Krankenhausreform beschlossen: Die Reform ist notwendig, ihre Finanzierung aber ungerecht
Um das Kliniksterben abzuwenden, braucht es eine Reform. Dass dafür aber ausschließlich gesetzlich Versicherte zahlen sollen, ist nicht vermittelbar.
D ie Krankenhäuser in Deutschland müssen sich verändern. Es gibt zu viele von ihnen, die wiederum sind zu teuer, und auch ihre Qualität lässt zu wünschen übrig. Dazu geraten immer mehr Häuser in eine finanzielle Schieflage. Wird die flächendeckende Gesundheitsversorgung also nicht kontrolliert umgebaut, müssten mittelfristig viele Kliniken schließen. Insbesondere auf dem Land hätte das dramatische Folgen.
Eine Krankenhausreform ist also notwendig. Darüber besteht weitestgehend Konsens, auch wenn sich verschiedene Interessengruppen, Parteien und Länder im Einzelnen uneinig sind. Am Donnerstag hat der Bundestag das Gesetz beschlossen.
Passiert die Reform im November den Bundesrat – das ist nicht sicher, einige Länder wollen das Gesetz noch mal verhandeln –, wird es künftig weniger, aber spezialisiertere Krankenhäuser geben. Der ökonomische Druck soll sinken, indem eine Basisfinanzierung die Betriebskosten größtenteils deckt. Im ländlichen Raum sollen kleinere, standortnahe Versorgungseinrichtungen und die Zusammenarbeit mit Fachärzten die Daseinsvorsorge gewährleisten.
Zusammen mit weiteren Gesetzen und Initiativen – der digitalen Gesundheitsakte, dem bundesweiten Klinikatlas, dem Pflegekompetenzgesetz und der Reform der Notfallversorgung – bringen die sonst so zerstrittene Ampelregierung und maßgeblich Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) für eine moderne Gesundheitsversorgung vieles auf den Weg. Das verdient Anerkennung.
50 Milliarden
Doch bleibt die Frage der Kostenverteilung. 50 Milliarden Euro soll die komplexe Transformation kosten, die das nächste Jahrzehnt andauern wird. Jeweils 25 Milliarden tragen die Länder und die gesetzlichen Krankenversicherungen. Die privaten Krankenversicherungen sind lediglich aufgerufen, sich freiwillig zu beteiligen.
Das ist nicht gerecht. Die Beitragszahler:innen der gesetzlichen Krankenversicherung werden unverhältnismäßig belastet – für eine Reform der Gesundheitsinfrastruktur, von der auch Privatversicherte profitieren. Diese Woche wurde bekannt, dass die Beiträge der gesetzlichen Krankenversicherung nächstes Jahr wohl um 0,8 Prozentpunkte steigen werden. Gemeinsam mit der Steigerung bei der sozialen Pflegeversicherung ist ein historischer Anstieg der Sozialbeiträge von mindestens einem Prozentpunkt zu erwarten.
Es liegt in der Natur der Sache, dass eine Strukturreform Grundlegendes infrage stellt. Viele Variablen sind ungewiss, das Ergebnis nicht in seiner Gänze absehbar. Sicher ist nur: Bis Ende der 2020er Jahre werden Veränderungen auf Patient:innen, Ärzt:innen und medizinische Fachkräfte zukommen.
Damit diese Veränderungen von der Gesellschaft mitgetragen werden, müssen die Veränderungskosten auch alle mittragen. Nicht nur die gesetzlich Versicherten. Am einfachsten ginge das durch Steuermittel. Apropos grundlegend, man könnte natürlich auch das duale Krankenversicherungssystem infrage stellen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung