Kongos oberster Naturschützer entlassen: „Unmoral und Inkompetenz“
Olivier Mushiete, Direktor von Kongos umstrittener Naturschutzbehörde ICCN, muss sein Amt räumen. Seine eigenen Mitarbeiter hatten das gefordert.
Das ICCN verwaltet die neun Nationalparks und 80 Naturschutzgebiete der Demokratischen Republik Kongo, die zusammengenommen neun Prozent des riesigen Staatsgebietes ausmachen, darunter Heimatgebiete sehr seltener geschützter Tierarten wie Berggorrillas und Bonobo-Schimpansen.
Deutschland ist führend bei der Finanzierung des kongolesischen Naturschutzes. Dabei ergibt sich ein Dilemma: Seit Jahrzehnten nutzen auch bewaffnete Rebellen Schutzgebiete als Rückzugsgebiete, weshalb Wildhüter in den Parks immer wieder gemeinsam mit Soldaten operieren. Seit 2019 sind die „Rangers“ des ICCN auch offiziell der kongolesischen Armee unterstellt, die für gravierende Menschenrechtsverletzungen bekannt ist.
Zuletzt mehrten sich Vorwürfe schwerer Übergriffe gegenüber Bewohnern von Schutzgebieten und Anwohnern von Nationalparks. 2020 fror Deutschland deswegen seine Entwicklungshilfsgelder für die Naturschutzbehörde ein. 2021 vereinbarte es mit Kongos Regierung ein neues Parkmanangement mit stärkerer internationaler Beteiligung, und Kongos Regierung setzte die langjährige ICCN-Leitung ab zugunsten einer kommissarischen Leitung unter Mushiete.
Doch dieses Jahr wurden Gewalt und Einschüchterung durch ICCN-Personal gegen Zeugen und Informanten im Rahmen internationaler Untersuchungen von Menschenrechtsverletzungen in Nationalparks bekannt. In der Folge gab es Krisengespräche mit ICCN-Chef Mushiete in Berlin.
Seine Auswechslung erfolgte nun just während eines Treffens des ICCN mit seinen wichtigsten internationalen Partnerorganisationen in Kinshasa. Noch am Abend des 16. September verbreitete das ICCN-Twitterkonto, scheinbar nicht informiert, Fotos von den Gesprächen über „allgemeine Schutzpolitik“ mit seinen „operativen Partnern“, auf denen er zu sehen ist.
Bestenfalls eine gemischte Bilanz
Offiziell wurde für Mushietes Absetzung kein Grund mitgeteilt. Seit er im August 2021 sein Amt aufnahm, hat er eine bestenfalls gemischte Bilanz aufzuweisen – in einer Zeit, in der der Schutz der Regenwälder und der Biodiversität immer wichtiger für das internationale Image der Demokratischen Republik Kongo wird.
Nicht von ungefähr hat das Umweltministerium, das jahrzehntelang ein Schattendasein führte, im Jahr 2021 erstmals eine zentrale Position im Kabinett erhalten, mit der bekannten Politikerin Eve Bazaiba als Ministerin im Rang einer stellvertretenden Premierministerin. Sie will Kongo zu einem führenden Land in Afrika bei der internationalen Klimapolitik machen.
Mushiete hat das Profil des ICCN ausgebaut. Sein Vater war Minister in der Mobutu-Diktatur, er selbst betreibt ein Waldprojekt im Bateke-Hochlands östlich von Kongos Hauptstadt Kinshasa, das er als Klimaschutzprojekt vermarktet und für das CO2-Kredite von der Weltbank geflossen sind. Als ICCN-Direktor hat er seiner Organisation ein neues Logo verpasst und angekündigt, mehrere Tausend neue bewaffnete Parkwächter anzuheuern, damit Kongos Nationalparks auf lange Sicht wieder für den Tourismus geöffnet werden können.
Heftige Kritik von vielen Mitarbeitern
Doch zugleich verkrachte sich Mushiete mit seinem Stellvertreter und mit vielen Mitarbeitern. Die warfen ihm vor, die Finanzmittel des ICCN vor allem zur Außenwerbung und Eigenwerbung einzusetzen, seine persönlichen Freundinnen zu bevorzugen und seine Kernaufgaben zu vernachlässigen.
Nach einer internen Untersuchung sprach eine Gruppe von ICCN-Mitarbeitern in einem Offenen Brief an Premierminister Sama Lukonde zum Jahrestag von Mushietes Amtseinführung am 19. August von „Unmoral, Inkompetenz, Veruntreuung und Unhöflichkeit“ an der Spitze der Behörde und forderte den Premier mit drastischen Warnungen zu Konsequenzen auf. „Wir arbeiten am ICCN und wenn Sie uns zu bewaffneten Gruppen treiben wollen, vielen Dank auch, denn die Folgen werden böse sein und Sie werden als Totengräber des ICCN in die Geschichte eingehen.“
Nun wird er durch Henri Mbale ersetzt, ehemals Zoodirektor von Kinshasa und aktuell Universitätsprofessor. Von ihm wird eher administrative Kompetenz erwartet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste