Korrupte griechische Militärverträge: Schwer bewaffnet durch die Krise
Neue Korruptionsvorwürfe erschüttern Griechenland. Umstritten sind die Schmiergeldvorwürfe, nicht aber die Aufrüstung – dank dem Zypern-Trauma.
ATHEN taz | Die „Stunde null“ schlug am 20. Juli 1974: Damals marschierten türkische Truppen in den Norden Zyperns ein, rückten auf die Hauptstadt Nikosia vor und besetzten 40 Prozent der Insel. Dem Einmarsch war ein Putschversuch der griechischen Militärjunta gegen den zypriotischen Staatschef vorausgegangen, worauf sich die Türkei als Schutzmacht der türkisch-zypriotischen Inselbewohner berechtigt fühlte, einzumarschieren.
Bis heute stehen über 30.000 türkische Soldaten Gewehr bei Fuß im besetzten Norden Zyperns, türkische Militärflugzeuge bleiben im drei Flugminuten entfernten Militärstützpunkt Adana stationiert. 1974 konnte ein Krieg an allen Fronten zwischen Griechenland und der Türkei nur in letzter Minute abgewendet werden – offenbar auf Anweisung der USA, die eine Schwächung der Ostflanke der Nato verhindern wollten.
Die Frage, warum die USA oder sonstige Interessierte nicht genauso energisch gegen die türkische Militärinvasion vorgehen wollten, wird in Hellas unterschiedlich beantwortet: Viele Griechen vermuten, dass Zypern den kühl abwägenden Westmächten nicht wichtig genug war, andere wittern sogar Verschwörung.
Wie auch immer: Seit dem Trauma von 1974 herrscht in Athen weitgehend Einigkeit darüber, dass auf Sicherheitsgarantien seitens der Nato kaum Verlass sei und die griechische Armee gegen die Türkei aufrüsten müsse. Umgerechnet auf seine elf Millionen Einwohner unterhält Griechenland mit über 100.000 Soldaten die größte Armee Europas, vor Ausbruch der Schuldenkrise gönnten sich die Regierenden auch noch die größte Panzerarmee auf dem Kontinent.
Gekürzter Rüstungsetat
Selbst im Krisenjahr 2010 betrug der Verteidigungshaushalt fast sieben Milliarden Euro. Traditionell gehört Griechenland, wie auch die Türkei, zu den wichtigsten Empfängern deutscher Rüstungsexporte. Doch die Krise ist auch an Griechenlands Militär nicht spurlos vorübergegangen: Seit 2009 wurde der Rüstungsetat um 40 Prozent gekürzt.
Im Zuge der neuen Sparsamkeit sei es nach griechischen Medienberichten zu Verwerfungen mit Deutschland und Frankreich gekommen, denn angeblich beharrten die europäischen Großmächte auch in der Stunde der schwersten Finanznot darauf, den Griechen milliardenschwere Rüstungsverträge anzudrehen.
Die gute Seite: Endlich wollen die Steuerzahler ganz genau wissen, wer wofür bezahlt hat. Galt das Innenleben der Streitkräfte vor zehn Jahren als Tabubereich für die Öffentlichkeit, beginnen jetzt Journalisten und Staatsanwälte genauer nachzuforschen und stoßen dabei auf überraschende Einsichten, wie das Geständnis des neulich wegen Schmiergeldzahlungen festgenommenen Waffenhändlers Panos Evstathiou: Der 78-Jährige behauptet, einen ehemaligen Generalstabschef und weitere Militärs für Aufträge an deutsche Rüstungskonzerne geschmiert zu haben.
Allzeit kampfbereit
Auch interessant: In diese Deals sollen Geschäftsleute wie Thomas Liakounakos verwickelt sein. Ausgerechnet Liakounakos, der Self-Made-Mann aus den Armenvierteln von Piräus, der in den neunziger Jahren als Zeitungsverleger und Gründer einer Fluggesellschaft glänzte, der in Hochglanzmagazinen als Vorzeigeunternehmer gefeiert wurde. Vehement bestreitet Liakounakos die Vorwürfe und droht mit Anzeige gegen alle, die etwas anderes behaupten.
Zu Recht fragt man sich: Wie kann es sein, dass von solchen Geschäften jahrzehntelang niemand gehört hat? Doch ein Großteil der Griechen stellt zwar das Schmiergeld, nicht aber die Aufrüstung infrage. Schließlich muss man allzeit kampfbereit sein, falls die Türken wieder einmarschieren.
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