Kooperation mit externen Gemeinschaften: Religions-Außenpolitik eingekürzt
Das Auswärtige Amt will nicht mehr von Religionsverter:innen beraten werden. Dabei wollte die Ampel kulturelle Dimensionen der Diplomatie stärken.
Schnabel lebt eigentlich als Benediktinerpater in Jerusalem. 2018 hat er für ein Jahr das AA zu Religionsfragen beraten. Der Theologe spricht von einem „Streichkonzert“ in der Kulturaußenpolitik, das nicht nur das Religionsprojekt betreffen würde, sondern auch die Goethe-Institute, den Deutschen Akademischen Austauschdienst und Qantara. Dieses Webportal der Deutschen Welle will auf Deutsch, Englisch und Arabisch den „Dialog mit der islamischen Welt“ fördern.
„Da wird mit wenig Geld Enormes bewirkt und auch gerade langfristig. Da zu kürzen halte ich einfach für eine kurzatmige, kurzfristige Politik, die uns irgendwann auf die Füße fällt. Da kann ich nur kopfschütteln“, sagt Schnabel. „Man darf gerne als Diplomat Atheistin, Atheist sein, aber religiös desinteressiert und keine Ahnung zu haben vom Thema: Das geht gar nicht.“ Für 84 Prozent der Weltbevölkerung sei Religion der Faktor im Leben, der Handeln, Identität und Resilienz bestimme. Bei Fragen des Klimaschutzes oder der globalen Bevölkerungsentwicklung müsse mit Religionsgemeinschaften kooperiert werden.
Der heutige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) hatte 2016 als Außenminister das Projekt „Religion und Außenpolitik“ ins Leben gerufen, um auszuloten, wie sich Religionsgruppen bei diplomatischen Prozessen einbinden lassen. Kurz zuvor hatte Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) mit einem ähnlichen Prozess in seinem Ressort begonnen. Bei der Weltbank und in den USA arbeitet man schon sehr viel länger mit religiösen Organisationen zusammen.
Projekt schon seit 2020 pausiert
Steinmeiers Nachfolger im Auswärtigen Amt, die Sozialdemokraten Sigmar Gabriel und Heiko Maas, führten das Religionsprojekt weiter. Trotz Kritik, nicht nur von der AfD. Mina Ahadi, Vorsitzende des Zentralrats der Ex-Muslime in Deutschland, sprach von einem „gefährlichen Rückschritt, durch den säkulare Prinzipien verraten werden“.
Das vorläufige Aus kam 2020 mit der Berufung von Nurhan Soykan zur Beraterin. Soykan ist Generalsekretärin und stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland. Parteiübergreifend wurde Kritik an der Personalie laut.
Volker Beck (Grüne) sagte, er verstehe nicht, warum das Amt „eine Vertreterin dieses problematischen Verbandes“ berufen habe. Die Linke Sevim Dağdelen erklärte damals, Außenminister Maas mache sich durch Soykans Berufung im Kampf gegen Antisemitismus unglaubwürdig.
Vom Liberal-Islamischen Bund hieß es, im Zentralrat der Muslime fänden sich Muslimbrüder, die für eine intolerante und antisemitische Ideologie stünden. Soykan habe außerdem in einem Interview den antisemitischen Al-Quds-Marsch in Berlin verteidigt. Tatsächlich bezog sich Soykans Äußerung auf Proteste gegen die israelische Bombardierung des Gazastreifens 2014. Soykan schwieg lange zu den Vorwürfen, bevor sie sich von islamistischen Ansichten distanzierte. Doch das Außenamt legt das Religionsprojekt auf Eis.
Das Außenministerium erklärte am 29. Juli 2020, es wolle in einen Beratungsprozess eintreten „mit denjenigen, die sich dafür interessieren, auch mit denjenigen, die Kritik daran geäußert haben“. Ende 2020 antwortete die Bundesregierung noch auf eine Anfrage der FDP-Fraktion im Bundestag, dass es Überlegungen gebe, den interreligiösen Beraterkreis insgesamt umzustrukturieren und auf eine breitere Grundlage zu stellen. Dann war lange nichts mehr zu hören.
Aus dem Auswärtigen Amt heißt es jetzt auf Anfrage, dass es keine Pläne gebe, die externe Beratung wieder aufzunehmen. Das Amt werde aber auch in Zukunft Kontakte zu religiösen Persönlichkeiten und Organisationen pflegen, um „ein möglichst breites Netzwerk zum gegenseitigen Nutzen zu errichten“.
Pater Nikodemus Schnabel hofft, dass das Religionsreferat als solches „erhalten wird und auch wieder ordentliches Personal bekommt, damit es arbeiten kann“. Gerade für eine feministische Außenpolitik, wie sie Ministerin Baerbock angeblich vertreten würde, gebe es bei der Zusammenarbeit mit religiösen Akteur*innen viel zu gewinnen, meint Schnabel. Er selbst arbeitet in Israel und Palästina mit Geflüchteten. Dass dieses Potenzial genutzt werde, sehe er, von Jerusalem aus, noch nicht.
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