Krankenhausreform passiert Bundesrat: Operation vielleicht gelungen
Lauterbachs milliardenschweres Reformprogramm kann in Angriff genommen werden. Es ist eine Chance, die alten Fehlentwicklungen zu korrigieren.

L etzte Folge der Reformserie „Die Lauterbach-Klinik“ titelte die taz am Freitag, dem Tag der Abstimmung der großen Krankenhausreform im Bundesrat. Ganz so klar war das längst nicht und wenn man ganz genau sein will, befanden wir uns ja auch eher in den letzten Zügen der Pilotstaffel, die sich zugegebenermaßen erstaunlich lange hingezogen hat.
Seit zwei Jahren hangeln sich Bund und Länder von einem Cliffhanger zum nächsten, kurz vor der Abstimmung wird doch tatsächlich noch eine Gesundheitsministerin entlassen, weil sie sich für das Gesetz aussprechen wollte. Jetzt haben sie sich ausreichend zusammengerauft, dass der eigentliche Plot, die Umsetzung der größten Krankenhausreform seit 20 Jahren, überhaupt beginnen kann. Das Ampel-Aus dürfte dafür am Ende hilfreich gewesen sein.
Die Beziehungen, die sich zwischen den Landesgesundheitsminister*innen und dem Bundesgesundheitsminister in diesen zwei Jahren der Verhandlungen entspannen, waren äußerst fragil, die Auftritte der Protagonist*innen durchaus einer Soap würdig. Mal erschienen sie gemeinsam, mal nicht. Mal polterte einer der wichtigsten CDU-Gesundheitsminister gegen „die da in Berlin“, mal ließ er sich den Bauch pinseln.
Am zu Beginn des Jahres verabschiedeten Transparenzgesetz, das die Erhebung und Veröffentlichung von Qualitätsdaten aus den Krankenhäusern ermöglichen sollte, brach die On-off-Beziehung dann endgültig entzwei. Und Lauterbach entschied, das Herzstück seiner Reformbemühungen ohne die Länder fertig zu schnüren. In Düsseldorf und andernorts nimmt man ihm das bis heute sehr übel. Das im Oktober im Bundestag beschlossene Gesetz brauchte jedenfalls nicht die Zustimmung der Länder.
Vermittlungsausschuss wäre fatal gewesen
Wohl aber hätten sie es blockieren können, indem sie den Vermittlungsausschuss anrufen. Dann hätte man sich erneut einigen müssen, das Gesetz hätte noch mal in den Bundestag gemusst – mit großer Wahrscheinlichkeit wäre das aufgrund fehlender Mehrheiten das Ende gewesen. Und das wiederum hätte bedeutet: Neuer Versuch einer Reform in einer neuen Regierungskonstellation und mindestens ein Jahr weiter so wie bisher – etwas, was niemand, wirklich niemand im Gesundheitswesen will.
Genau dieses Szenario mag am Ende dazu geführt haben, dass es im Bundesrat keine Mehrheit für den Vermittlungsausschuss gab. Ob diese Reform das Potenzial hat, der jahrzehntelangen Fehlentwicklung und den aktuellen Herausforderungen im Gesundheitswesen etwas Substanzielles entgegenzusetzen? Das wird sich tatsächlich erst zeigen. Es gibt viele Unwägbarkeiten.
Aber wenn das kranke Gesundheitssystem darauf hätte warten müssen, dass die perfekte Heilung mit klar kalkulierten Heilungschancen daherkommt, wäre am Ende vielleicht nicht mehr viel zu kurieren gewesen. Die Fortsetzungstaffel der Krankenhausreformserie beginnt am 1. Januar 2025. Vorschlag für den Titel: „Die Heilung?“ – Ausdrücklich mit Fragezeichen.
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