Konjunktur nach Katastrophen: Kein Boom nach der Flut
Der Wiederaufbau nach den Überschwemmungen macht Milliardeninvestitionen nötig. Eine Konjunkturschub ist dennoch nicht zu erwarten.
Das ist längst nicht der gesamte Aufwand für die Bewältigung der Katastrophe, die vor allem Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen, aber in geringerem Ausmaß auch Sachsen und Bayern getroffen hat. Viele Schäden sind nicht versichert. Private Haushalte müssen vom Wasser zerstörte Möbel oder Haushaltsgeräte ersetzen und vielfach auch Häuser reparieren oder Gärten neu anlegen. Handwerksbetriebe oder Fabriken können nicht mehr arbeiten.
Individuell sind die finanziellen Folgen oft dramatisch. Volkswirtschaftlich könnte die Beseitigung der Schäden eine kleine Sonderkonjunktur auslösen, weil plötzlich Milliarden in die Wirtschaft gepumpt werden.
Doch so üppig, wie sich der Konjunkturschub auf den ersten Blick darstellt, wird er nicht ausfallen. „Eine Naturkatastrophe hat zwei Gesichter“, erläutert der Ökonom Michael Grömling vom Kölner Institut der Deutschen Wirtschaft (IW). Regional entstehe zunächst ein Angebotsschock. Das heißt, Produktionsanlagen liegen still, Geschäfte sind geschlossen, es gibt für viele Arbeitnehmer kurzfristig keine Beschäftigung.
Bremsen, beschleunigen, bremsen
Auf der anderen Seite entstehe ein Nachfrageschub. Die Infrastruktur muss wiederhergestellt, langlebige Konsumgüter müssen ersetzt werden. „Das hat klar konjunkturelle Impulse“, sagt der Experte.
Doch insgesamt sieht er mehr Effekte, die wiederum Bremsspuren hinterlassen. Denn das Angebot hält mit der Nachfrage an vielen Stellen nicht mehr mit, etwa bei Bauleistungen. Die Handwerksfirmen sind schon lange gut ausgelastet. Knappe Rohstoffe wie Holz sorgen für steigende Preise, aber nicht für wachsende Kapazitäten. So verpuffen die vielen Ausgaben, statt das Wachstum anzukurbeln.
Das ist auch bei den privaten Konsumausgaben wenigstens teilweise der Fall. Die Hersteller von Haushaltsgeräten verzeichnen beispielsweise seit dem vergangenen Herbst einen kräftigen Nachfrageschub und kommen mit der Produktion auch ohne die Flutschäden kaum mehr hinterher. Lange Wartezeiten auf den neuen Kühlschrank oder Geschirrspüler gehören dazu. Hinsichtlich der Folgen der Flut für ihr Geschäft zeigen sich die Firmen ohnehin zugeknöpft. Niemand möchte gerne als Krisengewinner genannt werden.
Die vielen Verlierer dagegen belasten die Wirtschaftsentwicklung ganz klar. Die Sparkassen sind ein anschauliches Beispiel dafür. 60 Zweigstellen mussten zunächst als Folge der Sturzfluten schließen. Mit rollenden Filialen konnten sie die Bargeldversorgung in einigen betroffenen Regionen sicher stellen. Zugleich aber stellten die Institute Beschäftigte für Hilfseinsätze ab. Mit Sonderkreditprogrammen helfen sie Flutbetroffenen, nach Angaben des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV) überwiegend zinsfrei. Das alles kostet sie weit mehr, als es ihnen einbringt. Auch hier verpufft die Sonderkonjunktur also.
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