Kopftuch im Kampfsport: Die Wettkampfordnung geht vor
Eine Karateschülerin trat bei einem Wettbewerb mit Kopftuch an. Das sei nicht erlaubt, fand der Kampfrichter – und gab ihr null Punkte.
Hardwig Tomic, der Trainer des Mädchens und als ehemaliges Mitglied der Nationalmannschaft und Assistenzbundestrainer kein Niemand, protestierte scharf. Es half nichts. In der Folgedisziplin „Kampf“ trat die 16-Jährige dann nicht mehr an. Dort hätte sie einen Kopfschutz tragen können.
„Karate beginnt mit Respekt und endet mit Respekt“, hat der japanische Meister Funakoshi Gichin in seinen 20 Verhaltensregeln gesagt, auf die sich die Karatewelt gern beruft. Tomic möchte zu der Entscheidung des Kampfrichters öffentlich keine Stellung nehmen. Auch die Betroffene ziehe es vor, sich nicht zu äußern, sagt er. Ärger mit Verband und Kampfrichtern hat kein Sportler gerne.
Bülent Uçar, Direktor des Instituts für Islamische Theologie der Universität Osnabrück, versteht die Entscheidung des Kampfrichters nicht. „Um in solchen Fällen voranzukommen, müssten sich das gesellschaftliche Klima und die Sicht auf religiösen Minderheiten grundsätzlich verändern“, sagt er. „Häufig wird ausgeblendet, dass Religionsfreiheit ein elementares Menschenrecht sowie verbrieftes Grundrecht ist.“
Die Schura, der Landesverband der Muslime in Niedersachsen, wertet das Verhalten des Kampfrichters als „diskriminierend und demütigend“. Ähnliche Sportarten wie Taekwondo seien da „fortgeschrittener“. Er habe jedoch Hoffnung, dass der Kampfsportverband aus dem Vorfall lerne, sagt Schura-Sprecher Enes Esatbeyoğlu. Die Schura sei überzeugt, dass die International Budo Ferderation „dafür Sorge tragen wird, dass sich alle Sportler:innen willkommen und in ihren Rechten respektiert fühlen“.
Auf Fragen der taz zu dem Vorfall äußerte sich die International Budo Federation bis Redaktionsschluss nicht. Auf ihrer Website heißt es, sie verstehe sich als „Teil einer internationalen Gemeinschaft, in der es schon immer selbstverständlich war und ist, das sich alle Menschen vorurteilsfrei und gleichberechtigt begegnen“. Man verwahre sich „gegen jedweden Vorwurf im Sinne von Diskriminierung oder gar Rassismus“.
Auch auf den konkreten Vorfall wird dort eingegangen. Der mit der Turnierleitung beauftragte Kampfrichter habe erst unmittelbar vor dem Start der Veranstaltung von dem „Problem“ erfahren und „zu diesem Zeitpunkt keine andere Entscheidung treffen“ können. Für die Sportlerin bedauere man die Konsequenzen sehr und werde den Vorfall „in geeigneter Weise aufarbeiten“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden