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Kosten für die PflegeEin Pflegeheim muss funktionieren

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Bald gibt es noch mehr Pflegebedürftige als heute und vermutlich noch weniger Pflegekräfte. Das Geld für den Pflegeausbau müssen alle aufbringen.

2035 könnten eine halbe Million Pflegekräfte in Altenheimen in Deutschland fehlen Foto: C3 Pictures/imago

P flege macht arm. Sehr rasch und sehr radikal. So zumindest liest sich die Geschichte eines 71-jährigen Mannes, der in Augsburg für den Heimplatz seiner Frau jeden Monat 6.194 Euro bezahlen muss. Die Pflegeversicherung übernimmt, so heißt es in dem Text einer Münchner Tageszeitung weiter, lediglich 1.775 Euro. Demnächst seien alle seine Ersparnisse aufgebraucht, eine Zusatzversicherung habe er bereits aufgelöst.

Ja, Pflege kann arm machen. Über ein Drittel der Be­woh­ne­r:in­nen in Pflegeheimen sind den Angaben des Statistischen Bundesamtes zufolge auf Sozialhilfe angewiesen. Manche sind im Laufe ihrer Zeit in der Einrichtung in die staatliche Hilfe gerutscht, andere waren schon darauf angewiesen, als ihr Leben dort begann. Pflege ist bekanntermaßen eine teure Angelegenheit, ein Heimplatz kostet dem Verband der Ersatzkassen (vdek) zufolge zwischen 2.000 und 4.000 Euro. Einen Teil davon übernimmt die Pflegeversicherung, je nach Pflegegrad der gepflegten Person bis zu rund 2.000 Euro. Für die Betroffenen in den Pflegeeinrichtungen steigen die Kosten aktuell erneut, laut vdek um durchschnittlich rund 350 Euro monatlich – wegen höherer Energie- und Lebensmittelkosten, vor allem aber wegen gestiegener Löhne für das Pflegepersonal.

Niemand kann wollen, dass jene Fachkräfte, die unter großen physischen und psychischen Anstrengungen Hilfsbedürftige rund um die Uhr versorgen, weiterhin unangemessen bezahlt werden. Aber mehrere Hundert Euro mehr im Monat muss man erst einmal haben. Vor allem als Rentner:in. 1.370 Euro durchschnittlich landen laut Arbeitsministerium im Monat auf dem Konto bei Ru­he­ständ­le­r:in­nen im Westen, im Osten sind es 1.255 Euro.

Für diese Rentenhöhe muss man 40 Jahre lang in die Rentenversicherung eingezahlt, also durchgängig gearbeitet haben. Viele sogenannte Boo­me­r:in­nen taten das aber gar nicht, erinnert sei an das Arbeitslosenheer in den 1990er Jahren. Gebrochene Erwerbsbiografien sind für jene, die schon jetzt im Ruhestand sind, und auch für die, die das in den kommenden Jahren sein werden, eine Normalität, die sich heute angesichts des Arbeitskräftemangels kaum jemand vorstellen kann.

Das erste Jahr im Heim ist das teuerste

Das Pflegedilemma ist den Entscheidungsträger:innen, wie die Politik gern bezeichnet wird, durchaus bewusst. Und sie versucht, es abzumildern – ein wenig zumindest. Gerade wurde die Pflegeversicherung teurer, Bei­trags­zah­le­r:in­nen müssen nun 20 oder 30 Euro im Monat mehr bezahlen. Darüber kann man sich ärgern. Man kann es aber auch als Investition in die eigene Zukunft sehen. Jede und jeder kann gegen­ Ende des Lebens zum Pflegefall werden – und möchte dann sicher allumfassend und fürsorglich betreut werden. Und das auch bezahlen können.

So ganz alleingelassen, wie das bei all den berechtigten Klagen über das Pflegedilemma erscheint, werden Betroffene und ihre Angehörigen allerdings nicht. So zahlt ab 1. Januar 2024 der Staat den Heim­be­woh­ne­r:in­nen mehr Geld für den Eigenanteil, 2025 erhöht sich der Betrag dann noch einmal. Konkret heißt das: Auch im ersten, im Übrigen teuersten Jahr in einer Pflegeeinrichtung, übernimmt der Staat jetzt 15 Prozent des Eigenanteils, bislang waren es 5 Prozent. Ohnehin sinken ab dem 2. Jahr in einem Pflegeheim kontinuierlich die Kosten für die Pflegebedürftigen oder ihre Angehörigen, die sie aus eigener Tasche bezahlen. Nach wenigen Jahren ist es nur noch die Hälfte.

Das ist der aktuelle Stand. Ob das so bleibt, ist indes nicht ausgemacht. Die Zahl der Pflegebedürftigen steigt stetig, De­mo­gra­f:in­nen rechnen 2030 mit 5,75 Millionen Pflegebedürftigen (jetzt sind es rund 5 Millionen), 2050 könnten es 7,25 Millionen sein. Ihre Pflege muss dann nicht nur bezahlt werden, sie muss auch geleistet werden können. Schon jetzt fehlt allerorten Fachpersonal. Die Härte dieses Jobs schreckt viele ab, sich beispielsweise als Al­ten­pfle­ge­r:in ausbilden zu lassen. Für 100 freie Stellen stehen laut Arbeitsagentur nur 19 arbeitslose Pflegekräfte zur Verfügung. Dem Institut der deutschen Wirtschaft zufolge könnten 2035 etwa 500.000 Pflegekräfte fehlen.

Nun ist ein Pflegeheim keine Kneipe, die mangels Personal einfach mal dichtmachen kann. In einem dystopischen Szenario vegetieren alte Menschen in ihren verschmutzten Betten vor sich hin, sie sterben nicht an Altersschwäche, sondern an nicht erfolgter Fürsorge.

Das will natürlich niemand. Die Ampelregierung hat sich eine „freiwillige, paritätisch finanzierte Vollversicherung“ in den Koalitionsvertrag geschrieben, diese solle „geprüft“ werden. Auch die gesetzliche Pflegeversicherung war in den 1990er Jahren mal eine freiwillige Leistung. Übrigens: Ein Pflegeheimplatz für 6.000 Euro ist nicht unbedingt nötig.

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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4 Kommentare

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  • Die dahin vegetierenden Alten die nicht an Alter sondern mangelnder Fürsorge sterben sind keine Distopie. Das ist jetzt schon Realität! Meine Oma wäre tot wenn meine Mutter nicht jeden Tag hin fahren und einen Teil der Versorgung übernehmen würde. Und das liegt nicht an schlechtem Personal sondern Mangel an Personal. In dem Heim sind aktuell nur noch zwei ausgebildete Pflegekräfte vorhanden. Diese sind komplett am Limit und dürfen nicht mal darüber reden da sie sonst eine Abmahnung fürchten müssen...wobei ich mich Frage was der Arbeitgeber machen will, da das Heim ja jetzt schon massiv unterbesetzt ist. Alles verwahrlost dort im Moment. Die Räumlichkeiten, die MitarbeiterInnen und die BewohnerInnen

  • "Gebrochene Erwerbsbiografien sind für jene, die schon jetzt im Ruhestand sind, und auch für die, die das in den kommenden Jahren sein werden, eine Normalität, die sich heute angesichts des Arbeitskräftemangels kaum jemand vorstellen kann."

    Meinten Sie: kaum jemand über 40?

  • Ein Pflegeheim muss GELD ABWERFEN und funktionieren - in dieser Reihenfolge.

    So ziemlich alle Pflegeinstitutionen sind privatisiert und müssen nicht nur kostendeckend arbeiten - sondern den Investroren Gewin bringen.



    Wie woanders auch, wo die Priorität von der Aufgabe zum Erlös gerutscht ist, gibts nur noch Kosten und Gewinn.



    Das erste runter, das zweite so hoch wie möglich.



    Pflegende sind Kosten (wie auch gutes Essen), werden demnach nur unter Zwang besser bezahlt, aber nie so gut das dort genügend Leute arbeiten wollen.



    Gewinn wird durch die zu Pflegenden selbst oder die dafür Zahlenden (früher oder später die Allgemeinheit) generiert, die Pflegesätze frei festgelegt.

    Wenn die Ampel was "prüfen" will hat Lindner vor dem zu lesenden Text den "abgelehnt" Stempel in der Hand.

    Eine Chance sehe ich im nicht mehr notwendigen Gewinn - also DE-Privatisierung (um mal nicht das V-Wort zu benutzen)

    Grüsse

  • 5/23, zeit.de



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    Das Problem ist multidimensional, multilateral u. trifft für oft senile u. multimorbide Seniorinnen u. Senioren zu, die essenziell Unterstützung brauchen: Vielleicht sind die ohne Lobby als wählende Bürger*innen nicht so umworben, weil sie leise sind.



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    "Das Gesetz, das letzte Woche durch den Bundestag gegangen ist, soll unter anderem Pflegebedürftigen helfen, die zu Hause betreut werden. Allerdings ist der Begriff "Reform" etwas groß gegriffen, Reförmchen träfe es eher. Lauterbach sagt sogar selbst, das Gesetz "ist nicht perfekt". Die gute Nachricht: Pflegebedürftige, die zu Hause betreut werden, erhalten mit der Reform ab nächstem Jahr mehr Geld. Ihre Pflegesätze sollen um fünf Prozent steigen. Für sogenannte Sachleistungen, aus denen sie einen Pflegedienst finanzieren können, gibt es je nach Pflegegrad dann maximal 2200 Euro im Monat. Das Pflegegeld, über das Betroffene frei verfügen dürfen, liegt künftig bei bis zu 947 Euro im Monat.



    Ein Plus von fünf Prozent klingt erst mal gut. Allerdings ist das Pflegegeld zuletzt 2017 angehoben worden. Die Betroffenen haben also über Jahre keinen Inflationsausgleich bekommen – mit der Folge, dass sie sich von dem Pflegegeld immer weniger leisten konnten. Trotz der nun beschlossenen Entlastung bleiben sie auf einem Realwertverlust von 15 Prozent sitzen, rechnet der Bremer Pflegeforscher Heinz Rothgang vor. Bei den Sachleistungen sieht es nicht besser aus. Als "reine Augenwischerei" bezeichnet deshalb der Sozialverband VdK die Reform.



    Dabei hat sich die Regierung eigentlich vorgenommen, die Pflegeleistungen an die Inflation zu koppeln. Für das Pflegegeld war das im Koalitionsvertrag sogar schon für 2022 vorgesehen. Nun kommt diese sogenannte Dynamisierung erst 2028 und auch dann erst mal nur einmalig. Grundlage wird dabei zudem nur die Kerninflation sein, bei der Preisanstiege für Energie und Lebensmittel herausgerechnet werden. Die Entscheidung über eine dauerhafte Lösung hat die Regierung hingegen vertagt."