Korruption in Russland: Wirtschaftsminister kassiert
Alexei Uljukajew wird in Moskau festgenommen. Er soll für ein Ölgeschäft zwei Millionen Dollar Schmiergeld angenommen haben.
Laut der Sprecherin der Untersuchungsbehörde Swetlana Petrenko wurde Uljukajew „in flagranti“ ertappt. Er hätte „auch noch versucht, seinen Schutzherrn anzurufen, jedoch vergeblich“, triumphierte die Sprecherin.
Die staatlichen Medien feierten die Verhaftung denn auch als einen besonders erfolgreichen Schlag gegen Korruption. Seit 1991 wurde kein so ranghohes Mitglied einer russischen Regierung wegen Korruptionsverdachtes festgenommen.
Der Kauf von Baschneft wirbelte schon seit Monaten Staub auf. Zunächst sollte die Privatisierung des sechstgrößten Ölproduzenten des Landes dem klammen russischen Haushalt neue Einnahmen zuführen. Minister Uljukajew wehrte sich unterdessen gegen die Veräußerung eines Staatsunternehmens an Rosneft, das sich auch mehrheitlich im Staatsbesitz befindet.
Keine Chance
Rosneft-Chef und Putin Intimus Igor Setschin ließ unterdessen nicht locker. Andere Interessenten hatten gar nicht erst eine Chance. Juristische Auflagen, die dem Verkauf auch im Weg standen, konnten umgangen werden.
Russlands Ex-Finanzminister Alexei Kudrin als dessen Vize Uljukajew von 2000 bis 2004 arbeitete, nannte das Geschäft eine „Konsolidierung staatlicher Aktiva“. Im Mittelpunkt steht der angeschlagene Ölsektor, nicht der Staatshaushalt. Schließlich stimmte auch Uljukajew zu und Ministerpräsident Dmitri Medwedjew segnete den Verkauf ab. Für das fünf Milliarden Dollar-Geschäft soll Uljukajew zwei Millionen Dollar Honorar gefordert und den Käufern auch noch gedroht haben.
Die Geschichte klingt unglaubwürdig. Zwei Millionen Dollar Schmiergeld bei einem Geschäft solchen Umfangs ist eine bescheidene Summe in Russland. Laut der Zeitung Nowaja Gaseta hätte der Minister das Geld auch nie in den Händen gehalten, wie es das Untersuchungskomitee behauptet. In ähnlichen Fällen werden Anschuldigungen durch Video- und Audiomaterial belegt und in der Öffentlichkeit gezeigt. Auch dies geschah nicht. Fraglich ist überdies, warum der Wirtschaftsminister sich ausgerechnet mit Igor Setschin wegen Schmiergeldzahlungen anlegen sollte. Offen bleibt auch die Frage, ob sich nicht auch der Überbringer des Geldes mitschuldig macht.
Rosneft taucht in den Ermittlungen indes nicht auf. Dennoch sickerte durch, dass der ehemalige Vize für Interne Sicherheit des FSB nun als Sicherheitschef Rosnefts an dem Fall beteiligt ist. Der Minister müsste auch wissen, dass solche wichtigen Entscheidungen nicht ohne Absprache mit Präsident Wladimir Putin getroffen werden.
Über ein Jahr abgehört
Nach Aussagen seines Pressesprechers soll der Kremlchef über den Fall Uljukajew seit Langem unterrichtet gewesen sein. Seit mehr als einem Jahr soll Uljukajew vom Geheimdienst abgehört worden sein. Die Privatisierung Baschnefts steht aber erst seit Februar auf der Agenda.
Sollte tatsächlich Korruption vorliegen, wäre dies kaum ein Anlass für den Kreml einzugreifen. Es sei denn der Verdächtige wäre in Ungnade gefallen. Beobachter können sich noch keinen Reim auf den Vorfall machen. Auch ein misstrauischer Präsident Putin hätte Uljukajew einfach entlassen können, meinte der ehemalige Kreml Spindoktor Gleb Pawlowskij.
Dass die Elite vor Verfolgungen nicht mehr sicher ist, habe sich in diesem Jahr endgültig gezeigt, sagte der Politologe Kirill Rogow. Die staatliche Repressionsmaschine zöge an: widersprüchliche Details wie im Casus Uljukajew spielten keine Rolle mehr. Vielmehr sei die Absurdität Teil der repressiven Maschinerie geworden wie unter Stalin.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs