Koreanischer Thriller „Pandemie“ im Kino: Rettet die Antikörper

Der südkoreanische Katastrophenthriller „Pandemie“ dramatisiert die Folgen einer Virusinfektion. Jetzt kommt er hierzulande zum ersten Mal ins Kino.

Südkoreaner mit Atemmasken stehen vor verrauchtem Himmel an einer Abbruchkante.

Atemmasken werden in „Pandemie“ selbstverständlich auch getragen Foto: Busch Media

Können Filme Leben retten? Als sich das Coronavirus im Frühjahr rapide auf der ganzen Welt zu verbreiten begann, tauchte unter den meistgestreamten Filmen sehr bald Steven Soderberghs Virenklassiker „Contagion“ von 2011 auf einem der vorderen Plätze auf. Das Drama über eine globale Infektionswelle ist allein schon deshalb eine dankbare Wahl, weil es nüchtern schildert, wie sich Virologen bemühen, einen Impfstoff gegen einen neuartigen Erreger zu finden und zugleich dessen Verbreitung einzuschränken.

So bietet „Contagion“ die Möglichkeit, sich über Soderberghs künstlerisch-fiktive Herangehensweise bei gleichzeitig realistischer Darstellung aus sicherem Abstand mit einem Thema zu beschäftigen, das plötzlich den eigenen Alltag bestimmt. Man konnte dort etwa vor Jahren längst lernen, was eine Reproduktionszahl ist, bekam anschaulich vorgeführt, wie ein Erreger mühelos und rasend schnell im Flugzeug die Kontinente überquert. Sogar eine leichte Ahnung von den psychischen Härten einer Kontaktsperre vermittelt „Contagion“.

Zwei Jahre später legte der Koreaner Kim Sung-su mit seinem Beitrag „Pandemie“ nach. Seinerzeit hatte der Film in Südkorea mehr als 3 Millionen Zuschauer. Aus aktuellem Anlass bekommt er jetzt, mit sieben Jahren Verspätung, einen deutschen Kinostart. Auch in diesem Fall geht es um einen Virus, der sich unkontrolliert auszubreiten beginnt. Wobei sich das Geschehen auf die Stadt Bundang nahe Seoul beschränkt.

Während Soderbergh ganz bei der Sache bleibt und seine Geschichte über das Schicksal einer Kleinfamilie ohne überflüssige Nebenhandlungen erzählt, beginnt Kim Sung-su seinen Film einigermaßen bemüht mit dem spektakelträchtigen Einsatz des Rettungshelfers Ji-goo (Jang Hyuk). Dieser muss in einen Bauschacht hinabgelassen werden, um die Insassin eines Autos zu retten, das dort hineingestürzt ist. Wie sich später herausstellt, ist die in letzter Sekunde Gerettete In-hae (Su Ae) eine Ärztin, die als Virologin in einer Klinik arbeitet.

„Pandemie“. Regie: Kim Sung-su. Mit Su Ae, Jang Hyuk u. a. Südkorea 2013, 121 Min.

Die Ausbreitung der titelgebenden Krankheit, einer Form der Vogelgrippe, beginnt wie bei Soderbergh mit einem Husten. Zudem lässt Kim Sung-su die Infizierten gut sichtbar Blut spucken, was bei einer Vogelgrippe jedoch zu den selteneren Symptomen zu gehören scheint.

Verteilung von Aerosolen beobachten

Der Drastik dient es allemal. Binnen kürzester Zeit ist die Stadt Bundang von derart Hustenden erfüllt. Ein Vorzug von „Pandemie“ ist dabei, dass die Verteilung von Aerosolen im Raum optisch eindrucksvoll zu beobachten ist. Anders als bei Soderbergh bringt Kim Sung-su die Politik stärker ins Spiel. Da gibt es einerseits Gerangel zwischen den Politikern und den beratenden Medizinern, die auf einen Lockdown drängen, während die Entscheidungsträger ihre Zustimmungswerte im Blick haben.

Und als es schließlich zur Evakuierung der Bevölkerung in Quarantänelager kommt, schreckt die Regierung nicht vor radikalen militärischen Einsätzen zurück. Auch hier scheint die Drastik das bevorzugte Mittel gewesen zu sein.

Um die Katastrophendynamik aufzulockern, gibt es in „Pandemie“ zwischendrin immer wieder ein wenig Buddy-Humor zwischen Ji-goo und seinem clownesken Kollegen Kyung-ub (Yoo Hae-jin). Und irgendwann bekommen einzelne Figuren obendrein überlebensgroße Bedeutung, begleitet von allerlei rührigen Gesten.

Dass das die Leugner in Sachen Corona zum Nachdenken bewegt, darf bezweifelt werden

Insbesondere die Tochter von In-hae gerät im Verlauf der Handlung zu einer Heilsfigur, weil sie als einzige Trägerin von Antikörpern ein Impfmittel entwickeln zu helfen verspricht. Ein illegaler Migrant, der zuvor schon Antikörper ausgebildet hatte und dem die Tochter ihre Heilung verdankt, muss hingegen gewaltsam sterben.

Kaum Proteste gegen Hygieneregeln

Was in beiden Filmen aus heutiger Perspektive mit ein wenig Pandemieerfahrung zu kurz kommt, sind die sozialen Auswirkungen. In „Contagion“ müssen die Leute zumindest den Umgang untereinander einschränken. Doch die Proteste von Teilen der Bevölkerung gegen die Hygieneregeln von Regierungen kommen weder bei Soderbergh noch bei Kim Sung-su richtig ins Spiel.

Was vielleicht daran liegt, dass in einem Katastrophenfilm niemand groß davon überzeugt zu werden braucht, dass da draußen eine ernstzunehmende unsichtbare Gefahr lauert. Und dass Freiheitsbeschränkungen in einer solchen Situation dazu dienen können zu verhindern, dass Einzelne die eigene Freiheit auf Kosten der Freiheit anderer ausleben.

Dass das Anschauen von „Contagion“ oder „Pandemie“ allerdings die Skeptiker oder Leugner in Sachen Corona zum Nachdenken bewegt, darf bezweifelt werden. Besonders „Pandemie“ ist in seinem Willen zur Action, wobei die Politik nur allzu bereit ist, totalitär zu handeln, mehr als zwiespältig. Der schlechtere Film ist es ohnehin.

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