das Recycling will die Werft das Vorhandene nutzen. Das Schrottschiff würde idealerweise im Trockendock zerlegt werden, während parallel an einem anderen Schiff gearbeitet wird. Während Jeanvré und Sommer die Pläne vorstellen, steht beispielsweise gerade ein Containerfrachter dort. Zwischen dessen roten Wulstbug und dem Dockende sind noch etwa 80 Meter frei. Dort soll das Recycling stattfinden.

Demnach sollen in Emden keine Ozeanriesen zerlegt werden. Spannend für das Geschäft seien Küstenschiffe, Binnenschiffe, Feederschiffe, sagt Jeanvré. Ein wachsendes Segment seien Versorgungsschiffe für Windparks. „Wir können bis 240 Meter und 40 Meter Breite. Das Maximum würden wir aber nur in Sonderfällen ausnutzen.“

Es geht nicht nur um Schiffe im engeren Sinne, sondern auch um Schuten, schwimmende Plattformen und sogar Offshore-Windräder. Zuallererst nennt Jeanvré aber „staatliche Schiffe, Marineschiffe, Behördenschiffe – das können wir alles unter deutscher Flagge“. Dafür brauche es kein Notifizierungsverfahren.

Die Bürokratie für das Recycling

Die Werft muss sich auch um Genehmigungen kümmern. Ein zentrales Regelwerk ist das Bundesimmissionsschutzgesetz mit seinen Verordnungen. Bisher sei die Werft zugelassen für Neubau und Reparatur von Schiffskörpern, erläutert Jeanvré. Jetzt müsse das vollständige Recycling erlaubt werden.

Darüber hinaus will sich die Werft als Entsorgungsfachbetrieb genehmigen lassen, um mit den Stoffen aus dem Schiff weiter umgehen zu dürfen – um bestenfalls wieder Bleche oder sogenannte Halbzeuge für den Schiffsbau herstellen zu können. Auch nach der EU-Schiffsrecycling-Verordnung will sie sich zertifizieren lassen, die Standards für das Abwracken von Schiffen mit EU-Flagge ab einer Bruttoraumzahl von 500 vorschreibt. Für alle Fälle, so Jeanvré.

Er lobt übrigens die Zusammenarbeit mit den Behörden und auch den Rückenwind aus der Politik. Wenn alles klappt, soll es in Emden im zweiten Quartal 2025 losgehen. Zehn, fünfzehn Anfragen von Reedereien lägen schon vor.

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3 Kommentare

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  • Ich habe mich vor vielen Jahren mit einem Ingenieur einer norddeutschen Werft unterhalten, wie sich die Kosten für den Bau eines Schiffes zusammensetzen und was die Konkurrenz mit südostasiatischen Werften (speziell in Südkorea) bedeutet. In Südkorea wurde der Schiffbau in einer Dimension staatlich subventioniert, dass man eigentlich die fertigen Schiffe dort hätte kaufen können und aus dem Stahl dieser Schiffe eigene hätte bauen können, ohne dass es wesentlich teurer geworden wäre. Wenn man sich auf dem Weltmarkt umschaut, findet man also bestimmt Schiffe, deren Recycling sich lohnt.

  • Wenn sich deutsche Werften für das Abwracken von Schiffen interessieren, liegt das an der fehlenden Nachfrage für Reparaturen und Neubau. Die Ursache dafür liegt in hohen Arbeits-, Material- und Energiekosten und in überbordender Bürokratie.



    Diese Kosten werden durch gesetzliche Regelungen auch nicht weniger.

    Da das auch Faktoren sind, die beim Abwracken eine Rolle spielen, können deutsche Werften nur dort tätig werden, wo die Transferkosten zu hoch sind.

  • Sehe nicht, wie das finanziell besser sein soll als das Schiff in Chittagong auf den Strand zu fahren. Wobei er mit Militärschiffen schon einen Hinweis gibt: Es müssen Schiffe sein bei denen es ein strategisches Interesse Deutschlands gibt, dass die niemand anderes zerlegt.