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Konflikt zwischen USA und NordkoreaNordkorea legt Pläne für Angriff vor

Die Drohungen gegen die USA sind so konkret wie nie. Dennoch ist ein Angriff unwahrscheinlich. International rufen Politiker zur Deeskalation auf.

Eine Maschine der US-Streitkräfte wird auf dem Flug nach Korea aufgetankt Foto: reuters

Seoul taz | Seit Jahrzehnten verbreitet das nordkoreanische Regime über seine staatliche Nachrichtenagentur regelmäßig martialische Drohungen und kündigt apokalyptische Vergeltungsschläge an. Meist jedoch wird vage gegen „imperialistischen Feinde“ gehetzt, die Rachegelüste bleiben sprachlich pathetisch und wenig konkret. Diesmal ist das anders – und genau deshalb besorgniserregend.

Als die nordkoreanische Volksarmee am Mittwoch ihre Pläne eines Raketenangriffs gegen die US-Pazifikinsel Guam ankündigte, stand nicht nur ein konkretes Anschlagsziel fest. Auch der Raketentyp (die Mittelstreckenrakete Hwasong-12) und der Zeitplan bis zur Fertigstellung der Operation (Mitte August) wurden in nüchterner, für nordkoreanische Verhältnisse geradezu differenziert analytischer Sprache angekündigt. Am Folgetag lieferte Nordkorea nun auch spezifische Details wie die geplante Flugroute (unter anderem über Hiroshima in Japan), die Flugdauer (18 Minuten) sowie den exakten Einschlagsort (30 Kilometer vor der Küste Guams).

„Das klingt natürlich beunruhigend. Dennoch halte ich das noch eher für Säbelrasseln“, sagte Lars-André Richter von der Friedrich-Naumann-Stiftung in Seoul. Nordkorea würde vor allem provozieren, um Aufmerksamkeit zu erreichen, die es wiederum aus innenpolitischen Zwecken brauche. „Aber aus der Geschichte wissen wir, dass Konflikte schnell eine Eigendynamik bekommen können – vor allem, wenn man es mit gleich zwei eher schwierigen Persönlichkeiten zu tun hat wie mit Trump und Kim Jong Un.“

Im Gegensatz zur nordkoreanisch-amerikanischen Eskalationsspirale sind aus Südkorea hingegen weitgehend differenzierte Töne zu vernehmen: Nach einer einberufenen Dringlichkeitssitzung des Nationalen Sicherheitsrates verurteilte die Regierung wie zu erwarten die militärischen Provokationen des Nordens. Gleichzeitig machte sie jedoch deutlich, dass die Möglichkeit zum Dialog weiterhin offen stünde – solange Kim Jong Un kooperiert.

Australien ist im Notfall neutral

Auch die japanische Regierung richtete erneut einen Appell in Richtung Pjöngjang, der in seinem Tonfall fast schon die Ohnmacht der internationalen Gemeinschaft ausdrückt: „Die Provokationen Nordkoreas sind absolut inakzeptabel. Wir bitten Nordkorea dringend, die wiederholt von der internationalen Gemeinschaft ausgesprochenen harten Warnungen und Rügen ernst zu nehmen“, sagte ein Regierungssprecher in Tokio. Dass das Regime in Pjöngjang dieser Bitte nachkommt, daran glaubt wohl kein Politiker ernsthaft.

Unterdessen hat die australische Regierung deutlich gemacht, sich im Falle eines Krieges zwischen den USA und Nordkorea zu nichts verpflichtet zu fühlen. „Wir waren im rechtlichen Sinn keine Partei im Waffenstillstandsabkommen. Deshalb wäre Australien nicht automatisch involviert“, sagte die australische Außenministerin Julie Bishop in einem Radiointerview.

Es gehe darum, alle Kanäle auszuloten, die man nutzen kann, um zur Deeskalation beizutragen

Martin Schulz, SPD-Chef

Sie bezieht sich auf den Koreakrieg, der 1953 mit einem Waffenstillstand endete, jedoch ohne Friedensvertrag blieb. Die Absage an die USA hat natürlich auch mit den stumpfen Provokationen von Donald Trump zu tun.

Das nordkoreanische Regime ist nicht lebensmüde

Auch SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hat vergleichsweise deutlich Stellung bezogen: Trump müsse die Botschaft vermittelt werden, „dass seine Rhetorik eine gefährliche ist und zur Verschärfung des Konflikts beiträgt“, sagte er am Donnerstag in Berlin. Es gehe nun darum, „alle Kanäle auszuloten, die man nutzen kann, um zur Deeskalation beizutragen“.

Dass es auf der koreanischen Halbinsel erneut zum Krieg kommt, scheint – zumindest derzeit – unwahrscheinlich. Trump bräuchte Wochen, wenn nicht Monate, um seine Streitkräfte zu mobilisieren und auf einen Einsatz vorzubereiten. Das nordkoreanische Regime hingegen ist ebenfalls nicht lebensmüde – einen militärischen Erstschlag gegen die USA oder die Verbündeten in Südkorea würde es nicht überstehen.

In der medialen Wahrnehmung spiegelt sich dennoch die derzeitige Hysterie wieder, wohl am plakativsten im Titelbild der Asienausgabe des Economist: Die grimmigen Konterfeis von Donald Trump und Kim Jong Un sind dort zu sehen – geformt aus den Wolken eines Atompilzes. „Es könnte passieren“ prangt in schwarzen Lettern über diesem dystopischen Szenario.

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14 Kommentare

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  • "Absurdes Theater" .. oder was ?

    Mr. Trumps Argumentation ist `machtvoll , geschichtslos und gefährlich´..?

    War es nicht so, das Nordkorea im Krieg`ins Mittelalter zurückgetrieben´ wurde?

    .. und dann, mit harten Sanktionen bestraft, in der hässlichen Ideologie einer stalinistischen Militärdiktatur ..

    seither stagniert?

    Nordkorea , mit seinen Militärs und der gebeutelten Zivilgesellschaft steht mit dem Rücken an der Wand , gefangen und selbstlegitimiert durch die seltsamen Wahrheiten ihres Stalinismus !

    Die Rhetorik des Mr. Trump ist alles andere , als Deeskalierend ! Er bedient die Angst und den verzweifelten Kampfwillen des Herrn Kim..

    Fazit ? Die USA ist, mit Mr. Trump im Prozess der "Selbstentmündigung" als Garant für globalen Frieden ! Und mögliche, friedliche Deeskalation ist offenbar ein Job Russlannds/Chinas/ Japans/Südkoreas..?

    ... und es zeigt sich- mal wieder- das Politik ökonomischer Sanktionen an sich, allein , kontraproduktiv sind ?

    Annäherung, friedlicher Dialog .. (Willy Brandt in memoriam ...) "World first" Rhetorik ...

  • Trump ist unfähig. Man kann nur hoffen, dass seine Sicherheitsberater ihn im Griff behalten.

     

    Jetzt sind China und Russland am Zug.

     

    Wann werden Erdöllieferungen durch China endlich gestoppt?

     

    Wann unterbindet man endlich die Versorgung des nordkoreanischen Baukastens mit russischen und chinesischen Schwarzmarktteilen?

  • Es geht ja aus dem Artikel ganz klar hervor, daß die Drohungen allein von Nordkorea ausgehen.

    Und natürlich kann man von den USA nicht verlangen, daß sie erst mal eine Atomwaffe auf einer ihrer Städte oder Inseln niedergehen lassen. Im übrigen haben die USA schon für viel weniger (Pearl Harbour) Atombomben geworfen.

     

    Man muß allerdings auch sehen, daß die Fehler in der Vergangenheit liegen. Man hätte schon viel früher Nordkoreas Drang zu Atomwaffen unterbrechen müssen. Und damals hätte das auch mit einer Handvoll konventionellen Bomben geklappt während das jetzt sogar mit Atomwaffen nicht besonders aussichtsreich ist.

     

    "Das nordkoreanische Regime hingegen ist ebenfalls nicht lebensmüde " Das können wir gar nicht wissen. Und wir können nicht wissen, welches Risiko die einzugehen bereit sind. Allerdings wissen wir aus unserer eigenen Deutschen Geschichte was für gewaltige Risiken solche Leute bereit sind, einzugehen. Letztlich muß man da mit ALLEM rechnen.

  • Was in der Diskussion in Europa übersehen wird: Es wird noch einige Zeit dauern, bis nordkoreanische Raketen US-amerikanische Großstädte treffen können. Für Europa ist das längst der Fall und angesichts der dichten Besiedlung reicht auch eine deutlich geringere Treffergenauigkeit aus als für den Beschuss einer Insel wie Guam.

    • @Martin74:

      Richtig. Wir zählen aber z.Z. nicht zu den Lieblingsfeinden Kim's.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Stimmt, zur Zeit nicht. Kann sich aber schnell ändern. Das stellen z.B. die Chinesen derzeit etwas überrascht fest.

      • 8G
        83379 (Profil gelöscht)
        @warum_denkt_keiner_nach?:

        Gefährlich sind die Rakten nur für Südkorea, alle anderen Nachbarn haben genügend Zeit die Raketen abzufangen...

        • @83379 (Profil gelöscht):

          Bis jetzt hat noch nie jemand eine echte feindliche Mittel- oder Langstreckenrakete abfangen müssen. Verlassen Sie sich nicht all zu sehr darauf, dass es immer klappt. Auch wenn die nordkoreanischen Raketen gewiss nicht über die neusten Finessen verfügen. Aber vielleicht tröstet es Sie dass auch nicht sicher ist, ob Kims Raketen Europa überhaupt treffen...

        • @83379 (Profil gelöscht):

          ach ja ? da haben wir ja einen Militärexperten. Können sie mir erklären wie diese Raketen vor einem Einschlag in einer Deutschen Stadt abgefangen werden sollen ? Grad die Linke hat doch immer gegen ein Raketenabfgangsystem gewettert Jetzt hätten wir es BITTER nötig. Dieser Irre in Nordkorea wird vor nichts halt machen.

          • 8G
            83379 (Profil gelöscht)
            @Klartexter:

            stimmt, da haben sich die Deutschen schön selber in den Fuß geschossen...

          • @Klartexter:

            Das Raketenabfangsystem soll aber die USA schützen. Nicht uns. Wir spielen nur Köder.

  • "...sowie den exakten Einschlagsort (30 Kilometer vor der Küste Guams)"

     

    Und die Amerikaner sollen sich dann darauf verlassen, dass die Rakete nicht auf der Insel einschlägt? Wie naiv ist das denn? Mal abgesehen davon, dass das Kimchen die Steuerung seiner Raketen noch nie bei so einem Schuss getestet hat. Es ist sogar fraglich, ob er überhaupt in der Lage ist, die Flugbahn der Rakete zu verfolgen und zu kontrollieren.

     

    Der Irrsinn galoppiert...

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Wie kommen Sie darauf, die Steuerung sei nicht getestet? Man nimmt an, da ist ein GPS- Lenksystem verbaut, dass auf wenige 100 m trifft. Die koreanischen Raketen sind schon in das japan. Meer abgeschossen worden und sind sicherlich gezielt auf einen Punkt eingeschlagen.

      • @lions:

        Die USA mit GPS angreifen? Ein lustiger Gedanke. Aber im Ernst. Die Amerikaner haben Vorkehrungen getroffen, dass genau das nicht möglich ist.

         

        Seine Testraketen hat Kim hoch, aber nicht weit gefeuert. Ob sie da aufgeschlagen sind, wo er wollte, wissen wir nicht. Was wir wissen ist, dass die Steuerung mit zunehmender Entfernung komplizierter wird. Die Großmächte benutzen für ihre Testschüsse ein Netz von Kontrollstationen. Die Hat Kim definitiv nicht. Er schießt ins Blaue in der Hoffnung, dass es schon gut geht.