Korruption in Angola: „Luanda Leaks“ mit Lücken

Die Angolanerin Isabel dos Santos steht im Mittelpunkt einer internationalen Recherche. Es gäbe in Angola noch mehr zu enthüllen.

Isabel dos Santo und ihr Ehemann fotografiert bei einer Ausstellungseröffnung

Isabel dos Santos mit ihrem Mann Sindika Dokolo bei einer Ausstellungseröffnung in Portugal 2015 Foto: Paulo Duarte/ap

LUANDA taz | Vor wenigen Jahren wurde Isabel dos Santos noch bewundert. Die Tochter des langjährigen Präsidenten von Angola war Afrikas reichste Frau, Aushängeschild einer globalisierten afrikanischen Unternehmergeneration. Doch seit ihr Vater Eduardo dos Santos im Jahr 2017 nach 38 Jahren an der Macht das Amt des Staatschefs abgab und der neue Präsident Joao Lourenco der Korruption den Kampf angesagt hat, ist die 46-Jährige zusammen mit ihrer Familie im Abwärtssog gefangen.

Erst verlor sie ihre Position als Chefin von Angolas milliardenschwerer staatlicher Ölgesellschaft Sonangol. Dann beschlagnahmte die angolanische Justiz all ihre Bankkonten und Unternehmensanteile im Land, um eine Milliarde US-Dollar ausstehender Kredite einzutreiben. Heute lebt sie in Portugal, der ehemaligen Kolonialmacht, im Exil.

Diese Woche hat ein internationales Recherchekonsortium Details über die Geschäfte von Isabel dos Santos und ihrem kongolesischen Ehemann Sindika Dokolo veröffentlicht. Die „Luanda Leaks“, basierend auf Hunderttausenden internen Firmendokumenten, gipfeln im Vorwurf, das Unternehmerpaar habe mittels eines Geflechts von 400 Firmen in 41 Ländern ein „Schema der Aneignung öffentlicher Gelder“ aufgebaut. Internationale Banken und Consulting-Firmen hätten beide Augen zugedrückt.

Die Erschütterungen der „Luanda Leaks“ in der globalen Finanzwelt sind immens. Für Isabel dos Santos kommen sie zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt.

Angolas Justiz wirft ihr seit Ende letzten Jahres vor, ihr globales Firmenimperium mit gestohlenen Geldern aus der staatlichen Ölfirma Sonangol und der staatlichen Diamantenfirma Sodiam aufgebaut zu haben, in der Zeit, als ihr Status als Präsidententochter sie schützte. Gigantische Summen seien aus den öffentlichen Unternehmen auf Konten ihrer Firmen transferiert worden. Deswegen wurden ihre Bankkonten und Firmenanteile beschlagnahmt.

Kampagne des Präsidenten?

Isabel dos Santos sieht in all dem eine von Angolas neuem Präsidenten Lourenco orchestrierte Kampagne. Sie warf ihm vergangene Woche vor, in den USA Lobbyfirmen engagiert zu haben, um eine internationale Kampagne gegen sie und ihren Vater zu führen, und brachte eine Kandidatur gegen Lourenco bei Angolas nächsten Wahlen ins Spiel. Daraus dürfte nun nichts werden.

Angolas Außenminister Manuel Augusto betonte Ende 2019 bei einem Portugal-Besuch, dass man nicht gegen Isabel dos Santos im Besonderen vorgehe, sondern gegen alle Personen und Firmen, die sich der freiwilligen Repatriierung gestohlener angolanischer Gelder aus dem Ausland entziehen.

Für Angola geht es um viel: Die Ölgelder sprudeln längst nicht mehr wie früher, die Wirtschaft stagniert, die Mehrheit de Bevölkerung lebt trotz der Ölmilliarden in tiefer Armut, und bei Investoren gilt das Land als intransparent und korrupt und damit wenig attraktiv.

Doch während Isabel dos Santos um ihr auf zwei Milliarden US-Dollar geschätztes Firmenreich bangt, ist sie keineswegs die einzige Person in Angola, deren Reichtum einen fragwürdigen Ursprung hat.

Manuel Vicente, unter Präsident dos Santos Vizepräsident und lange Zeit als dessen voraussichtlicher Nachfolger gehandelt, wird von Angolas Justiz nicht verfolgt, obwohl die Staatsanwaltschaft Beweise für illegale Bereicherung und kriminelle Aktivitäten gegen ihn vorliegen hat.

Der „60-Milliarden-Dollar-Mann“

Angolas Firmenregister zählt 28 Unternehmen im Besitz von Vicente, der als reichster Mann des südlichen Afrika gilt und in Angola der „60-Milliarden-Dollar-Mann“ genannt wird. Er war ein Vorgänger von Isabel dos Santos als Sonangol-Chef.

Angolas Behörde zur Rückführung gestohlener Gelder identifizierte im vergangenen Juni das Unternehmen Lektron Capital – im Besitz von Vicente sowie dem General Manuel Helder „Kopelipa“ – als Empfänger von 125 Millionen US-Dollar So­nangol-Geld zu den Zeiten, als Vicente die Staatsfirma leitete. Damit habe Lektron große Anteile der angolanischen Bank Besa erworben, die heute Banco Economico heißt.

272,3 Millionen US-Dollar Sonangol-Geld, so die Rückführungsbehörde weiter, flossen an die Firma Damer Industries im Besitz von Vicente, General „Kopelipa“ und General Leopoldino Fragodoso do Nascimento. Die erwarb damit Anteile im großen angolanischen Zuckerrohrprojekt Cacuso, einem Flaggschiff der Diversifizierung von Angolas Wirtschaft, das das Land mit Biotreibstoffen versorgen soll.

Zahlreiche weitere Unternehmensbeteiligungen Vicentes, die durch illegalen Transfer von Sonangol-Einnahmen ermöglicht worden sein sollen, stehen im Bericht der Behörde. Doch eine Anklage gegen ihn in Angola gibt es nicht.

Es wird vermutet, dass Vicente als Kenner sämtlicher Geheimnisse des Landes für Präsident Lourenco unantastbar ist, zumal er sich bei der überraschenden Kür Lourencos zum Nachfolger des Langzeitpräsidenten dos Santos 2016 durch die Regierungspartei zur allgemeinen Überraschung nicht wehrte. Er ist jetzt Ölberater des Präsidenten.

Unverzichtbar ist Vicente auch, weil er in seiner Zeit an der Sonangol-Spitze chinesisches Kapital nach Angola holte. In diesem Jahr steht die Privatisierung der angolanischen Anteile in den von ihm gegründeten Joint Ventures China Sinangol Interational limited und China Sonangol International Holding an, gefolgt von weiteren Sonangol-Tochterfirmen.

Portugal wollte Vicente 2017 vor Gericht stellen, weil er einen Richter mit 810.000 US-Dollar bestochen haben soll, um Ermittlungen zu seinen So­nangol-Geschäften einzustellen. Nach heftigem Protest übertrug Portugals Justiz 2018 das Verfahren an Angola, wo seitdem nichts passiert ist.

Prozesse gegen korrupte Größen der Ära dos Santos gibt es in Angola durchaus. Isabel dos Santos’ Bruder Filomeno dos Santos steht in der Hauptstadt Luanda vor Gericht wegen des Verschwindens von 500 Millionen US-Dollar aus Angolas staatlichem Ölfonds. Den leitete er, während seine Schwester die staatliche Ölfirma führte. Ihm drohen zwölf Jahre Haft.

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