Krawall im Schanzenviertel: "Ganz Hamburg hasst die Polizei"

Im Anschluss an das Schanzenfest kam es doch noch zur Randale: Jugendliche attackierten eine Sparkassenfiliale, die Polizei weihte ihren neuen Wasserwerfer ein.

Same procedure as every year - die Polizei auf dem geräumten Schulterblatt im Schanzenviertel. Bild: dpa

Hamburg taz | Es war ein schönes Fest. Bei strahlenden Sonnenschein schlendern mehr als 10.000 Menschen zwischen Flohmarkt-, Ess- und Getränkeständen durch das Schanzenviertel. Redebeiträge zum Slutwalk (Schlampenmarsch) über feminine Selbstbestimmung oder über sexualisierte Gewalt gegen Frauen werden in den Umbaupausen auf der Bühne gehalten, Infostände zu brisanten politischen Themen wie Mietenwahnsinn, "Wohnraum statt Leerstand" prägen den politischen Charakter der selbstorganisierten Veranstaltung - der größten in der Geschichte des Schanzenfestes. "Kein Ballermann im Schanzenviertel", "Recht auf Straße" für die Prostituierten in St. Georg, "Rote Flora bleibt unverträglich" und "Hiermit ist es noch nicht vorbei - Autonomes Zentrum Altona" prangt es von Transparenten.

Während sich die Polizei beim laufenden Konzert im Allgemeinen zurückhält, kommt es am Rande dennoch zu einem Zwischenfall. Da der Reporter vom Freien Sender Kombinat (FSK), Werner Pomrehn, am Neuen Pferdemarkt ein Lagegespräch von Polizeiführern akustisch mitbekommt, wird er kurzum in Gewahrsam genommen. "Er hat einen Platzverweis nicht befolgt", sagt Polizeisprecher Mirko Streiber. Pomrehn behauptet, es habe nie einen Platzverweis gegeben, und er habe deutlich seinen Presseausweis gezeigt.

Obwohl gegen 22 Uhr das Programm des Schanzenfestes offiziell beendet ist, feiern rund 2000 Menschen auf der Piazza und Schulterblatt-Boulevard weiter. Ein paar stark alkoholisierte unpolitische Krawallos nutzen gegen 22.30 Uhr den Schutz der Menge, um ein Feuer aus Verpackungsabfällen zu entfachen. Anwohner gehen dazwischen und treten die Flammen aus. "Haut ab ihr Schwachköpfe", ruft ein Mann hinterher. Den Jugendlichen gelingt es aber, die Flammen wieder zu entfachen. Weitere Löschversuchen misslingen. "Verpiss dich du Fickfehler" durfte sich ein Anwohner anhören. "Ruf doch die Bullen du Memme", ein anderer.

Fast eine Stunde lässt die Polizei das drei Meter hohe Feuer vor dem Rote Flora-Portal lodern. Dann greifen Streetfighter mit Hooligan und Macho-Gehabe die Haspa-Filiale an der Juliusstraße an, ene Einladung an die Polizei. "London ist überall" sprühen sie an eines der Schutzrollos der Sparkasse. "A.C.A.B" steht daneben: "All Cops Are Bastards". Am Eingang versuchen vermummte Jugendliche mehrfach mit einem Rammbock die Panzerglasscheibe zu knacken, bis sie frustriert und wütend den Balken wegwerfen. Andere legen Feuer unter ein Rollo.

Eindreschen und Abheben

Groteske Situation: Keine zehn Schritte entfernt stecken Kunden ihre Geldkarte in den Automaten und holen Geld ab. Mit anderen Gegenständen und mit bloßer Faust dreschen derweil Jugendlichen weiter wie von Sinnen auf die Rollos ein. Viel Applaus ernten sie aber von den Passanten, Partygängern und Anwohner nicht. Gegen 23.50 rückt dann die Polizei mit drei Wasserwerfern und einem Räumpanzer eher sanft vor. Während der neue Wasserwerfer "Wawe10.000" zuerst nur Nieselregen versprüht, prescht von der Susannenstraße her ein kleiner polizeilicher Greiftrupp Richtung Haspa vor, der mit einer Gasgranate empfangen wird.

Da der Flaschenbewurf andauert, geht die Polizei dazu über, das Schulterblatt und die Susannenstraße zu räumen. Die Besucher auf der Piazza werden zwar auch kurz mit Wasser beschossen, jedoch nicht - wie in früheren Jahren - unter Schlagstockeinsatz geräumt. Erst gegen 0.30 Uhr beginnt die Polizei dann auch die Seitenstraßen unter Einsatz von Wasserwerfern zu räumen. "Ganz Hamburg hasst die Polizei", rufen die Härtnäckigen der Polizei entgegen. Es kommt wegen Flaschenwürfen zu Handgemenge und Jadszenen. Gegen 2.30 Uhr tritt Ruhe ein. Auf dem Pferdemarkt wird Frisbee gespielt, auf der Kreuzung Altonaer Straße/Schulterblatt gekickt. Dann fährt die Stadtreinigung zum Aufräumen auf.

40 Personen sind vorläufig festgenommen worden, meldet Polizeisprecherin Karina Sadowsky.

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